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"Kerrys Angebot war richtig"

Esther Felden15. April 2013

Eigentlich verfolgte US-Außenminister Kerry eine klare und harte Linie gegenüber Nordkorea. Jetzt aber signalisierte er Gesprächsbereitschaft. Eine kluge Wendung, meint USA-Experte Christian Hacke von der Uni Bonn.

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Prof. Dr. Christian Hacke (Foto: Uni Bonn)
Prof. Dr. Christian Hacke, Universität BonnBild: Uni Bonn

Deutsche Welle: Herr Hacke, der neue amerikanische Außenminister John Kerry ist derzeit auf Asienreise und hat Nordkorea ungeachtet aller Provokationen Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Er kann sich unter Umständen sogar direkte Gespräche mit Pjöngjang vorstellen. Inwieweit hat Sie das überrascht?

Christian Hacke: Das hat mich schon überrascht, denn in den vergangenen ein, zwei Wochen hat Kerry eine relativ harte Sprache benutzt. Dieser Schwenk ist in der Tat etwas Neues, und ich muss sagen, dass ich das für eine Wendung zum Besseren halte.

Die USA haben sich bisher gegen bilaterale Gespräche mit Nordkorea gesperrt. Die Leitlinie hieß: Solange Pjöngjang keine Denuklearisierung einleitet, gibt es keine Verhandlungen. Warum jetzt dieser Sinneswandel?

Ich glaube, dass sich in Washington jetzt die Kreise stärker durchsetzen, die sehen, dass man die nordkoreanische Situation mit Realismus betrachten muss. Man muss erstens sehen, dass die nordkoreanische Staatsführung - speziell der junge Machthaber – alles daran setzt, um auf Augenhöhe mit den Amerikanern zu sprechen. Das heißt, er sucht Gleichberechtigung und Bestätigung. Der ganze Rummel um die Atomwaffen ist eben auch eine Prestige-Frage.

Zweitens hat es zunächst auch Anzeichen dafür gegeben, dass die neue nordkoreanische Führung vorsichtige Neuerungen und Verbesserungen im wirtschaftlichen Bereich einführen könnte. Diese Widersprüchlichkeit gilt es festzuhalten – wenn sie denn stimmt: Nach außen Säbelrasseln, Selbstbewusstsein, Prestige, auf Augenhöhe mit allen sprechen wollen, aber im Inneren eine vielleicht neue, moderatere Form des Regierens mit zumindest einigen wirtschaftlichen Öffnungen. Erfolge werden sich nicht morgen oder übermorgen einstellen - längerfristig kann es eine Perspektive sein.

Wie kommt Kerrrys Angebot in den USA an?

Das muss man abwarten. Wir sehen eigentlich, dass die Verhandlungsbereitschaft und die Verhandlungsziele Nordkoreas immer nur eines im Blick haben: den eigenen Vorteil. Nuklearwaffen bedeuten für einen autoritären Staat wie Nordkorea nichts anderes als die Garantie der Nichteinmischung in die eigenen inneren Angelegenheiten. Die Nordkoreaner wollen ihre inneren Angelegenheiten allein regeln, und das bedeutet natürlich auch die Festigung des totalitären Regimes. Man kann nur hoffen, dass in Verhandlungen mit den USA, mit China und vielleicht ja auch bald mit Südkorea etwas mehr Moderation eintritt und dass sich auch die wirtschaftliche Lage für die Menschen im Norden verbessert.

Auf China, den einzigen Verbündeten Nordkoreas, setzen die USA ja große Hoffnungen. Welche Rolle spielt Peking bei Kerrys Angebot – immerhin kam es ja nur einen Tag nach seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung?

Das ist ein richtiger Punkt. Ich glaube schon, dass China darauf gedrungen hat, dass die USA jetzt mehr Verständnis für die nordkoreanischen Interessen zeigen. Dabei geht es nicht um Zustimmung, sondern darum, dass man überhaupt verhandelt. Unter diesem chinesischen Druck oder aufgrund der chinesischen Empfehlung mag Kerry jetzt eingeschwenkt haben. Ich halte das für gut und richtig. Aber das Verhältnis zwischen China und Nordkorea ist natürlich sehr delikat. China möchte Stabilität, möchte den Status quo in Korea erhalten. Im Moment sehen wir ein bekanntes Phänomen: Der Schwanz wackelt mit dem Hund. Die kleine Macht, Nordkorea, versucht, China zu dominieren. Ob das gut geht, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal zeigt Peking gegenüber Nordkorea enormen Langmut.

Nordkorea ist kein verlässlicher Partner, das hat sich in der Vergangenheit gezeigt. Es gab immer wieder die gleiche Spirale aus Drohungen, Zugeständnissen und wieder neuen Drohungen. Wie riskant ist vor diesem Hintergrund ein Gesprächsangebot der USA?

Ja, das ist fast schon ein Drohritual. Und ein Erfolg am Ende ist auch nicht absehbar. Ich glaube, Kerrys bisherige Aussagen, er akzeptiere keine Nuklearmacht Nordkorea, waren kontraproduktiv. Denn das ist ja eine Tatsache. Wenn die USA sagen, sie würden Nordkoreas Status als Atommacht nicht akzeptieren, dann kann das aus nordkoreanischer Interessenlage nur als bedrohlich analysiert werden. Das hat auch die Eskalationsspirale weiter angeheizt. Der jetzige Schwenk von Kerry ist kein Signal für neuen Erfolg in der Diplomatie mit Nordkorea. Aber zumindest bremst er die Eskalationsspirale, auf die sich auch die USA einlassen, ein wenig ab.

Wie wird das Angebot von der nordkoreanischen Seite interpretiert?

Nordkorea wird weiterhin nicht von der Forderung abrücken, als Nuklearmacht anerkannt zu werden. Wir müssen auch davon ausgehen, dass das Regime in diesen Tagen zum 101. Geburtstag von Kim Il Sung Raketen starten wird. Diesen Status wird das Land auf keinen Fall aufgeben. Es gibt im Moment kein Wundermittel für die Lösung des Konflikts mit Nordkorea. Es gibt keine kurzfristige Lösung. Der Westen muss sich darauf einstellen, dass dieses totalitäre und menschenverachtende Regime vermutlich noch auf längere Sicht an der Macht sein wird. Das ist die schlechte Nachricht.

Auf der anderen Seite muss man abwarten, ob die Ansätze, die zu beobachten sind, weiterführen. Ob vielleicht engere Wirtschaftsbeziehungen entstehen könnten und ob sich durch stärkere Kooperation vielleicht auch etwas für die Menschen im Land verbessern könnte. Das ist eine Hoffnung, aber noch lange keine Realität.

Christian Hacke ist emeritierter Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.