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Wie ein Gesundheitstest

Bernd Riegert29. September 2008

Die EU hat sich eine gründliche Überprüfung ihrer Agrarpolitik verordnet. EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel erklärt im Vorfeld des jährlichen Bauernkongresses in Brüssel, was sich ändern soll.

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Mariann Fischer Boel (Quelle: AP)
Mächtige Frau in Brüssel: Mariann Fischer Boel verteilt die AgrargelderBild: AP

Von einer großen Reform der europäischen Landwirtschaftpolitik möchte Mariann Fischer Boel nicht sprechen, denn dann hätte sie sofort die großen Agrarländer Frankreich und Deutschland im Nacken. Die EU-Kommissarin aus Dänemark, deren Familie selber einen Bauernhof besitzt, nennt die geplanten Veränderungen in der Agrarpolitik lieber einen Gesundheitstest: "Manchmal ist es ja auch für den Menschen wichtig, einen Gesundheitstest zu machen, um sicher zu sein, dass man wirklich fit ist. Wenn man dann ein paar Korrekturen braucht, warum nicht?"

Der Gesundheitstest, der seit einem Jahr läuft, hat gezeigt, dass die EU-Agrarpolitik immer mehr weggeht von direkten Subventionen für einzelne Betriebe oder Produkte und mehr hinsteuert zur allgemeinen ländlichen Entwicklung, zur Landschaftspflege und zur Unterstützung von Infrastrukturprojekten.

Ländliche Entwicklung und Klimawandel

Sämling mit Hand (Quelle: DPA)
Spezielle Züchtungen für den Klimawandel sind gefragtBild: AP

"Wenn ich die Zukunft der Landwirtschaft vor Augen habe, dann sehe ich, dass ländliche Entwicklung immer wichtiger wird", sagt Fischer Boel. Beispiele für ländliche Entwicklung seien die bessere Wasserversorgung oder die Zucht von hitzeresistenten Pflanzen, die dem Klimawandel trotzen.

"Wir schlagen zudem vor, acht Prozent der Direktbeihilfen zu kürzen, um sie für den Kampf gegen Klimawandel zu verwenden", sagt Fischer Boel. "Wir brauchen Investitionen, um sicher zu stellen, dass wir Nahrungsmittel so produzieren können, wie wir das bisher gewohnt sind."

Subventionen werden neu verteilt

Rund 50 Milliarden Euro gibt die Europäische Union für die Unterstützung ihrer 13 Millionen Bauern aus. Das ist knapp die Hälfte des gesamten Haushalts - Tendenz allerdings fallend. Das Budget für den Agrarbereich schrumpft von 2003 bis 2013.

Demonstrierende Bauern (Quelle: AP)
Bauern sind eine sensible KlientelBild: AP

Abgeben sollen vor allem Großbetriebe. Denn bislang wird nach Größe der Anbaufläche subventioniert. Kleinbauern, die sich im Landschaftsschutz engagieren, sollen weiter gefördert werden. Heute bekommen 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent des Geldes.

Die EU-Landwirtschaftskommissarin rechnet mit scharfem Gegenwind. Deshalb hat sie auch Großbetriebe in Ostdeutschland besucht: "Natürlich sind die nicht glücklich. Aber wenn wir versuchen zu erklären, warum wir das machen, kann man doch Verständnis wecken."

Fischer Boel muss versuchen, die Interessen der mittlerweile 27 Mitgliedsstaaten unter einen Hut zu bekommen - entworfen wurde die derzeitige Landwirtschaftspolitik im Jahr 2003 für nur 15 Mitgliedsstaaten: "Wenn man sich die Meinungen der Bauern im Norden, Süden, Westen oder Osten der EU anschaut, dann stellt man enorme Unterschiede fest. Deshalb muss man als verantwortliche Politikern hart genug sein, die Vorschläge zu machen, die man für notwendig hält."

Keine Butterberge mehr

Oberstes Ziel der Landwirtschaftspolitik müsse sein, dass die Bauern flexibel für die Märkte produzieren können, formuliert Fischer Boel ihr Ziel. Die Zeiten von Dirigismus und Planwirtschaft, die in den vergangenen Jahrzehnten zu grotesker Überproduktion, Butterbergen und Milchseen geführt haben, seien endgültig vorbei: "Wegen des Preisanstiegs haben wir keine Interventionskäufe, keine Exportsubventionen und keine Lagerhaltung mehr."

Den Bauern in Europa geht es nach Einschätzung der EU-Kommissarin im Moment recht gut. Die Erzeugerpreise sind hoch und die Ernte wird in diesem Jahr gut ausfallen. Landwirtschaft sei gerade wegen der steigenden Preise und der weltweit steigenden Nachfrage für Nahrungsmittel wieder ein zentrales Thema. Bis zum Ende des Jahres soll der Gesundheitstest der gemeinsamen EU-Agrarpolitik abgeschlossen sein.