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Seiji Ozawa ist 80

Klaus Gehrke1. September 2015

Er war Stipendiat bei Herbert von Karajan. Leonard Bernstein verpasste ihm den letzten Schliff. Seiji Ozawas Karriere verlief steil nach oben. Fast 30 Jahre lang leitete er das Boston Symphony Orchestra.

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Dirigent Seiji Ozawa, Foto: imago/AFLO)
Bild: imago/AFLO

Seiji Ozawa ist kein Freund weit ausholender Gesten, offen zur Schau getragener dramatischer Mimik und wilden Gefuchtels mit dem Taktstock. Seit Jahrzehnten ist der Japaner der wohl bedeutendste Dirigent seiner Heimat und zählt zu den internationalen Spitzenstars seiner Zunft. Dabei war der Taktstock anfangs eher eine Notlösung in seiner musikalischen Karriere.

Durch eine Handverletzung wechselte Ozawa vom Pianisten zum Dirigenten

Geboren wurde der Sohn eines Zahnarztes am 1. September 1935 im heute zu China gehörenden Mandschukuo. Am Beruf seines Vaters, der Zahnarzt war, zeigte er kaum Interesse. Schon früh verbrachte er viel Zeit am Klavier: Nach der Übersiedlung der Familie nach Japan 1944 erhielt der gerade neunjährige Seiji Ozawa Unterricht bei dem international angesehenen Cellisten und Dirigenten Hideo Saito und setzte sich intensiv mit den Klavierwerken Johann Sebastian Bachs auseinander. Doch die angestrebte Pianistenkarriere fand 1950 ein jähes Ende: Bei einem Rugbyspiel zog Ozawa sich eine schwere Handverletzung zu und wandte sich nun, angeregt von seinem Lehrer Saito, dem Dirigieren zu.

Dirigent Seiji Ozawa, (Foto:picture-alliance/CTK)
Seiji Ozawa beim Frühlingsfestival in Prag 1967Bild: picture-alliance/CTK

Stipendium bei Karajan

Ende der 50er Jahre gewann der Japaner den ersten Preis beim internationalen Dirigierwettbewerb im französischen Besançon. Dort wurde Charles Münch, der Chef des Boston Symphony Orchestra, auf ihn aufmerksam: Er holte den jungen Ozawa an das renommierte Tanglewood Music Center, wo er und sein Kollege Pierre Monteux ihn unterrichteten. Sein großes musikalisches Talent bewies der 25jährige Student kurz darauf mit dem Sieg des Koussevitzky Preises, der höchsten Auszeichnung in Tanglewood. Diese ermöglichte ihm 1960 ein Stipendium bei Herbert von Karajan, dem Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker; über ein Jahr blieb Ozawa in West-Berlin. Dort erlebte ihn Leonard Bernstein; kurzerhand verpflichtete er den jungen Japaner als seinen Assistenten und vermittelte ihm in New York den letzten Schliff als Dirigent. 1962 gab Ozawa sein Debüt in einem Konzert mit dem San Francisco Symphony Orchestra.

Japan Musik Dirigent Seiji Ozawa in Berlin 1988 Philharmonie (Foto: picture-alliance/akg-images)
Seiji Ozawa 1988 in der Berliner PhilharmonieBild: picture-alliance/akg-images

Ozawas Karriere startete in den USA

Schnell konnte der junge Dirigent in den folgenden Jahren landesweites Renommee erwerben. Nach Stationen in Chicago und im kanadischen Toronto übernahm Ozawa 1973 die Leitung des Boston Symphony Orchestra, eines der fünf bedeutendsten Orchester der USA, das er schon aus seinen letzten Studienjahren kannte. Damit begann eine künstlerisch überaus fruchtbare und durchaus rekordverdächtige Beziehung: Bis 2002 dirigierte Ozawa das Bostoner Symphony Orchestra und blieb damit einem internationalen Spitzenorchester so lang verbunden wie kein anderer seiner Kollegen. In den fast 30 Jahren festigte er nicht nur dessen weltweites Renommee, sondern erarbeitete mit den Musikern ein breit gefächertes Repertoire mit viel zeitgenössischer Musik und nahm mit dem Orchester den Großteil seiner über 400 Platten und CDs auf.

Gefeiert in der neuen und alten Welt

Mit dem Boston Symphony Orchestra ging Ozawa regelmäßig auf Welttournee und trat höchst erfolgreich sowohl in seiner japanischen Heimat als auch in den europäischen Metropolen auf. Als seine Zeit in Boston 2002 endete, ging der 67-Jährige nicht in den Ruhestand, sondern nach Wien, um den Musikdirektorposten an der dortigen Staatsoper zu übernehmen; im gleichen Jahr leitete Ozawa das traditionelle Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. 2010 gab der Dirigent aufgrund einer schweren Erkrankung seine musikalischen Ämter auf und zog sich vom Konzertbetrieb zurück; nach seiner Genesung dirigierte er 2013 wieder bei dem von ihm mit gegründeten Saito-Kinen-Festival in Japan. Dem Dirigentenpult will er deshalb auch mit 80 Jahren nicht den Rücken kehren.

Japan Musik Dirigent Seiji Ozawa in Wien 2005 (Foto: picture-alliance/AP Photo/T. Linke)
Seiji Ozawa 1988 in der Berliner PhilharmonieBild: picture-alliance/AP Photo/T. Linke