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Institut der deutschen Wirtschaft: Mehrheit der Branchen pessimistisch

Rolf Wenkel27. Dezember 2001

Verbandsumfrage bringt Ergebnisse wie zur Rezession 92/93

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Zwölf Branchen rechnen mit stagnierenden und 19 Branchen mit sinkenden Produktions- und Umsatzzahlen. Die Stimmung sei so schlecht wie schon lange nicht mehr, bestätigt Gerhard Fels, der Direktor des Instituts:

"Die Stimmung und die Einschätzung der Beschäftigungsentwicklung, der Investitionsentwicklung, ist so schlecht wie seit 1992/93 nicht mehr. Damals hatten wir ja eine echte Rezession. Wir sind jetzt sehr nahe an dieser Entwicklung wieder dran. Wir haben eine nicht allzu gute Prognose für das Jahr 2002. Das Sozialprodukt wird nach unserer Einschätzung gerade einmal um ein Prozent zunehmen. Das bedeutet natürlich auch für die Beschäftigung eher ein Minus. Wir sind also wirklich in einer Rezession in Deutschland."

Der 11. September war nicht entscheidend

35 von 44 Wirtschaftsbranchen schätzen die allgemeine Stimmungslage bei ihren Mitgliedsfirmen schlechter ein als noch vor Jahresfrist. Nur die Ernährungsindustrie macht sich Hoffnungen, dass es nach der BSE-Krise und der Maul- und Klauenseuche besser wird als im abgelaufenen Jahr. Die Folgen des 11. September, so die Einschätzung von Institutsdirektor Gerhard Fels, haben bei der Beurteilung der allgemeinen Wirtschaftslage kaum eine Rolle gespielt: "Die große Irritation, die nach diesen Terrorattacken in Amerika aufkam, die scheint etwas abgeebbt zu sein. Man sieht im Augenblick wieder mehr die wirtschaftlichen Fakten im Vordergrund und nicht die Unsicherheit, die nach diesen Anschlägen aufgekommen war. Aber die wirtschaftlichen Fakten sind nach wie vor nicht besonders positiv. Wir waren auch schon vor dem 11. September in einer rezessiven Entwicklung. Die ist dann beschleunigt worden. Wir sind jetzt erst in Stadium, wo man auf den Wendepunkt hofft, der irgendwann im Verlauf des ersten Halbjahr 2002 dann doch eintreten könnte."

Ein Drittel aller Branchen will die Investitionen im kommenden Jahr zurückfahren, und bei weit über der Hälfte der Branchen stagniert die Investitionstätigkeit. Nur sechs Branchen wollen ihre Investitionen steigern. Kommt da auf die deutsche Wirtschaft doch eine längere Eiszeit zu? "Das muss nicht so sein", meint Gerhard Fels, "die Planungen der Investition sind im allgemeinen sehr sensibel. Sie reagieren auch sehr stark auf die aktuelle Lage. Und die aktuelle Lage ist nicht sehr günstig. Aber wenn sich die aktuelle Lage wieder etwas stabilisiert im Laufe des nächsten Jahres, bin ich sicher, wird man auch die Investitionspläne dann wieder nach oben korrigieren. Im Augenblick herrscht noch ein großer, wie man sagt, Attentismus, also eine große Zurückhaltung vor."

Pessimismus quer durch alle Branchen

Früher hat sich das Meinungsbild in der IW- Verbandsumfrage sehr stark differenziert, wenn man zwischen konjunkturabhängigen und weniger konjunktursensiblen Branchen unterschieden hat. "Das ist diesmal nicht der Fall, " sagt Fels. "Wir haben in den hochkonjunkturabhängigen Branchen der Industrie, der exportabhängigen Industrie, eine sehr schlechte Einschätzung, insbesondere auch in der Automobil-Industrie, die ja noch ein einigermaßen gutes Jahr hatte im Jahre 2001. Aber wir sehen auch, dass viele Dienstleistungsbranchen doch betroffen sind. Nehmen Sie einmal den Luftverkehr, nehmen Sie einmal die Touristik oder die Banken. Die sind nun auch von dieser krisenhaften Zuspitzung betroffen. Mit einiger Zuversicht sehen nur noch die Versicherungen ins nächste Jahr."

Auf der anderen Seite scheint es schon die ersten hellen Streifen am Horizont zu geben. Der jüngste IfO-Geschäftsklima-Index zeigt wieder leicht nach oben, in den USA herrscht das niedrigste Zinsniveau seit 1961. Und der Branchenverband BITKOM meldet, zwei Drittel aller Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik rechneten im kommenden Jahr mit steigenden Umsätzen. "Es gibt einige positive Zeichen2, bestätigt auch IW-Direktor Fels. "Die jüngsten Zahlen des IfO-Geschäftsklima-Index zeigen aber eigentlich nur, dass es nicht weiter abwärts geht. Es ist aber noch keine deutliche Aufwärtstendenz. Die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten ist sehr expansiv, und darauf gründet sich im wesentlichen auch die Erwartung, dass es im nächsten Jahr, im Laufe des nächsten Jahres, auch bei uns wieder aufwärts gehen wird. Unsere Konjunktur hängt - wie wir in diesem Jahr ganz dramatisch erfahren mussten - sehr stark an der amerikanischen Konjunktur. Die amerikanische Konjunktur wird sehr stark gestützt über die Geldpolitik und auch über die Finanzpolitik, viel mehr als wir das hier in Europa uns leisten könnten. Das ist eigentlich der Grund dafür, warum es im nächsten Jahr dann doch wieder, spätestens im zweiten Halbjahr, wieder aufwärts gehen wird."