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Handel vor neuer Revolution

Nadine Schimroszik, Matthias Inverardi, rtr7. November 2015

Der Online-Handel hat einen neuen Wachstumstreiber entdeckt: Die taggleiche Lieferung. Alle Großen der Branche probieren neue Modelle - doch noch verdient kaum einer Geld damit.

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Online-Shop auf Bildschirm (Foto: imago)
Bild: imago

Die Speicherkarte für die Digitalkamera fehlt - und gleich geht es in den Urlaub? Die passenden Pumps für den Abendtermin finden sich einfach in keinem Schrank? Das Ladekabel für den Computer streikt - der wird aber sofort für die Diplomarbeit gebraucht? Auf all diese Probleme wollen Logistikunternehmen, Online-Shops und Handelsketten eine passende Antwort geben: tagesaktuelle Zustellung, am besten so schnell wie möglich. Derzeit erproben sie diverse Modelle oder bieten sie bereits an. Die Zustellung am Tag der Bestellung könnte den Handel revolutionieren - offline und online.

Auf mehr als drei Milliarden Euro in nur fünf Jahren taxiert die Unternehmensberatung McKinsey den Markt in Europa, rund eine Milliarde davon in Deutschland - mit Wachstumsraten höher als der Online-Handel selbst. Die tagesaktuelle Zustellung habe "das Potential, das Einkaufsverhalten fundamental zu verändern", erwarten die Berater. Da will niemand den Anschluss verpassen.

Deutsche-Post -Chef Frank Appel etwa lässt in vielen Studien die Auswirkungen der Online-Welt auf die Logistik durchspielen. Die tagesaktuelle Zustellung hat er dabei fest im Blick - DHL Paket bietet sie mit einem Kurierservice bereits in über 50 Städten in 14 Regionen Deutschlands an, darunter im Ruhrgebiet.

Rund 30 Millionen Bürger würden damit erreicht, hebt die Post hervor. Dabei muss aber nicht alles über den Paketboten laufen. Die Post arbeitet auch mit anderen Modellen - etwa den Paketkasten im Vorgarten. Letztlich geht es darum, wer künftig die letzten Meter zum Kunden kontrolliert.

Start-Ups gehen in Stellung

Auch die Konkurrenz hat die tagesgleiche Zustellung in ihr Programm genommen. DPD, Tochter der französischen La Poste, arbeitet mit dem Münchener Startup Tiramizoo zusammen. Noch spielt das Produkt für DPD beim Umsatz keine große Rolle, sagt ein Sprecher - "wir sehen aber ein sehr großes Potential für die Zukunft". Tiramizoo-Gründer Michael Löhr gibt sich jedenfalls zuversichtlich: "Viele Studien zeigen, dass bis zu 15 Prozent aller Kunden künftig gegen einen Zusatzpreis das Same-Day-Delivery-Angebot wählen werden. Unsere Zahlen bestätigen das in vielen Fällen bereits jetzt."

Großen Schub gäben die Internet-Händler Zalando und Amazon. Der Online-Modehändler testet gerade in Zusammenarbeit mit dem Lieferdienst Liefery in Berlin und Köln die taggleiche Zustellung. Amazon bietet in einzelnen Regionen bereits eine Lieferung am Abend an. Und auch der Taxidienst Uber arbeitet in USA an Modellen.

Liefery kooperiert nach eigenen Angaben mit mehr als 2500 Fahrern für 800 Einzelhändler. "Unsere Plattform ist vergleichbar mit Uber, optimiert für Lieferungen", sagt Liefery-Chef Franz-Joseph Miller. Um möglichst schnell zu sein, holen Kuriere Waren etwa in Geschäften des Sportbekleidungsanbieters SportScheck oder des Müsli-Versands MyMuesli ab, die zu den Kunden zählen. "Wer online ein Müsli bestellt, das in einem Laden in der Nähe verfügbar ist, der kann es innerhalb von 60 Minuten geliefert bekommen", sagt Miller.

Drohnen sollen helfen

Dafür muss der Kunde aber eben zum Liefer-Zeitpunkt auch zu Hause sein. Gerade tagsüber sind die meisten jedoch eher im Büro. Die mobile Wäscherei ZipJet von der Startup-Schmiede Rocket Internet holt deswegen die Kleidung innerhalb eines vom Kunden gewünschten 30-minütigen Zeitfensters ab und bringt alles innerhalb von 24 Stunden wohin der Kunde will -auch an den Arbeitsplatz. DPD will wie die Post nicht darauf angewiesen sein, Kunden persönlich anzutreffen. Das Unternehmen arbeitet mit Partnern an einem "offenen" Paketkasten, der auch für andere Boten zugänglich sein soll. Und Liefery denkt über Drohnen als Kuriere nach. Die Post testet sie, ebenso Amazon und bald auch der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart. Googles neuer Mutterkonzern Alphabet will 2017 starten.

Zipjet-Chef Florian Färber setzt darauf, dass ihm die Zeit in die Hände spielt: "Es gibt einen globalen Trend - das ist die Bequemlichkeit." Auch der Branchenverband HDE geht davon aus, dass immer mehr online bestellt wird. Er rechnet für 2015 mit einem Umsatzplus von zwölf Prozent auf 41,7 Milliarden Euro für den Internet-Handel. Im Einzelhandel insgesamt sollen es 469 Milliarden Euro werden. Media-Saturn –Deutschlandchef Wolfgang Kirsch ist der Meinung, dass der Händler, der die Digitalisierung für sich nutzt, die Zukunft gestaltet. Die taggleiche Bestellung werde nachgefragt, aber noch besser laufe die Abholung online gekaufter Waren im Laden. "Der genaue Zeitpunkt der Lieferung ist wichtig. Und es geht auch um den Service - eine Waschmaschine etwa muss angeschlossen werden."

Gewinne, da sind sich Experten sicher, schreibt kaum ein Unternehmen allein mit den raschen Lieferungen. Wohl auch deshalb bietet sie das Gros der Online-Händler noch nicht an. In einer Umfrage unter Beteiligung des HDE gaben nur 1,3 Prozent von 453 interviewten Online-Händler an, die Sofort-Lieferung als zusätzlichen Service zu nutzen. Media-Saturn-Manager Kirsch: "Das Gesamtpaket muss stimmen."