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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Herbert Peckmann2. Dezember 2006

Papst besucht die Türkei / NATO berät Afghanistan-Einsatz

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Der Besuch von Papst Benedikt XVI. in der Türkei in der vergangenen Woche ist in den Zeitungskommentaren international viel beachtet worden. Auch mit dem Nato-Gipfel in Riga befasst sich die internationale Presse.

Doch zunächst zum Papst-Besuch. Die türkischen Kommentatoren heben vor allem den Abstecher des Oberhaupts der römisch-katholischen Kirche in Istanbuls Blaue Moschee hervor. Damit habe Benedikt seinen Besuch mit einer "wunderbaren Überraschung" gekrönt, meint das Blatt AKSAM. Auch die Zeitung HÜRRIYET findet lobende Worte für den Besuch in dem islamischen Gebetshaus: "Er richtete sich in Sultan Ahmets Moschee gen Mekka und betete wie ein Moslem", heißt es.

LA REPUBBLICA aus Rom nennt dies eine "unauslöschliche Geste".

"Das Bild Ratzingers ..., wie er mit seinem muslimischen Bruder in die Richtung des einzigen Gottes blickt und ein Gebet des Friedens und der Liebe spricht, ist schon jetzt Geschichte ... . Einige werden jetzt sagen (oder murmeln), dass die unerwartete Geste von Benedikt XVI. ... vom Opportunismus bestimmt war. Von der brutalen Notwendigkeit, sich 1,3 Milliarden Anhänger von Mohammed nicht zum Feind zu machen. Aber wer das denkt, der kennt die Kirche nicht und der kennt Ratzinger nicht."

Die Niderländische TROUW spricht von einem "kleinen Wunder, das der Papst in der Türkei vollbracht habe. Zitat:

"Aus dem versöhnlichen Ton, den der Papst inzwischen anschlägt, ist abzuleiten, dass er zumindest bereit ist, in Europa mehr zu sehen als eine die anderen ausschließende christliche Organisation. Das ist ein großer Gewinn."

Die NEW YORK TIMES fordert von der Türkei, die religiösen Minderheiten zu achten. Das Blatt schreibt:

"Wenn sich der Papst für die Rechte der Christen in der Türkei und anderen muslimischen Ländern einsetzt, sollte er bedenken, dass diese Worte am meisten bringen, wenn er klar macht, dass auch der Westen noch einen langen Weg gehen muss, um die Rechte der Minderheiten zu verteidigen. ... Die Türkei muss in eine Debatte über Minderheiten und religiöse Rechte - und wie diese mit dem Westen zusammenhängen - eingebunden werden."

Die Zeitung ALSACE aus dem französischen Mülhausen befasst sich mit der religiösen Seite des Besuchs:

"Sicherlich ist der Empfang, der dem Papst beschert wurde, auch der türkischen Gastfreundschaft zu verdanken. ... Benedikt XVI. ist es aber auch gelungen, die Missverständnisse zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Islam nicht weiter zu vertiefen. Damit hat er die Chancen auf einen künftigen, tieferen Dialog bewahrt."

Schließlich noch der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz:

"Die Wiedervereinigung mit den Ostkirchen hat für den deutschen Papst höchste Priorität. ... Der Papst will alles tun, um die Hindernisse auf dem Weg zur Einheit auszuräumen. Selbst beim Haupthindernis, das er als Hirte mit universalem Anspruch selber verkörpert, will er mit den Orthodoxen ins Gespräch kommen."

Themenwechsel: Der NATO-Gipfel in Riga hat Afghanistan langfristige Hilfe zugesagt. Die Forderung nach mehr Truppen vor allem für den Kampf gegen Taliban-Milizen im Süden des Landes wurde von den großen Bündnispartnern indes nicht erfüllt. Weder Deutschland, Italien oder Frankreich wollen zusätzliche Soldaten entsenden. Der DAILY TELEGRAPH aus London zeigt sich darüber alarmiert:

"Man hat sich auf einige Verbesserungen geeinigt. Aber die Allianz als Ganzes war nicht willens, den Kommandotruppen eine ausreichende Zahl an Hubschraubern oder die 2.200 an zusätzlichen Soldaten zur Verfügung zu stellen, die sie nach eigenen Angaben brauchen. Die ganze Last der Kämpfe in den Südprovinzen wird weiterhin von Amerika, Großbritannien und Kanada getragen."

Noch deutlicher wird das New Yorker WALL STREET JOURNAL:

"Der Kampf der NATO gegen die wieder erstarkten Taliban in Südafghanistan erinnert an die Landung in der Normandie. Wieder kämpfen und sterben hauptsächlich Kanadier, Briten und Amerikaner. Der Großteil Europas nimmt an diesem Kampf nicht teil ... . Dieselben NATO-Partner, die eine angebrachte Beteiligung verweigern, erklären, dass Afghanistan zu verlieren, keine Option sei. Und sie haben Recht. Wenn man den Taliban erlaubt, Afghanistan wieder als internationale Zentrale des Dschihads aufzubauen, leidet Europa wahrscheinlich mehr als die USA oder Kanada."

Für die spanische Zeitung EL PAÍS kämpft die NATO in Afghanistan um ihr Überleben. Das Blatt konstatiert:

"Einige Staaten wie Deutschland, Frankreich oder Spanien haben den Einsatz ihrer Truppen in Afghanistan mit Restriktionen versehen. Sie wollen, dass ihre Soldaten möglichst wenig in Kampfeinsätze verwickelt werden und sich in ruhigen Zonen um humanitäre Dinge kümmern können. US-Präsident George W. Bush hat Recht damit, von den NATO-Partnern mehr Solidarität einzufordern. ... In Afghanistan stehen nicht nur die Glaubwürdigkeit und das Überleben der Allianz auf dem Spiel, sondern auch das Gesamtkonzept einer globalen Sicherheit."

Einen anderen Schwerpunkt setzt NORD ACLAIR aus dem französischen Roubaix:

"Leider ist Europa in der Krise und kann gegenüber US-Präsident George W. Bush keine geeinte Front einnehmen - weder bei der Außen- noch bei der Verteidigungspolitik. Diese Schwäche ist umso bedauerlicher, als die USA nicht mehr in der Lage sind, eine unanfechtbare Führung zu beanspruchen. Gleichzeitig fordern sie ihre Verbündeten aber auf, mit ihnen die Rückkehr der Taliban in Afghanistan zu bekämpfen und einen ehrenwerten Ausweg aus dem Irak-Konflikt zu finden."

Zum Schluss die SALZBURGER NACHRICHTEN, die feststellen:

"Die NATO-Partner sind sich offenkundig uneins darüber, ob militärische Stärke oder ziviler Aufbau der Schlüssel zur Stabilisierung Afghanistans ist. Aber ein Erfolg kann das Projekt Afghanistan nur werden, wenn die Bündnismitglieder dafür gemeinsam politische Konzepte ausarbeiten."