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Historischer Tag

Gerda Meuer, Brüssel26. Oktober 2002

Die letzte Hürde der Verhandlungen zur EU-Erweiterung ist ausgeräumt: Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich auf die Finanzierung der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern. Ein Kommentar von Gerda Meuer.

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"Das ist ein großer Tag für Europa und ein großer Tag für Deutschland", sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder am Ende dieses Brüsseler EU-Gipfels. Und Schröders Pathos ist in diesem Fall angebracht. Die Europäische Union hat die letzte entscheidende Hürde zur Ost-Erweiterung genommen. Das Signal aus Brüssel lautet: Die Europäische Union macht das Tor weit auf. In sieben Wochen, das ist nun so gut wie sicher, werden zehn Staaten beim EU-Gipfel in Kopenhagen ihre Eintrittskarte für die Union in die Hand gedrückt bekommen.

Doch der Weg dahin war nicht einfach. Über Monate hatten sich Deutschland und Frankreich um die Finanzierung des EU-Agrarhaushaltes gestritten. Frankreich fürchtete nach dem Beitritt der zehn neuen um die Pfründe seiner Bauern, die von der EU bisher recht üppig bedacht werden. Und Deutschland wollte aus der Rolle des ewigen Zahlmeisters heraus, wollte eine deutliche Reduzierung der Agrarausgaben.

Bis in die letzte Stunde des Gipfels dauerte das Geschacher. Doch dann zogen sich Staatspräsident Chirac und Kanzler Schröder aus der Runde zurück und schlossen einen Kompromiss. Deutschland und Frankreich, ohne die sich in der Europäischen Union nichts bewegt, hatten verstanden, dass alles von ihnen beiden abhängt. Beide sprangen dabei schliesslich über ihren Schatten und zeigten, dass letzendlich nicht Cent und Euro den Fortschritt der Europäischen Union bestimmen.

Deshalb ist das tatsächlich ein großer Tag für Europa - und ein großer Tag für das deutsch-französische Verhältnis. Zwar wird Schröder und Chirac niemals verbinden, was ihre Vorggänger Kohl und Mitterand einte. Aber: man muss nicht Hand in Hand Verbundenheit demonstrieren, wenn die Einsicht und die Vernunft ausreichen, oder wenn es sich sogar nur um ein Zweckbündnis handelt, bei dem das gemeinsame Ziel die Rechtfertigung ist.

Deshalb darf es zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr darum gehen, nachzurechnen, gegenzurechnen und zu vergleichen, wer von den beiden die größeren Zugeständnisse gemacht hat, wer Verlierer ist und wer Sieger.

Was in Brüssel zählte, das war die große Geste und das Signal an die Beitrittsstaaten, vor allem die aus Ost-Europa: Ihr seid uns willkommen, Europa wartet auf Euch, und darin ist die Europäische Union sich einig. Und das ist dem Brüsseler Gipfel dank der neuen Qualität der deutsch-franzsöischen Freundschaft gelungen, gegen alle Prognosen und gegen alle Unkenrufe.