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Griechenland wird teurer

Jannis Papadimitriou20. Juli 2015

Griechenland führt schrittweise eine höhere Mehrwertsteuer ein. Experten bezweifeln, dass die umstrittene Steuererhöhung tatsächlich viel bringt. Aus Athen Jannis Papadimitriou.

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Frau vor Supermarktregalen (Foto: picture-alliance/AP Photo/G. Papanikos)
Bild: picture-alliance/AP Photo/G. Papanikos

Der jüngste Krisenwitz in Hellas geht so: Kostas holt eine Spaghetti-Packung im Supermarkt und der Kassierer fragt routiniert: "Als Geschenk verpacken?" "Danke, es ist für mich" lautet die Antwort. Ein gutes Zeichen, wenn man in Krisenzeiten Haltung und Humor bewahrt. Aber es ist nicht wegzulächeln: Ab diesem Montag wird der Alltag teurer in Griechenland. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und bestimmte Dienstleistungen war eine Kernforderung der Kreditgeber, der das Parlament in Athen in der vergangenen Woche nach hitziger Debatte zugestimmt hat.

Die Folge: Für Reis, Pasta, Backwaren, Wurst, Kaffee, Tee, Zucker und andere Lebensmittel wird die höhere Mehrwertsteuer von 23 Prozent fällig. Damit ist die Hoffnung auf schnelle Staatseinnahmen verbunden. Allein durch eine höhere Mehrwertsteuer auf Backwaren erwartet der Fiskus Mehreinnahmen von 54 Millionen Euro im Jahr - vorausgesetzt natürlich, der Konsum bricht nicht ein.

Griechen ohne Prognoseschema

Ob das wirklich so stimmt? Wirtschaftsprofessor Panagiotis Petrakis spricht von einer komplizierten Marktlage, die noch keine Prognose zulässt: "Eine Steuererhöhung kann sowohl kurzfristig die Staatseinnahmen, als auch mittelfristig die Rezession fördern; das eine schließt das andere nicht aus" erläutert er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Eine genaue Voraussage sei schwierig. In letzter Zeit legten die Griechen ohnehin ein ungewöhnliches Wirtschaftsverhalten an den Tag, das sich kaum in ein Prognoseschema einfüge, mahnt der Ökonom.

Kundin vor Bankautomat der Alpha Bank (Foto: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis)
Trotz Bankenschließung konsumierten die Griechen mehrBild: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis

Beispiel Bankenschließung: "Aus Angst, ihre Ersparnisse ganz zu verlieren, haben viele Menschen nicht weniger, sondern auf einmal mehr konsumiert und elektronisch bezahlt. Schon eindrucksvoll, dass ausgerechnet in dieser wirtschaftlichen Misslage die Konjunktur bei bestimmten Gütern nicht nachlässt, sondern plötzlich anspringt", so Petrakis.

Mehrbelastung für Haushalte erwartet

Nach einer Studie des Athener Instituts für Einzelhandelsforschung (IELKA) haben die höheren Steuersätze schon eine Mehrbelastung von durchschnittlich 157 Euro pro Haushalt und Jahr zur Folge. In der Gastronomie- und Hotelbranche soll der Steuersatz ebenfalls angehoben werden. Auch Taxifahren wird ab sofort teurer. Und das ist nicht alles: Kleinbetriebe müssen mit einer höheren Steuervorauszahlung rechnen und außerdem wird, rückwirkend zum Jahresanfang, ein Solidaritätszuschlag bei höheren Einkommen angehoben.

Viele Experten sind sich sicher: Die Erhöhung der Mehrwertsteuer werde kaum zusätzliche Staatseinnahmen bringen, sondern die Rezessionstendenz in Griechenland nur noch verstärken. "Derartige Steuermaßnahmen entziehen dem Wirtschaftskreislauf Ressourcen und verschlimmern die Rezession", klagt der Ökonom Michalis Argyrou im TV-Sender Skai. Für die dadurch entstandene Mehrbelastung gäbe es nur noch einen einzigen, vernünftigen Ausgleich: Ein Investitions-Schub für Griechenland, der aber nur mittelfristig greifen könne. Der wiederum setze aber verlässliche Spielregeln für interessierte Investoren voraus: "Wichtig wären vor allem eine verbesserte Rechtssicherheit, eine Reform der öffentlichen Verwaltung, sowie ein modernes Insolvenzrecht. Endlich müssen die Menschen in Griechenland eine optimistische Erwartungshaltung für die nächsten Jahre bekommen. Darauf sollte die Regierung lieber achten" mahnt Argyrou.

Hafen von Skopelos (Foto: Fotolia/trgowanlock)
Urlaub auf den griechischen Inseln wird ebenfalls teurer - zumindest ab Oktober 2015Bild: Fotolia/trgowanlock

Keine Steuernachlässe für griechische Inseln

In den Verhandlungen mit den Geldgebern hat Athen eine wichtige rote Linie aufgegeben und die Steuervergünstigungen für griechische Inseln fallen lassen. Lange Zeit lagen die Umsatzsteuersätze dort 30 Prozent unter denen im restlichen Griechenland - ein Ausgleich für höhere Transportkosten, der sowohl Einheimischen, als auch Besuchern zugutekam. Damit ist Schluss - allerdings erst ab Oktober 2015. "Erhöhte Einnahmen aus den Inseln sollen zum Erreichen des Jahresziels beitragen, der lautet: 2,2 Milliarden aus der Mehrwertsteuer" erläutert Professor Petrakis. Laut Handelsverband ESEE würden die Lebenskosten auf den Inseln durch die Abschaffung der Steuervergünstigungen um 12 Prozent steigen.

Immerhin auch eine gute Nachricht: Die Banken in Hellas öffneten an diesem Montag wieder - nach drei Wochen Zwangspause. Allerdings ist das wohl eher symbolischer Natur. Kapitalkontrollen und strikte Tagesobergrenzen für Barabhebungen bleiben in Kraft; Festgeldanlagen dürfen auch weiterhin nicht gekündigt und wieder zu Bargeld gemacht werden.