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In Deutschland muss die Infektion nicht das Ende bedeuten

Ulrike Mast-Kirschning6. Juli 2004

In Deutschland ist AIDS immer weniger ein Thema: Das Konzept von Information, Aufklärung und konkreter Hilfe ist bislang äußerst erfolgreich. Ulrike Mast-Kirschning hat einen Betroffenen besucht.

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Medikamente und Netzwerke helfen

Als Gerhard Malcharek noch Art-Direktor bei einer großen Werbeagentur in Köln war, bestand sein Leben vor allem aus drei Dingen: Arbeit, Party und Sex. Er ist bekennender Schwuler und als es die ersten Todesfälle wegen AIDS in seinem Umfeld gab, wurde er sich des Risikos bewusst. Er ließ einen AIDS-Test machen. Das Ergebnis war positiv.

Zeit zu leben

Gerhard Malcharek ist einer von rund 40.000 Menschen in Deutschland, die derzeit mit dem HI-Virus leben. Rund 5.000 davon sind an AIDS erkrankt. Die meisten infizieren sich nach wie vor bei Sexual-Kontakten zwischen Männern, 16 Prozent bei heterosexuellen Kontakten und etwa zehn Prozent beim Drogenkonsum mit Spritzen. Eine Infektion über Blut-Konserven ist dank sorgfältiger Kontrollverfahren inzwischen nahezu ausgeschlossen.

Zwölf Jahre liegt der Test von Gerhard Malcharek jetzt zurück und eher beiläufig erfuhr er in der Universitätsklinik das Test-Ergebnis. Wochenlang stand er unter Schock. Die Perspektive schien klar: Krankheit und Tod standen unmittelbar bevor. Er wollte nicht sterben und versuchte die - wie er damals glaubte - kurze verbleibende Zeit zu nutzen. "In der Zeit habe ich alles schön geplant. Ich wollte noch die Pyramiden sehen. Ich wollte Hawaii sehen. Dann hatte ich alles gesehen und war immer noch da", erinnert er sich. Die Medikamente, die ab Mitte der 1980er Jahre in schnellen Abständen auf den Markt gekommen sind, zeigten Wirkung.

Prävention ist wichtig

In den großen Städten - dort, wo die allermeisten HIV infizierten in Deutschland leben - unterhält die AIDS-Hilfe örtliche Büros mit ehrenamtlichen und angestellten Mitarbeitern. Ob Probleme in der Familie, Probleme am Arbeitsplatz, Fragen nach der richtigen Behandlung oder dem richtigen Arzt: Die Mitarbeiter der AIDS-Hilfe stehen den Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite. Vielfach wird ein Mittagstisch angeboten - Gespräche, Kontakte und Vitamine inklusive. Informationsangebote für Schulen und Betriebe kommen hinzu und ergänzen die Arbeit der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung, die mit Aktionen, Broschüren und großen Plakatwänden für den Gebrauch von Kondomen wirbt.

Das Präventionskonzept wurde kurz nach Ausbruch der Epidemie Anfang der 1980er Jahre ins Leben gerufen. "Wir arbeiten nach dem weltweit sehr geschätzten und als beispielhaft angesehenen Modell der Verknüpfung von staatlicher Präventionsarbeit und konkreter Ansprache besonders gefährdeter Gruppen", sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbandes, Hannelore Knittel. Die AIDS-Stiftung sammelt zusätzlich Geld für Betroffene - häufig mit Unterstützung Prominenter - um zu helfen, deren Lebensverhältnisse materiell zu verbessern.

Perspektive dank Behandlung

Gerhard Malcharek geht es dank einer tablettenreichen Kombinationstherapie heute gut. Aber seinen Job kann er - wie viele Erkrankte - nicht mehr bewältigen. "In einer guten Agentur muss man zehn bis zwölf Stunden permanent fit sein. Irgendwann hat das mein Körper nicht mehr geschafft", berichtet er. Er wurde frühverrentet. "Es hat mir gut getan", sagt er. "Ich glaube nicht, dass ich sonst noch am Leben wäre."

AIDS, sagt Gerhard Malcharek, war und ist nicht sein Leben. Er weigert sich, dem Thema eine Dominanz einzuräumen. Vor einigen Monaten heiratete er seinen Freund. Materiell ist er einigermaßen abgesichert und an vielen Tagen im Monat fühlt er sich fit genug, um - ehrenamtlich - für die AIDS-Hilfe zu arbeiten. Sein Leben, sagt er, hat für ihn auch weiterhin etwas, an das er vor zwölf Jahren nicht mehr geglaubt hatte: Es hat eine Perspektive.