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"Kürzungen im Kulturbereich sind kontraproduktiv"

Die Fragen stellte Miodrag Soric 9. Juni 2006

Im Interview mit der Deutschen Welle spricht Bernd Naumann (CDU), Staatsminister für Kultur und Medien, nicht nur über Kulturhoheit, Dialog mit der islamischen Welt und Beutekunst - auch die Fußball-WM ist ein Thema.

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Staatsminister für Kultur und Medien Bernd NeumannBild: picture-alliance/ dpa

DW-RADIO: Herr Neumann, das Amt des Kulturstaatsministers ist erst vor wenigen Jahren geschaffen worden. Die Zuständigkeit für Kultur liegt dennoch auch weiterhin in der Kompetenz der Länder. Wie sieht Ihr Amtsverständnis aus?

Bernd Neumann: Die Kulturzuständigkeit liegt eben nicht nur bei den Ländern. Natürlich haben die Länder vor Ort eine wichtige Funktion. Aber wir haben die Kulturnation Deutschland. Es gibt auch eine Gesamtverantwortung. Die nehmen die Länder teilweise auch wahr, aber im Prinzip steht die Gesamtverantwortung dem Bund zu. Der Bund muss dort tätig werden, wo es um nationale Bedeutung geht. Das betrifft Berlin als Hauptstadt, aber auch viele andere Bereiche und Sie haben mich vorgestellt als Kulturstaatsminister. Ich lege Wert darauf, dass ich der Staatsminister für Kultur und Medien bin. Und damit bin ich beim Thema. Ich bin auch zuständig für die Deutsche Welle. Das ist ein Medium und ich habe schon vor, diesen Bereich, nämlich Medien, innerhalb meines Amtes nicht zu kurz kommen zu lassen.

Was machen Sie also anders als Ihre Vorgänger?

Das würde ich so ungern beantworten, weil jeder seine Akzente setzt und ich schätze die Arbeit meiner Vorgänger. Es ist ja bekannt, dass ich der erste Kultur- und Medienminister bin, der aus dem politischen Bereich kommt. Ich sehe meine besondere Aufgabe darin, meine politische Erfahrung, meine politischen Kontakte dafür einzusetzen, dass diejenigen, die im Bereich von Kultur und Medien schaffen, vernünftige Rahmenbedingungen haben. Dass das, was ihnen finanziell zur Verfügung steht, ausreicht, dass wir in den verschiedenen gesetzlichen Vorhaben wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen schaffen. Das betrifft die Filmfinanzierung und das betrifft das Urheberrecht. Das betrifft auch die Künstlersozialversicherung. Die Politik muss hier den Rahmen schaffen. Innerhalb dieses Rahmens muss die Kultur selbst agieren. Das ist dann nicht meine Aufgabe, dort einzugreifen. Das betrifft die Kultur genauso wie die Medien.

Wir leben in Zeiten knapper Kassen. Wie groß ist die Gefahr, dass die Medien- und Kulturpolitik der Bundesregierung zum Steinbruch für Sparmaßnahmen wird?

Nun muss man sagen, diese Gefahr ist weniger beim Bund gegeben. Wenn Sie sich den Verlauf der Ausgaben für Kultur der letzten Jahre ansehen, dann stellen Sie fest, dass die Ausgaben des Bundes im Wesentlichen stabil geblieben sind. Der bemerkenswerte Rückgang hat im Bereich von Ländern und Gemeinden stattgefunden. Und ich empfinde mich als Anwalt für die Kultur - grade in einer Zeit der Globalisierung, in einer Zeit, wo Menschen Orientierung suchen, wo sie sich identifizieren wollen mit ihrer Region, spielen die Kultur und die Ausgaben für die Kultur eine herausragende Rolle und deshalb werde ich immer dort, wo ich die Chance habe, mich zu Wort zu melden, darauf hinweisen, dass die Kürzung im Bereich der Kultur letztlich kontraproduktiv ist. Und das Positive an der Vereinbarung der Koalition, die wir geschlossen haben, ist, dass dort der bemerkenswerte Satz enthalten ist: "Ausgaben für die Kultur sind keine Subventionen, sondern sind eine Investition in die Zukunft." Daran immer wieder zu erinnern - auch die eigenen Kollegen und den Finanzminister - das ist eine besondere Aufgabe, der ich mich stelle.

Wenn wir über Kultur sprechen, dann müssen wir natürlich auch zu dem Thema "Dialog der Kulturen" kommen. Auf welcher Ebene sollte er ihrer Meinung nach vor allem geführt werden - auf politischer oder auf kultureller Ebene?

Auf beiden Ebenen. Natürlich müssen wir im politischen Raum miteinander reden, müssen uns austauschen, müssen versuchen, Verständnis für einander zu finden und das fängt in der Bundesrepublik hier im Internen an. Dass wir dort viel mehr über die Kulturen und die unterschiedlichen Kulturen, die wir ja auch in Deutschland selbst haben, reden. Dass wir aufklären und dass wir ein Stück auch deutlich machen, was wir erwarten von denjenigen, die hier leben. Keine Anpassung, aber doch ein Stück Integration und Befassung mit deutscher Kultur. Ich glaube, dass das geht und dass das nötig ist. Darüber hinaus natürlich - aber das findet ja statt - muss der Austausch innerhalb der Kultur stattfinden. Aber da gibt es so viele Anknüpfungspunkte. Zu meinem Amtsbereich gehört das "Haus der Kulturen der Welt" in Berlin. Da findet das statt. Also, am ehesten schafft man überhaupt Einsicht, Verbindung, Konsens bei den Kulturen. Nehmen Sie die verbindende Wirkung der Musik. Musik kennt keine Grenzen. Musik unterschiedlicher Kulturen kann zueinander führen. Deswegen ist dies auch ein ganz wichtiger Ansatz, den wir nicht unterschätzen dürfen.

Bleiben wir ein bisschen beim Ausland. Beim Thema Beutekunst ist schon lange Zeit nichts mehr passiert oder man liest zumindest nichts mehr zu diesem Thema. Glauben Sie, dass hier noch Fortschritte möglich sind?

Steter Tropfen höhlt den Stein. Was haben wir in zurückliegenden Jahrzehnten nicht alles geglaubt, was nicht zu erreichen ist. Und irgendwann wurde es doch erreicht. Das beste Beispiel ist ja die Wiedervereinigung. Und bei der Beutekunst handelt es sich um illegal, kriegsbedingt verschlepptes Kulturgut. Es ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht, wenn es nicht zurückgegeben wird. Nun ist dies grade in dem Verhältnis zwischen Deutschland und Russland mit den Problemen der Vergangenheit behaftet und da muss man Geduld haben und es wird schrittweise, wenn auch mit kleinen Dingen, etwas erreicht. Also, die Kirchenfenster der Marienkirche in Frankfurt an der Oder, sind zum größten Teil schon zurückgegeben worden und der Rest wird in den nächsten Wochen und Monaten zurückgegeben. Wir reden über die Baldinsammlung. Da gibt es Fortschritte. Man wird sicherlich nie alles erreichen. Die Russen sind auch gesprächsbereit. Ich muss natürlich auch die schwere Situation der Politik in Russland sehen - auch der veröffentlichten Meinung. Aber wir werden das immer wieder - ich insbesondere - zum Gegenstand der Gespräche insbesondere mit Russland machen und ich bin sicher, dass es schrittweise Erfolge geben wird.

Welchen Stellenwert hat die Deutsche Welle für die auswärtige Medien- und Kulturarbeit der Bundesrepublik Deutschland?

Die Deutsche Welle ist das entscheidende Medium. Man muss sagen, das einzige Medium mit weltweiter Wirkung, welches in der Lage ist, das Bild Deutschlands zu vermitteln, die Diskussionen in Deutschland in alle Welt zu vermitteln und auch die die Befindlichkeiten der Deutschen in Deutschland zu vermitteln. Es ist im Grunde die einzige weltweite Stimme, die Deutschland hat, und deshalb ist sie unverzichtbar. Deshalb muss sie einen hohen Rang sowohl in der Außenpolitik als auch in der Kulturpolitik haben. Und ich habe mir vorgenommen, dazu beizutragen, dass dieser Rang bleibt und gesichert wird.

Das höre ich sehr gerne. Auch habe ich unlängst mit Freude gelesen, dass Sie gesagt haben, dass die Deutsche Welle in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gestärkt werden soll. Was bedeutet das konkret?

Alles fängt mit dem Geld an, wie im normalen Leben. Und wenn man dauernd kürzt, was ja in den letzten sechs, sieben Jahren im Hinblick auf die Deutsche Welle geschehen ist, und Mitarbeiter massiv reduziert, kann man nicht gleichzeitig mehr Engagement im Hinblick auf die Tätigkeit vor Ort verlangen. Irgendwann sind die Kapazitäten dann ja auch erreicht und für mich bedeutet dies, dass Schluss damit sein muss, mit dem einzigen Auslandssender, den wir haben, mit der einzig wahrnehmbaren Stimme Deutschlands in der Welt, nicht pfleglich umzugehen. Und ich habe ja bereits mit dem Haushalt 2006 diesen Trend nach unten beenden können. Natürlich sind wir vor schwierigen finanzpolitischen Entscheidungen und Zwängen, aber eins kommt für mich nicht in Frage: Dass die Deutsche Welle noch schlechter behandelt wird als andere Einrichtungen und das ist in der zurückliegenden Zeit der Fall gewesen. Im Gegenteil: In der Koalitionsvereinbarung steht - auch mit meinem Hinzutun - dass wir den Auftrag der Deutschen Welle stärken müssen und das bedeutet, sich zu ihr zu bekennen. Das ist ganz wichtig. Sie zu nutzen und sie finanziell nicht ausbluten zu lassen, sondern wenn irgend möglich ein Stück zu stärken.

Zwei Drittel der Menschheit leben in Ländern mit eingeschränkter Medien- und Meinungsfreiheit. Die Programme der Deutschen Welle, insbesondere der Fremdsprachen, im Radio, im Fernsehen oder im Internet erfüllen ja eine ganz besondere Aufgabe als Stimme der Freiheit. Inwieweit setzt sich die Bundesregierung weltweit für die Achtung der Meinungs- und Medienfreiheit ein? Die Kanzlerin ist hier bei ihren Auslandbesuchen in der Vergangenheit ja doch etwas anders aufgetreten als die Vorgänger.

Erst einmal besteht ja über die Deutsche Welle die große Chance eben auch die Werte der Demokratie zu vermitteln und aufzuklären. Das schaffen wir von der Politik so nicht. Und ganz wichtig ist es eben auch, dass die Führung in der Politik, die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin, immer dort, wo Meinungsfreiheit mit Füßen getreten wird, sich zu Wort melden. Und das hat die Bundeskanzlerin in Russland und auch in China getan und ich finde, das ist der richtige Weg und dieser Herausforderung müssen wir uns alle stellen.

Letztes Thema, das in diesen Tagen auch angesprochen werden muss: Ist Fußball eigentlich auch Kultur?

Ich war neulich mit meinem brasilianischen Kollegen Gilberto Gil zusammen, ein faszinierender Mann - auch ein ganz bekannter Sänger - und der hat mir über die Bedeutung des Fußballs in Brasilien erzählt. Da ist es eben so: Kultur ist dort Fußball und Fußball ist dort Kultur. Und was ich zu Deutschland sagen möchte und zu Europa: Es gibt viele Verbindungen. Ich habe jetzt im Rahmen des Kulturprogramms der Bundesregierung - wir begleiten ja dieses WM-Ereignis mit einem Programm in einer Größenordnung von 30 Millionen Euro - ein Kulturprogramm - an vielen Veranstaltungen teilgenommen. Fußball und Literatur, Fußball und Musik. Wenn man da mal nachforscht, wird man feststellen, dass der Fußball auch in den verschiedenen Kunstgattungen eine Rolle spielt. Nun soll man das nicht überhöhen. Es ist ein schönes Ereignis und es ist ein freudiges Ereignis und es ist Sport und immer dann, wenn wir die Chance haben, mit solchen Ereignissen ein positives Bild Deutschlands zu vermitteln, dann ist das Kultur mit hohem Anspruch.

Sie gelten als Werder-Bremen-Fan. Nun kann Werder Bremen nicht Weltmeister werden. Wer wird Ihrer Meinung nach Weltmeister?

Tim Borowski Fußball Werder Bremen
WM-Hoffnung? Werder-Spieler Tim BorowskiBild: AP

Ja, aber einen Moment mal! Es sind tragende Spieler von Werder Bremen in der Nationalelf und gegen Costa Rica wird Ballack ausfallen und dann muss der Mittelfeldspieler Borowski von Werder Bremen diese wichtige Rolle übernehmen. Also Werder Bremen wird da kräftig mitmachen. Ich weiß nicht, wer Weltmeister wird, aber ich wünsche mir, dass Deutschland gegen Brasilien spielt - im Endspiel und dass wir das Ergebnis umdrehen. Das heißt, das letzte Mal in Korea hat Brasilien gewonnen und ich halte alles für möglich und tippe auf Deutschland.