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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Günther Birkenstock8. April 2006

Urteil Hamburger Landgericht Gerhard Schröder - Guido Westerwelle/ Frankreich Arbeitsmarktreform

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Nach einem Urteil des Hamburger Landgerichts der vergangenen Woche, darf FDP-Chef Guido Westerwelle nicht mehr behaupten, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder habe dem russisch-deutschen Enegiekonsortium Gasprom am Ende seiner Amtszeit einen "Auftrag" verschafft. Ungeachtet dieses Urteils wird das Verhalten Gerhard Schröders weiterhin von vielen stark kritisiert. So auch von zahlreichen Kommentatoren ausländischer Zeitungen. Ein weiteres Kommentarthema ist die Krise der französischen Politik wegen der Arbeitsmarktreform.

Zum Engagement von Altkanzler Gerhard Schröder beim russischen Energiekonzern Gasprom schreibt die BASLER ZEITUNG: "Vermutlich ist der Ex-Kanzler nicht halb so geldgeil, wie er jetzt von Teilen der deutschen Öffentlichkeit gesehen wird. Aber als der 'elder Statesman' mit Langzeitruhm, der er so gern wäre, hätte er so etwas wie politischen Anstand wahren müssen. Was bedeutet, sich nicht mit jedem Business gemein zu machen. Dass man sonst seinen Ruf ramponiert, kann man nachlesen. In fast jedem Geschichtsbuch."

Die Wiener Zeitung DIE PRESSE betrachtet Schröders Postenübernahme als früh geplante Aktion der persönlichen Bereicherung.

"Wie sich die Dinge jetzt präsentieren, war die Männerfreundschaft mit Putin so angelegt, dass für Schröder nach seinem Abgang als Bundeskanzler im deutsch-russischen Beziehungsgeflecht schon irgendein lukrativer Posten herausschauen würde. Gerhard Schröder hat tatsächlich schon längst jedes Gespür dafür verloren, wie man sehr wohl russophil und gleichzeitig auch anständig sein kann."

Die NEW YORK TIMES betont in bezug auf Schröder Postenübernahme den Unterschied zwischen Legalität und Legitimität:

"Wie viele andere Politiker, die nicht abwarten aus ihrem öffentlichen Amt Kapital zu schlagen, scheint Herr Schröder nicht zu verstehen -oder gibt vor nicht zu verstehen-, dass falsch nicht dasselbe ist wie illegal. Es ist ein ernsthafter Vertrauensbruch für einen früheren gewählten Offiziellen, mit Projekten Geld zu verdienen, die er im Amt begonnen hat. Und noch schwerwiegender ist dieser Interessenkonflikt, wenn es sich um das ehemalige Staatsoberhaupt handelt. Die Deutschen sollten so lange auf diesem Punkt beharren, bis Herr Schröder und andere habgierige Politiker das verstanden haben."

Das LUXEMBURGER WORT sieht über die Kritik an Gerhard Schröder hinaus einen schädlichen Alleingang der Bundesrepublik:

"Deutschland hat seine traditionell guten Beziehungen zu Russland dazu genutzt, sich durch die Ostsee-Pipeline einen privilegierten Zugang zu russischem Erdgas zu schaffen. Nicht Schröders auffallend gutes Verhältnis zum lupenreinen Demokraten Putin und der sich daraus ergebende Deal mit der Ostsee-Pipeline inklusive Aufsichtsratsvorsitz bei Gasprom ist das eigentliche Problem. Der deutsche Altkanzler hat der sich in den Kinderschuhen befindlichen EU-Energiepolitik vorab den Wind aus den Segeln genommen."

Zahlreiche Kommentare waren in der vergangenen Woche der politischen Krise in Frankreich durch die Arbeitsmarktreform gewidmet. In der vergangenen Woche stimmte Staatspräsident Jaques Chirac dem neuen Gesetz zwar zu, kündigte aber gleichzeitig eine Überarbeitung der Reformbestimmungen an.

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schreibt zum Streit um die Arbeitsmarktreform in Frankreich:

"Die französische Rechte unter Führung von Präsident Chirac und Premierminister de Villepin hat sich im Streit um die Arbeitsmarktreform eine blutige Nase geholt. Ihr Gesetz über den Erstanstellungsvertrag - Probezeit ohne Kündigungsschutz für junge Berufseinsteiger - ist gescheitert. Das beschlossene Gesetz wurde von der «Straße» außer Kraft gesetzt, noch bevor es wirklich in Kraft trat. Jetzt herrscht Endzeitstimmung - fin de règne. Es ist Zeit für einen Neubeginn. In einem Jahr sind Präsidentschaftswahlen."

Für die SALZBURGER NACHRICHTEN ist die aktuelle Krise der französischen Politik der logische Endpunkt einer verfehlten Regierungsführung:

"Frankreich ist unregierbar geworden, aber nicht erst seit gestern. Nach dem verlorenen Referendum über die EU-Verfassung hätte Präsident Jacques Chirac die Konsequenzen ziehen und zurücktreten müssen - nach dem Vorbild von Charles de Gaulle, der nach einer weit weniger krassen Niederlage sein Amt zur Verfügung stellte. Chirac ist seit dem 29. Mai 2005 politisch tot, seine Autorität als Staatsmann und Landesvater ist völlig ausgehöhlt. Der brutale Gewaltausbruch in den Vorstädten im vergangenen November war nur eines der Symptome diese Leere. Chirac verschwand praktisch von der Bühne und überließ die Geschäfte seinem bisherigen Außenminister und Statthalter Dominique de Villepin. Das war ein weiterer politischer Missgriff."

Das Pariser Nachrichtenmagazin L'EXPRESS sieht durch die aktuelle Krise nicht nur die Regierung in Gefahr.

"Frankreich ist im wirtschaftlichen Belagerungszustand und doch weigern sich alle, das zur Kenntnis zu nehmen. Machen wir weiter so im Stammeskrieg Gallier gegen Gallier, und verweigern wir den Blick auf die reale Welt! Die Niederlage des Landes ist dann sicher. Dieser Scheinrückzug der Reform drückt in einer schon pathetischen Weise Verwirrung und politisches Ränkespiel aus. Es ist ein 'Rette sich wer kann'. Man könnte über diese Kommödie lachen, würde sie uns nicht den Untergang einer Nation erzählen."

Die FINANCIAL TIMES aus London plädiert für die Arbeitsmarktreform, kritisiert aber das Vorgehen der Politiker.

"Das im Zeitlupen-Tempo ablaufende Scheitern der französischen Regierungsbemühungen, den Arbeitsmarkt für Jugendliche zu liberalisieren, ist ein schwerer Rückschlag für die Liberalisierung des Arbeitsmarkts in Europa. Die französischen Reformer sollten aus dem Geschehen nicht die Lehre ziehen, dass eine Reform des Arbeitsmarkts politischer Selbstmord sei, sondern dass sie nicht auf derart arrogante Weise ausgeführt werden kann."