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Hindu-Nationalisten auf dem Vormarsch

Friedemann Schlender17. Dezember 2002

Bei den Wahlen in der indischen Provinz Gujarat hat die nationale BJP gesiegt. Die Hindu-Partei war mit einer Hasskampagne gegen Moslems und Christen auf Stimmenfang gegangen. Friedemann Schlender kommentiert.

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Zwei dramatische Ereignisse, die das Leben in Gujarat veränderten, sollten den Wahlausgang bestimmen. Im Februar fielen einem Brandanschlag, dessen Umstände bis heute noch nicht geklärt sind, 59 national-religiöse Hindu-Aktivisten zum Opfer. Es heißt, dass Muslime die Tat begangen haben sollen. Der Brandanschlag löste eine brutale Hertzjagd auf Muslime aus. Dabei kamen mehr als 1.000 Menschen um.

Der Chefminister von Gujarat, Narendra Modi, nutzte die Gunst der blutigen Stunden und propagierte die Vorherrschaft der Hindus als Garant für die Sicherheit in seinem Bundesstaat. Mit dem der Bevölkerungsmehrheit der Hindus genehmen Staatskonzept "Hindutva: Hindu-Staat" ging er auf Stimmenfang.

Im Wahlkampf wurde die oppositionelle Kongress-Partei als Sachwalter der muslimischen Interessen verunglimpft. Schon allein die Forderung der Partei nach Ausgleich und Toleranz galt als suspekt.

Mit dem unbeirrten Festhalten an dem Anspruch der Hindu-Vorherrschaft wird einer der Gründungsgrundsätze der Indischen Republik in Frage gestellt, das Prinzip der in der Geschichte immer wieder beschworenen "Einheit in der Vielfalt". Bisher konnte auch in kritischen Phasen der Geschichte die Einheit der bunten Vielfalt Indiens gewahrt werden, so zum Beispiel in der Zeit der sezessionistischen Aktionen der Gemeinschaft der Sikhs in den 1980er Jahren. In den Zeiten aufgeheizter Emotionen half stets nur die Rückkehr zum Säkularismus.

Wenn aber der Führer des rechtsradikalen Vishva Hindu Parishad, des Weltrats der Hindus, Togadia, die Wahlen von Gujarat als Wendepunkt sieht und die Verwirklichung des Hindu-Reichs für die nächsten zwei Jahre prognostiziert, so wird damit zumindest eine Absicht signalisiert: Indische Politik soll sich auf der Vorherrschaft der Hindus begründen. Als strategisches Ziel für die Vollendung gilt das Jahr 2004, das Jahr der nächsten Parlamentswahlen.

Ob die Träume Togadias, der zu den engsten Verbündeten des extremen Hindu-nationalistischen Flügels der BJP gehört, wahr werden, hängt nicht zuletzt ab vom Differenzierungsprozess innerhalb der Indischen Volkspartei. Es ist aber zu befürchten, dass der überzeugende Wahlausgang in Gujarat auf Kosten der Minderheiten eher dazu verführt, nicht den Weg des Ausgleichs und der Toleranz, sondern den Weg der Konfrontation der Bevölkerungsmehrheit der Hindus mit den Minderheiten zu gehen.