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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Thomas Grimmer 15. Juli 2006

G8-Gipfel in St. Petersburg / Nahost-Krise

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Der G8-Gipfel findet an diesem Wochenende in St. Petersburg und damit erstmals auf russischem Boden statt. Mit der Rolle Russlands als Gastgeber und dem Verhältnis des Landes zum Westen beschäftigten sich in dieser Woche die Kommentatoren der internationalen Presse.

Die Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom bemerkt:

"Schon vor Monaten, als der G8-Gipfel näher rückte (...), sah sich Wladimir Putin dazu veranlasst, eine der bekanntesten amerikanischen Public-Relations-Agenturen (...) mit einer Kommunikationskampagne zu beauftragen. Mit anderen Worten: Seine Regierung braucht einen neuen Putz. Denn in Amerika und in Europa waren viele Bedenken aufgekommen, ob Russland dazu tauglich ist, dem Club der wirtschaftlich am weitesten entwickelten Demokratien vorzusitzen - während Russland selbst noch ein autoritäres politisches System hat, die Wirtschaft größtenteils staatlich verwaltet wird, die Gerichte im Dienste des Kreml stehen und das Land eine große Arroganz im Umgang mit Energiequellen bewiesen hatte."

In der FINANCIAL TIMES aus London heißt es:

"Die russische G8-Präsidentschaft zeigt, wie distanziert die Beziehungen zum Westen noch sind. Diese Entwicklung rührt vielleicht zum Teil aus der russischen Reaktion auf die Hochnäsigkeit des Westens. Es ist immer noch nicht klar, wie Institutionen wie die NATO oder die Europäische Union das weltweit größte Territorium aufnehmen können. Mit Sicherheit rührt sie aber aus der Absicht von Präsident Wladimir Putin, Russlands Staatsgewalt wieder herstellen zu wollen, wozu ihm die hohen Energiepreise die Mittel geben."

Das LUXEMBURGER WORT meint zur Bedeutung Russlands als Energiemacht:

"Russland ist im Energiesektor das, was man in der Wirtschaft einen Major Player nennt: (...) Gegenwärtig tragen Öl und Gas rund 20 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Russlands bei und sind, neben Waffen, die Hauptexportgüter. Ohne diese Einnahmen wäre es wirtschaftlich um Russland zweifellos sehr viel schlechter bestellt. (...) Aber auch politisch hält Präsident Putin eine ungeheuer wirkungsvolle Waffe in der Hand. Für entwickelte Volkswirtschaften ist eine gesicherte Energieversorgung heute eine Überlebensfrage und damit zu einer Frage von Krieg und Frieden geworden."

Dass Putin sich auf dem G8-Gipfel dennoch auch über Sachthemen profilieren kann, meint LE FIGARO aus Paris:

"Drei gleichzeitige internationale Krisen - in Nahost, um das iranische Atomprogramm und die nordkoreanischen Raketentests - geben dem G8-Gipfel in St. Petersburg eine unvorhergesehene Dimension, mit einer von der Aktualität bestimmten Tagesordnung. Das gibt dem Kreml (...) die Gelegenheit, die Legitimität seiner Präsidentschaft (...) zu beweisen (...). Es wird reichen, wenn Putin ohne Hintergedanken zur Beilegung der aktuellen Krisen beiträgt."


Themenwechsel: So dramatisch wie in diesen Tagen war die Lage im Nahen Osten schon seit langem nicht mehr. Wer ist schuld an der neuen Spirale der Gewalt? Und wie kann einer weiteren Eskalation Einhalt geboten werden? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Kommentare der internationalen Presse:

Die Zeitung TROUW aus Den Haag sieht Israel nach den jüngsten Angriffen im Libanon und im Gaza-Streifen in der Klemme:

"Israel droht sich in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, aus dem es nur schwierig wieder herauskommen kann. Die Aktionen in Gaza dauern schon zwei Wochen, und auch das Ende der Operation im Libanon ist offen. Die Erfahrung lehrt außerdem, dass es nicht die terroristischen Bewegungen sind, die durch Israels Aktionen Unterstützung verlieren, sondern dass nur der Hass auf Israel zunimmt."

DIE PRESSE aus Wien sieht die Schuldfrage anders:

"Nicht Israel, sondern die radikal-islamische Hisbollah trägt die Hauptverantwortung für die libanesische Malaise. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Milizen der 'Partei Gottes' israelische Soldaten entführt haben: Israel hatte den Libanon vor sechs Jahren vollständig geräumt, war also keine Besatzungsmacht mehr."

Für die WASHINGTON POST ist die Hisbollah nicht das eigentliche Problem:

"Selbst wenn die Hisbollah in ihrem Heimatland für ihre Verantwortungslosigkeit politisch bestraft wird, bleibt das Hintergrundproblem - ihre Gönner Iran und Syrien. (...) Teheran sollte im UN-Sicherheitsrat nicht nur wegen seines Uran-Anreicherungsprogramms zur Rechenschaft gezogen werden, sondern auch wegen seiner Unterstützung für die Hisbollah. Damaskus, das die Hisbollah und die Hamas beherbergt, sollte erneut unter internationalen Druck gesetzt werden, einschließlich Sanktionen."

Auch die Moskauer Tageszeitung KOMMERSANT meint:

"Die Frage, was sich derzeit im Libanon abspielt, lässt sich nur jenseits der Grenzen des Landes beantworten. Gemeint ist Teheran, wo die Führung noch in der Vorwoche bekräftigt hat, weiterhin Uran anzureichern. (...) Eine Option für Teheran ist, mit Hilfe der treuen schiitischen Hisbollah einen Konflikt im Libanon anzuzetteln. Wenn dieser Plan funktioniert, hat das Ausland für eine begrenzte Zeit ganz andere Sorgen als das iranische Atomprogramm."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hält militärische Mittel zur Lösung der Nahost-Krise für wenig hilfreich:

"Auf die Reaktivierung der altbekannten 'Ablehnungsfront' kann wohl militärisch geantwortet werden, wie es die Israelis zurzeit im Gazastreifen und im Libanon versuchen. Das Störpotenzial solcher Allianzen haben aber zahlreiche Militärschläge Israels (...) nicht eindämmen können. Dazu könnte wohl nur ein politischer Prozess beitragen, der bei der Suche nach einer Lösung des Nahost-Konflikts alle interessierten Parteien einschließt."