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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Eleonore Uhlich10. Dezember 2005

US-Außenministerin in Europa Streit um EU-Finanzen

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Die ausländischen Zeitungen befassen sich in dieser Woche mit dem Besuch der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice in Berlin. Neben dem Streit über geheime Gefangenenflüge der CIA richtet sich das Augenmerk auf die Frage, inwieweit das angeschlagene deutsch-amerikanische Verhältnis von der neuen Kanzlerin Merkel wieder ins rechte Lot gebracht werden kann.

Die in Rom erscheinende Zeitung LA REPUBBLICA stellt fest:

"Condoleezza Rice hat Deutschland also ohne große Anfangserfolge wieder verlassen ... Bei dem 50-minütigem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel - fast doppelt so lange wie geplant - gab es zwar eingehende Erklärungen, aber keine völlige Überwindung der Meinungsverschiedenheiten. Der Fall der geheimen Gefangenflüge der CIA bleibt auf der Tagesordnung des deutsch-amerikanischen Tauwetters und in den Beziehungen zwischen Washington und dem 'alten Europa' weiterhin eine offene Frage."

Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich hält fest:

"Widerstand oder auch nur Protest gegen die Verschleppungspraktiken der CIA blieben aus. ... Die Mauer des Schweigens, hinter der sich die Berliner Regierung verschanzt, bedeutet nichts anderes, als dass sie Verschleppungen in Folterstaaten nicht behindern will. Die beiden mächtigen Politikerinnen redeten von Demokratie und Rechtsstaat - und beförderten mit wohlklingenden Worten zentrale Bürgerrechte in den Abfalleimer der Geschichte."

Der Mailänder CORRIERE DELLA SERA urteilt:

"Echtes Verständnis gab es lediglich zum Schein, das Einverständnis beschränkte sich auf die Mimik einer zur Schau getragenen weiblichen Solidarität. Am Ende ist US-Außenministerin Condoleezza Rice aus Berlin abgereist, ohne auch nur irgendetwas über CIA-Geheimflüge verdächtiger Terroristen, geheimen Gefängnissen und Folter preisgegeben zu haben. ... Die deutsche Etappe der Europareise der amerikanischen Außenministerin bestätigt die Vorhersagen vor Reiseantritt, zudem gab es ein wenig Enttäuschung."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG spricht von einem 'holprigen Neustart der Berliner Außenpolitik' und analysiert:

"Merkels Wunsch, das deutsch-amerikanische Verhältnis rasch nach ihrem Amtsantritt zu entkrampfen, erfüllte sich nicht. Die Bundeskanzlerin bekundet angesichts des seit dem Irak-Krieg virulenten Antiamerikanismus in Deutschland Mühe, den Schulterschluss mit Washington zu suchen und diese neue außenpolitische Linie in der innenpolitischen Debatte auch konsequent zu vertreten."

Die russische Tageszeitung KOMMERSANT schlägt den Bogen zum gesamten Europa und folgert:

"Der jüngste Skandal um die Geheimdienstflüge hat deutlich gemacht dass die Grundlage für eine Annäherung zwischen den USA und Europa noch nicht gefunden ist. Europa ist im Kampf gegen den internationalen Terrorismus noch nicht zu jenen Opfern bereit, die George Bush fordert. Deshalb klingt auch die warnende Außenministerin Condoleezza Rice auf ihrem Europabesuch wie ein einsamer Rufer in der Wüste", resümiert die russische Zeitung KOMMERSANT.

Ein weiteres Thema ist das Gipfeltreffen der Europäischen Union in der kommenden Woche und insbesondere der britische Haushaltsvorschlag für die Jahre 2007 bis 2013. Im Zentrum der Kritik steht erneut der Beitragsrabatt für Großbritannien.

DER STANDARD aus Wien schäumt geradezu vor Empörung:

"Was dem Vorschlag aus dem Vereinigten Königreich (...) die Krone aufsetzt, ist die Tatsache, dass Großbritannien die Position der Nettozahler deutlich verbessert, indem die Einzahlungen ... gekürzt werden sollen. Damit würde London - neben dem Britenrabatt - noch einmal profitieren. ... Dieser Finanzvorschlag lässt nur den Rückschluss zu, dass Großbritannien zu allererst auf sich schaut und den Briten die EU und auch deren weitere Entwicklung herzlich egal ist - ausgenommen nur der Marktzugang."

Die schwedische Tageszeitung AFTONBLADET unterstreicht:

"Die Allerärmsten in Ost- und Zentraleuropa sollen die Zeche zahlen, wenn sich die EU-Mitgliedsländer jetzt auf einen Kompromiss beim Haushalt einigen. ... Das ist ein unglückliches Signal an die neuen Mitgliedsländer, ... in denen soziale Not Misstrauen gegenüber der EU und dem nationalen politischen System erzeugt. Den festgefahrenen Budgetstreit hätte man anders lösen können: Indem Frankreich seine hartnäckige Verteidigung der Agrarsubventionen aufgegeben und Großbritannien mehr Beitrag gezahlt hätte."

Das Pariser Wirtschaftsblatt LA TRIBUNE sieht europäische Prinzipien infrage gestellt und führt aus:

"Gegen den Anschein geht es im Streit um die Finanzmittel ... nicht nur um viel Geld. Die Nettozahler weigern sich, der EU mehr Mittel bereitzustellen. Sie stellen damit ein Gründungsprinzip des Europaabenteuers infrage, nämlich die Solidarität der Mitgliedstaaten. Das Besondere daran ist, dass es sich um die reichsten EU-Staaten handelt, zu denen auch einige historische Pfeiler des europäischen Aufbauwerks gehören, die sich gerne mit dieser Autorität schmücken." Die spanische Tageszeitung EL PAIS verweist auf einen anderen Aspekt:

"Der Haushaltsvorschlag steht im deutlichen Widerspruch zu den Prinzipien der Solidarität, der Gerechtigkeit und der Kohäsion, die der EU überhaupt erst ihren Existenzsinn gegeben haben. Es stimmt auch, dass diese Philosophie in Nebel gehüllt ist, seitdem die EU vor über fünf Jahren den Startschuss für die Erweiterungsverhandlungen gab. Es ist schwer zu glauben, dass das, was mit 15 gemacht worden ist, mit 10 mehr ebenfalls möglich sein soll."

Die Wiener Zeitung DIE PRESSE glaubt die Finanzdebatte habe einen 'Systemfehler' offengelegt und erläutert:

" ... dieser liegt im Unvermögen, notwendige Reformen durchzuführen. Die Europäische Union braucht Anpassungen. Sie braucht ein modernes Finanzierungsinstrument, das die Wettbewerbsfähigkeit erhöht ... Sie braucht eine effiziente Hilfe für Osteuropa, damit wir alle von dessen Wachstum profitieren. ... Vor allem aber braucht sie wieder eine Entscheidungsfähigkeit für die gemeinsame Sache."