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Islamische Extremisten im Visier Israels

Peter Philipp22. August 2003

Nach dem jüngsten blutigen Anschlag geht Israel gezielt gegen radikale Palästinenser vor und tötet einen Hamas-Führer. Die Organisation beendet daraufhin die Waffenruhe.

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Mitglieder der palästinensischen Hamas-GruppeBild: AP

Eigentlich war man davon ausgegangen, dass die israelische Regierung noch in dieser Woche ihre Truppen aus weiteren palästinensischen Orten zurückziehen würde – trotz aller Meinungsverschiedenheiten, die es hierüber und in anderen Fragen mit der palästinensischen Regierung von Mahmud Abbas gab. Statt dessen hat die Armee das Haus des Selbstmordtäters des jüngsten Anschlags in Jerusalem zerstört, die Bewegungsfreiheit in den Palästinensergebieten wieder drastisch eingeschränkt, neue Kontrollpunkte eingerichtet, Dutzende von Verhaftungen vorgenommen und in der Nacht zum Donnerstag (21. August 2003) mit großangelegten Militäroperationen in den Westbank-Orten Nablus, Tulkarm und Dschenin begonnen.

"Routineaktionen"

Das ist Israels direkte Antwort auf den Selbstmordanschlag in einem Jerusalemer Linienbus vom Dienstag (19. August 2003), dem mehr als 20 Menschen zum Opfer fielen und bei dem Dutzende verwundet wurden. Aber es ist sicher noch nicht "die" Antwort, auf die die Palästinenser sich gefasst machen müssen: Israel bezeichnet die Maßnahmen in den drei Westbank-Orten als "Routineaktionen" gegen militante Palästinenser. Und tatsächlich standen gezielte israelische Angriffe auf Aktivisten der radikalen Palästinenserorganisationen "Hamas" und "Islamischer Dschihad" in letzter Zeit unverändert auf der Tagesordnung.

Am Donnerstag (21. August 2003) hat die israelische Armee dann den Hamas-Führer Ismail Abu Schanab im Zentrum Gazas bei einem Raketenangriff getötet. Auch die beiden Leibwächter des 48-Jährigen kamen dabei ums Leben.

Hamas und Islamischer Dschihad

Was zuvor bekannt wurde: Schritte wie dieser sollten sich gezielt gegen die islamistischen Extremisten von Hamas und Islamischem Dschihad richten – die beiden Gruppen, die trotz der von ihnen im Juni 2003 einseitig verkündeten Waffenruhe immer wieder gegen dieselbe verstoßen und die die Verantwortung für mehrere Selbstmordanschläge der vergangenen Wochen übernommen haben, auch für den jüngsten in Jerusalem.

Kurz nach dem Tod Schanabs gab die Hamas-Führung dann das Ende der am 29. Juni 2003 ausgerufenen einseitigen Waffenruhe mit Israel bekannt. Die extremistische Gruppe Islamischer Dschihad erklärte dagegen, man habe noch keine Entscheidung über das Ende der so genannten Hudna getroffen.

Ein gezieltes Vorgehen gegen diese beiden Organisationen birgt mehrere Risiken: Die relative Ruhe der vergangenen Wochen hat ihnen einen gewissen Vorsprung gegenüber dem israelischen Geheimdienst verschafft: Funktionäre und Aktivisten der beiden Gruppen haben abtauchen können und müssen zum Teil erst wieder gefunden werden, um gezielt gegen sie vorgehen zu können. Gleichzeitig gefährdet Israel durch eine Verstärkung gezielter Aktionen gegen Hamas und Dschihad die Position von Palästinenser-Premier Abbas.

Abbas unter Druck

Abbas hatte sich mit der Zustimmung zur "Road Map" – dem "Fahrplan" zu einem Nahostfrieden – bereiterklärt, die Radikalen im eigenen Lager zu entmachten. Aber erst nach dem Anschlag von Jerusalem setzte er entsprechende Beschlüsse in der Ministerrunde seines "Sicherheitskabinetts" durch. Zu spät für viele Israelis, die nun der eigenen Regierung zustimmen, dass man diese "Arbeit" selbst tun müsse. Und zu weitreichend für Anhänger der radikalen Palästinensergruppen, die Abbas vorwerfen, sich hiermit endgültig zum Erfüllungsgehilfen der Israelis zu machen.

Gleichzeitig steht und fällt die Hoffnung auf ein Gelingen der "Road Map" mit dem politischen Erfolg oder auch nur dem Überleben von Abbas: Sollte er scheitern, dann ist die Rückkehr zu den chaotischen Zuständen der Intifada - dem palästinensischen Widerstand - sicher. Möglicherweise noch eine zusätzliche Verschlechterung. Alle Beteiligten sehen dies: Washington hat bereits zur Besonnenheit gemahnt. Jerusalem versichert, man gebe Abbas "eine weitere Chance" und der Palästinenser-Premier scheint ernst zu machen – ironischerweise mit der Rückendeckung aus israelischen Gefängnissen: Palästinensische Häftlinge, die der Fatah-Bewegung von PLO-Chef Jassir Arafat angehören - und maßgeblich an der Herbeiführung der Waffenruhe beteiligt gewesen waren - haben dort ein Festhalten an der "Road Map" gefordert und Maßnahmen gegen die islamistischen Organisationen.

In diesen Organisationen scheint man die Botschaft verstanden zu haben: Einige ihrer Funktionäre, die bislang noch unbehindert in Gaza hatten auftreten können, sollen seit Donnerstagfrüh (21. August 2003) abgetaucht sein.