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Politik

Japanischer Ex-Regierungschef Shinzo Abe tot

8. Juli 2022

Auf den früheren rechtskonservativen Ministerpräsidenten Japans war während einer Wahlkampfrede geschossen worden. Nun erlag der 67 Jahre alte Shinzo Abe seinen Verletzungen.

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Shinzo Abe (1954 - 2022)
Shinzo Abe (1954 - 2022) Bild: Eugene Hoshiko/AFP

Der frühere japanische Ministerpräsident Shinzo Abe ist erschossen worden. Der 67-Jährige wurde in der japanischen Stadt Nara Opfer eines Mordanschlags. Tatverdächtig ist ein 41 Jahre alter Japaner, der noch am Tatort festgenommen wurde und geständig ist. Medienberichten zufolge feuerte der Mann bei einer Wahlkampfveranstaltung zweimal mit einer selbstgebauten Schusswaffe auf den früheren Regierungschef. Der rechtskonservative Politiker brach daraufhin zusammen, blutete in der linken Brust und am Hals.

Japans Ex-Premier Abe nach Attentat tot

Auf Videoaufnahmen von Reportern sind die beiden Schüsse zu hören. Am Tatort spielten sich dramatische Szenen ab. Helfer führten an dem auf der Straße liegenden Abe erste Herzmassagen durch, bevor er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Auf dem Weg ins Krankenhaus soll der Politiker bei Bewusstsein gewesen sein. Bei dem Attentäter handelt es sich um ein ehemalige Mitglied der japanischen Marine. Er sei "unzufrieden" mit Abe und habe ihn "töten" wollen, wurde der Mann nach seiner Festnahme vom Fernsehsender NHK zitiert. 

Japan | Attentat auf Shinzo Abe
Der Politiker liegt nach dem Attentat verletzt auf dem Boden Bild: Kyodo/AP Photo/picture alliance

Regierung im Krisenmodus

Ministerpräsident Fumio Kishida brach sofort seinen Wahlkampf im Norden des Landes ab und kehrte nach Tokio zurück. Er forderte alle Kabinettsmitglieder auf, in die Hauptstadt zurückzukommen. Seine Regierung richtete einen Krisenstab ein. Japan hat mit die schärfsten Waffengesetze der Welt und gilt als eines der sichersten Länder.

Shinzo Abe offenbar bei Attentat schwer verletzt
Ein Wahlkampfplakat mit Shinzo AbeBild: Issei Kato/REUTERS

Weltweit reagierten Politiker erschüttert auf die Tat. US-Präsident Joe Biden sprach von einer Tragödie für Japan und für alle, die Abe kannten. US-Außenminister Antony Blinken äußerte sich erschüttert über das Attentat. "Dies ist ein sehr, sehr trauriger Moment", sagte Blinken am Rande des G20-Treffens auf der indonesischen Insel Bali. Die USA seien "zutiefst besorgt".  Es mache ihn tieftraurig, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz auf Twitter. Sein tiefes Mitgefühl gelte Abes Familie und Kishida. "Wir stehen auch in diesen schweren Stunden eng an der Seite Japans", versicherte Scholz. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zeigte sich ebenfalls entsetzt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte den "niederträchtigen" Angriff",  Russland sprach von einem "Akt des Terrorismus". Der israelische Präsident Isaac Herzog zeigte sich auf Twitter "entsetzt". Er sei tief beeindruckt gewesen über Shinzo Abes Führungsstärke, seiner Vision und seinem Respekt für Israel.

Bis zuletzt eine wichtige politische Figur

Abe war 2020 zurückgetreten, bis zuletzt aber eine wichtige Figur in der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP). Abe war zunächst  von 2006 bis 2007 und dann von 2012 bis 2020 Regierungschef Japans. Er ist damit der Ministerpräsident in Japan, der am längsten regierte. Unter seiner Führung war Japan deutlich nach rechts gerückt. Abe gehörte zu den entschiedenen Verfechtern einer Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung. Im Artikel 9 der Verfassung verzichtet Japan für alle Zeiten auf den Krieg als ein souveränes Recht der Nation und auf die Androhung oder Ausübung von Gewalt als Mittel zur Beilegung internationaler Streitigkeiten. Abe vertrat die Ansicht, dass die Verfassung nicht zu einer unabhängigen Nation passt, da sie 1946 von der Besatzungsmacht USA aufgezwungen worden sei.

Shinzo Abe offenbar bei Attentat schwer verletzt
Der Tatort in Nara kurz nach den Schüssen auf Shinzo AbeBild: KYODO/REUTERS

Am Sonntag finden in Japan Wahlen zum Oberhaus des Parlaments statt. Beobachter erwarten, dass die LDP einen klaren Sieg erringen wird. Damit könnte die Debatte um einen Verfassungsänderung an Fahrt gewinnen.

Abe vertrat eine Wirtschaftspolitik aus billigem Geld, schuldenfinanzierten Konjunkturspritzen und dem Versprechen von Strukturreformen. Mit dieser Politik, die "Abenomics" genannt wird, wollte er Japan aus der jahrzehntelangen Deflation und Stagnation führen. Zwar hat die Nummer Drei der Weltwirtschaft unter Abe zwischenzeitlich die längste Wachstumsphase seit Jahren erlebt. Zudem kurbelte Abe den Tourismus an, der vor der Corona-Pandemie viel Geld ins Land brachte. Gleichzeitig aber habe die "Abenomics" dazu geführt, dass die Gewinne in den vergangenen Jahren ungleich verteilt worden seien, beklagen seine Kritiker. Ein Drittel der Beschäftigten in Japan hat keine feste Anstellung.

kle/sti/uh(dpa, afp, rtr)