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Griechen hoffen auf Einigung

Jannis Papdimitriou, Athen12. Juli 2015

In Athen gibt es nur ein Thema: Wird es ein neues Hilfspaket geben? Wenn ja: zu welchen Bedingungen? Eine Verständigung mit den Kreditgebern muss sein, da sind sich alle einig. Jannis Papadimitriou aus Athen.

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Griechenland Referendum Plakat Nein - Foto: DW/G. Papadimitriou
Bild: DW/G. Papadimitriou

Fotis Sarandopoulos und seine Frau kämpfen für den Verbleib Griechenlands im Euro-Raum. Wenn die Athener Mittelschicht auf die Straße geht, sind sie fast immer dabei, schwenken Europa-Flaggen und verlangen lautstark eine Einigung mit den Geldgebern. Hier gibt es keine Parteireden, keine Claqueure. Solche Versammlungen sehen eher aus wie ein Familienfest. "Es geht hier nicht in erster Linie um finanzpolitische Argumente oder Wirtschaftsdaten", sagt Sarandopoulos im Gespräch mit der DW. "Für uns ist der Verbleib im harten Kern Europas nichts Geringeres als eine nationale Angelegenheit. Stellen Sie sich vor, die Türkei und die Westbalkan-Staaten kommen in den nächsten Jahren in die EU - und nur Griechenland wird aus Europa herausgedrängt - das dürfen wir nicht zulassen. An wessen Seite stehen wir dann - wenn nicht an der Seite unserer EU-Partner?"

Bei aller patriotischer Begeisterung: Natürlich geht es ihm auch ums Geld. Sarandopoulos ist Chemiker und registriert mit Besorgnis, dass in seiner Firma weniger gearbeitet wird, weil wichtige Rohstoffe nicht mehr importiert werden können. "Selbst wer Geld auf der hohen Kante hat, kann im Moment keine Überweisung vornehmen, da alle Banken geschlossen sind“, klagt Sarandopoulos. Über die ungewöhnliche Links-Rechts-Regierungskoalition schimpft der 57-Jährige: "Diese Leute sind ideologisch verblendet! Das sind Dilettanten, die den Staat auseinandernehmen!"

Pro-europäischer Demonstrant hält Europa-Flagge vor dem Parlament in Athen - Foto: Reuters/M. Djurica
Pro-europäische Demonstration in Athen: "Eine nationale Angelegenheit"Bild: Reuters/M. Djurica

Ja zu Europa - und Nein zum Spardiktat?

Das sieht Alexandros ganz anders. Er geht gemeinsam mit seiner Tochter auf die Straße, um für Linkspremier Alexis Tsipras und gegen die Sparpolitik zu demonstrieren. Am Freitag hat der 50-Jährige eine lange Fahrt auf sich genommen: Von der fernen ostägäischen Insel Ikaria war er acht Stunden mit dem Schiff nach Piräus unterwegs, anschließend noch eine Stunde mit dem Bus zum Athener Verfassungsplatz. Nun steht er vor dem Parlament und hält ein riesiges Protestplakat hoch, um ein lautes "Oxi" zu artikulieren: Nein zum Spardiktat aus Europa - denn so empfindet er das jüngste Reformangebot aus Brüssel.

Alexandros ist ungelernter Arbeiter, politisch fühlt er sich der regierenden Linkspartei nahe. Dass die Regierung weiterhin mit den EU-Partnern verhandelt und vermutlich tief greifende Sparmaßnahmen in Gang bringt, macht ihn stutzig. "Der Volkswille ist doch eindeutig: Über 61 Prozent der Wähler haben beim Referendum gegen die Sparmaßnahmen gestimmt", sagt er. "Da kann ich mir nicht vorstellen, dass wir mit einem neuen Austeritätspaket konfrontiert werden." Er sei eigentlich nicht gegen eine Einigung mit den Geldgebern - ganz im Gegenteil. Doch Europa müsse sich in den Verhandlungen solidarisch mit Griechenland zeigen, so Alexandros.

Griechenland Proteste gegen Sparpläne in Athen - Foto: Reuters/Y. Behrakis
Protestmarsch gegen die SparpläneBild: Reuters/Y. Behrakis

Fast täglich Demonstrationen

Seine Heimatinsel Ikaria ist für Griechenlands Linkswähler bis heute ein ganz besonderer Ort: Tausende Kommunisten wurden nach ihrer Niederlage im griechischen Bürgerkrieg Ende der 1940er Jahre dorthin verbannt und von den Bewohnern freundlich aufgenommen. Auch andere Inseln dienten ihnen lange Jahre als Exil. Griechische Linksparteien erinnern bis heute an diese Zeit, die aus ihrer Sicht auch Quelle von Widerstand und Ungehorsam darstellt. Das inspiriert offenbar auch Alexandros in seiner Auflehnung gegen die von Brüssel geforderte Sparpolitik: "Was auch immer entschieden wird - die Lasten müssen endlich gerecht verteilt werden", empört er sich. "Es kann nicht sein, dass schon wieder nur die Kapitalisten von einer Einigung profitieren."

Selten wurde in Athen so oft demonstriert wie in den letzten Tagen vor dem entscheidendem Gipfel der Eurozone. Fast täglich fanden Demonstrationen von Euro-Befürwortern oder Spargegnern statt, manchmal gingen auch beide Lager parallel auf die Straße. Auch nach dem Sonntagsgipfel dürfte die Protestlaune nicht abnehmen.