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Tourismus mit Vorurteilen

Marianthi Milona, Thessaloniki2. August 2015

Die griechische Reisebranche muss mit aller Kraft gegen die durch die Schuldenkrise entstandenen Feindbilder ankämpfen. Dabei kommt es mitunter zu bizarren Begegnungen. Marianthi Milona berichtet aus Chalkidiki.

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Touristen besuchen die Akropolis in Athen (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/AP Photo/M.Gambarini

"Wovor sollen wir uns den eigentlich fürchten?", fragt Froso Hatsiliadu während sie frisch gebrühten deutschen Kaffee serviert. "Wir haben Sonne, Meer und gutes Essen. Und wir können überleben." Vom Balkon ihrer kleinen Pension kann man aufs Meer schauen. Sie lebt in einem idyllischen Küstenort Nordgriechenlands und kriegt nur sehr wenig von der Krise mit. "Wer in der Tourismusindustrie in Griechenland tätig ist und sein Geld gut verwaltet, der spürt eigentlich keine Krise", erklärt die 50-jährige Frau, die neben der eigenen Pension seit über 20 Jahren als Rezeptionistin in einem Fünf-Sterne Hotel tätig ist. Ihr Mann führt auch noch ein kleines Restaurant. Nebenher kümmert er sich um die eigenen Hühner und kultiviert einen Gemüsegarten.

Nur die Deutschen wollen nicht mehr

Die Krise hat sich für Froso Hatsiliadu nur darin gezeigt, dass ihr von Jahr zu Jahr die deutschen Gäste weggeblieben sind. Dafür kamen Russen, Bulgaren, Engländer und in der letzten Zeit sogar Türken. Nur noch wenige Deutsche, die inzwischen zu den guten Freunden der Familie gehören und die eingefleischten Griechenlandfans haben ihr über die vergangenen Jahre die Treue gehalten. "Wir sind entsetzt, was die Deutschen über uns schreiben", erklärt die dunkelhaarige, schlanke Frau, die selbst fließend Deutsch spricht, weil sie bis zu ihrem achten Lebensjahr mit den Eltern in Deutschland gelebt hat und die deutsche Kultur sehr liebt.

"Woher kommen diese Vorurteile, dass wir faul sind, unsere Rechnungen nicht zahlen und es in unserem Land unsicher ist? Wenn ich nichts mehr zu essen habe, weiß ich, dass mir der Nachbar immer etwas geben wird. Können die Deutschen das auch von sich behaupten?". Froso Hatsiliadu hat aus der Zeitung erfahren, dass die Deutschen inzwischen Angst haben nach Griechenland zu kommen. Sie fürchten fremdenfeindliche Angriffe. Darauf angesprochen, erwidert Hatsiliadu mit fester Stimme: "Sagen Sie ihnen bitte, dass in Griechenland noch kein Deutscher erstochen worden ist."

Froso Hatsiliadu inmitten ihrer Gäste (Foto: DW/Marianthi Milona)
Froso Hatsiliadu (Mitte, re.) hat alle Hände voll zu tun Gäste - trotz KriseBild: DW/M. Milona

Deutsche Medien spielen mit Feindbildern

In einem Café sitzt der deutsche Urlauber Peter Walter. Er ist zum ersten Mal in Griechenland und das eigentlich nur wegen seiner Frau. Sie liebt die griechische Küche. "Ich bin mit der festen Vorstellung angereist, dass hier vor Ort in der Krise nichts mehr funktioniert, dass es nur Chaos gibt und die Menschen hungern", berichtet Walter. In seinem Kollegenkreis herrsche ein extrem negatives Bild über Griechenland vor. "Die denken, hier arbeitet niemand richtig, keiner zahlt seine Steuern und halten bei den Deutschen die Hand auf, um noch mehr Geld zu verlangen."

Doch jetzt vor Ort habe er festgestellt, dass es kaum jemanden gibt, der sich in der Mittagszeit einmal ausruht. "Vor den Banken gibt es kaum Schlangen, niemand meckert über die höheren Schulden, die sie jetzt alle zahlen müssen", sagt Walter ziemlich irritiert über seine falschen Vorstellungen über Griechenland. "Der einzige, der hier in einer Krise steckt, der bin ich, weil ich nicht verstehe, wie wenig wir diese Menschen kennen und wie sehr wir auf das aufgebaute Bild in den deutschen Medien vertrauen".

Als Griechenlandfreund ist es nicht leicht

Über diese Ansichten ist Harry Herrmann ganz und gar nicht überrascht. Der 55-Jährige kommt zum vierten Mal nach Griechenland. 2007 zum ersten Mal. Aber schon damals warnten ihn seine konservativen Verwandten. Harry Herrmann fuhr dennoch hin und war damals schon der festen Überzeugung, dass die vermittelten Eindrücke über Griechenland und die Griechen nichts mit der Realität zu tun haben. "Dieses Mal warnte man mich davor, dass es nur Notrationen zu essen geben würde und der Fremdenhass, Merkel-Hass und Schäuble-Hass auf mich abgeladen werden würde." Er sei es leid, klagt Herrmann. Deswegen sei er jetzt erst recht nach Griechenland gekommen. "Ich weiß ja, dass von all diesen Vorurteilen kein einziges stimmt."

Der deutsche Tourist Harry Herrmann (Foto: DW/Marianthi Milona)
Harry Herrmann (re.): "Kein einziges Vorurteil stimmt"Bild: DW/M. Milona

Bei Irini Pandeludi sträuben sich die Haare, wenn sie an das ältere deutsche Gästepaar aus dem vergangenen Monat denkt. Sie bezogen das beste Zimmer in ihrer kleinen Pension. Mit privatem Balkon mit Meerblick, Klimaanlage, Fernseher, Internetzugang und das beste Frühstück im ganzen Ort. Für 70 Euro die Nacht. Dreist und unverschämt seien sie zu ihr gewesen, erklärt die 65-jährige Griechin, die seit über 30 Jahren im griechischen Tourismusbetrieb tätig ist.

Nur gekommen, um die faulen Griechen zu sehen

"Wir sind gekommen, um mit eigenen Augen zu sehen, wie faul die Griechen sind", sagte der Mann Irini Pandeludi offen ins Gesicht. "Ja, dann können sie gleich bei mir anfangen", entgegnete die clevere Geschäftsfrau ihm. "Wir sind ja ungefähr gleich alt. Wenn sie es schaffen, den ganzen Sommer bei 30 bis 40 Grad, von morgens 6 bis 23 Uhr am Abend, ohne einen einzigen freien Tag, zu arbeiten, dann dürfen sie nächstes Jahr bei mir umsonst wohnen". Umsonst wohnen müssten sie eigentlich jetzt schon, erklärte ihr der deutsche Gast: "Nach den Mengen an Geld zu urteilen, dass ihr von uns schon bekommen habt, gehört uns das alles praktisch schon."

Viele Tourismusfachleute sind sich einig: Den Schaden, den das Land und seine Menschen in den vergangenen Krisenjahren durch die entstandenen Vorurteile auf beiden Seiten erlitten hat, wird die griechische Tourismusindustrie auf Jahre hinaus beschäftigen. Das Bild des schwarzen Schafs, ist ein ideeller Imageverlust, der nicht wieder gut zu machen sein wird. Ging es bei der ursprünglichen Idee des Reisens nicht eigentlich um etwas Anderes?