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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche im Überblick

28. April 2002

Landtagswahl in Sachsen-Anhalt / Situation der SPD

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Die Wahlen im Bundesland Sachsen-Anhalt und die Lage der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands waren in dieser Woche die deutschen Themen auf den Meinungsseiten der ausländischen Tagespresse.

Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, wo die regierende SPD am vergangenen Sonntag mit einem dramatischen Stimmenverlust von knapp 16 Prozentpunkten abgewählt wurde, stellte die in London erscheinende TIMES fest:

"Die Wähler in Deutschlands ärmstem Land haben Kanzler Gerhard Schröder eine verheerende Schlappe beigebracht und Zweifel daran aufkommen lassen, dass er die Bundestagswahl im Herbst noch gewinnen kann. Herr Schröder war schnell dabei, die Wahl als eine lokale Angelegenheit zu beschreiben und damit die Schuld auf den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Reinhard Höppner abzuschieben. Doch die Niederlage ist viel mehr als nur eine lokale Angelegenheit. Sie lässt an der Fähigkeit des Kanzlers zweifeln, bei der Bundestagswahl die Unterstützung der ostdeutschen Wähler zu gewinnen."

Ähnlich urteilte die belgische Zeitung LE SOIR:

"Als ärmstes Land im früheren DDR-Gebiet hat Sachsen-Anhalt auch die höchste Arbeitslosenquote. Aber die allgemeine Wirtschaftslage in Deutschland ist kaum glänzender, und Schröder könnte (bei der Bundestagswahl) im September durchaus auch selbst bestraft werden, wenn der versprochene Aufschwung nur mit Verspätung spürbar wird. Wenn die Ergebnisse von Sachsen-Anhalt sich auch nicht auf ganz Deutschland übertragen lassen, könnten sie doch einen Hinweis auf die fünf ostdeutschen Länder für September geben. Zum wiederholten Mal ist die Kanzlerschaft dort entschieden worden, 1994 zu Gunsten von Helmut Kohl und 1998 zum Vorteil Schröders. Trotz der regionalen Elemente ist die Abstimmung von Sachsen-Anhalt daher eine ernsthafte Warnung an die Sozialdemokraten, deren Sieg im September noch vor einem Jahr als selbstverständlich galt."

Nüchtern analysierte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG die derzeitige Situation der Sozialdemokraten:

"Die SPD fürchtet zunehmend, dass sie auf dem Feld der Wirtschaftspolitik gegenüber den Unionssparteien ins Hintertreffen gerät. Nach den Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute wird die Konjunkturbelebung in Deutschland geringer ausfallen als in den übrigen Ländern der EU und auch später einsetzen als angenommen. Bisher hatte die SPD erwartet, eine Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft im Frühsommer werde das Meinungsklima zu ihren Gunsten verändern. Diese Hoffnung könnte sich zerschlagen; und zu allem Überfluss droht die Metallgewerkschaft mit Streik. Die SPD befindet sich in einem Stimmungstief, und das Desaster in Magdeburg erhöht den Druck auf Schröder, durch sein persönliches Engagement in den nächsten Monaten eine Wende zu erzwingen."

Die Mailänder Zeitung CORRIERE DELLA SERA befasste sich mit dem Wahlkampfprogramm der SPD für die Bundestagswahl, das Parteichef Schröder am Mittwoch vorstellte:

"In den Umfragen im Rückstand, noch immer benommen von den katastrophalen Wahlergebnissen in Sachsen-Anhalt, scheint sich die SPD jetzt ganz an Bundeskanzler Schröder zu klammern, an den Mann, der sie nach 16 Jahren Opposition wieder an die Macht geführt hat und der in der persönlichen Auseinandersetzung mit seinem Herausforderer Stoiber noch immer als Sieger dasteht. In diesem Sinne handelt es sich bei dem Wahlprogramm der SPD vor allem um eine unerlässliche Nebensache. Jetzt ist Schröder dran, seine medialen Fähigkeiten und sein Charisma sind gefragt."

Die britische Wirtschaftszeitung FINANCIAL TIMES erklärte das Wahlprogramm zwar nicht gleich zur Nebensache, hält es aber für ziemlich langweilig:

"Es wäre sicher zu viel erwartet, wenn Bundeskanzler Gerhard Schröder schon etwas aus dem französischen Wahlergebnis vom letzten Sonntag gelernt hätte. Das Wahlprogramm der Sozialdemokratischen Partei enthält keine Überraschungen. Es spricht mehr über die Erfolge der Vergangenheit als über die Herausforderungen der Zukunft. Es ist, kurz gesagt, nicht ein Programm, das den Wähler anregt. Eine Verlangsamung bei den Reformen bei gleichzeitiger Fortsetzung stückchenweiser Sozialprogramme sind ein langweiliges Rezept für die wirtschaftliche Stagnation. Schröder muss sich bis September neue Ideen einfallen lassen."

Schließlich brachte es das in Wien erscheinende österreichische Massenblatt KURIER auf den Punkt:

"Fünf Monate vor der Wahl geht Form nun endgültig vor Inhalt. Gerhard Schröders neue Wahlkampfstrategie lautet: Totale Personalisierung, ein Duell mit Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber. Motto: Er oder Ich. Aber auch dabei muss Schröder die Taktik ändern. Denn der Herausforderer bleibt eisern moderat und lieber vage als profiliert. Er verweigert das Bild des Rechtspopulisten, das ihm SPD und Grüne verpassen wollten. Der Medienkanzler Schröder setzt nun noch mehr darauf, dass seine viel besseren Sympathiewerte dem Wähler wichtiger sind als die besseren Kompetenzwerte Stoibers. (...) Sachsen-Anhalt hat die Strategie des Kanzlers geändert und auch die Stimmung, wenn nicht beim Wähler, so doch bei den Duellanten. Der Verteidiger ist nervöser, der Herausforderer sichtlich selbstsicherer geworden - auch wenn das Duell noch lange nicht entschieden ist."