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Warten auf Erdogans Auftritt in Köln

24. Mai 2014

Köln hält eine Menge aus und gilt als tolerante Stadt. Doch der Auftritt des türkischen Regierungschefs Erdogan mutet den Kölnern einiges zu. Zehntausende Demonstranten marschieren auf, Politiker mahnen zur Gelassenheit.

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Protest gegen Erdogan-Besuch in Köln (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In der Kölner Innenstadt haben sich bereits am Vormittag mehrere tausend Demonstranten gegen den Auftritt des türkischen Regierungschefs Recep Tayyip Erdogan eingefunden. Viele kauften T-Shirts mit der Aufschrift "Überall Taksim - überall Widerstand", womit sie auf die Proteste gegen die islamisch-konservative Regierung der Türkei auf dem Taksim-Platz in Istanbul anspielten. Andere trugen gelbe Sicherheitshelme mit dem Aufdruck "Soma". Bei dem verheerenden Grubenunglück von Soma waren nach offiziellen Angaben 301 Bergleute ums Leben gekommen.

Zu der Gegenkundgebung hat die Alevitische Gemeinde aufgerufen. Zehntausende Menschen folgten ihrem Aufruf zu einem Protestzug durch die Kölner Innenstadt. Während die Organisatoren am Nachmittag von über 60.000 Teilnehmern sprachen, erklärte ein Polizeisprecher, die Zahl liege eher bei den ursprünglich angekündigten 30.000 Demonstranten. "Stoppt den Diktator Erdogan", forderten Teilnehmer auf Plakaten. Manche skandierten sogar "Mörder" und "Faschist". Auf der anderen Rheinseite trafen mehr als 10.000 Anhänger Erdogans ein. Zur Rede des Regierungschefs in einer Kölner Sportarena werden bis zu 30.000 Teilnehmer erwartet. Er will dort offiziell zum zehnjährigen Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten sprechen.

Heftige Wortgefechte

Bereits am Vorabend hatte der Besuch Erdogans in Köln zu einem ersten Polizeieinsatz geführt. Am Freitagabend mussten Beamte in der Innenstadt Anhänger und Gegner der türkischen Regierung voneinander trennen, die sich "heftige Wortgefechte" lieferten, wie ein Sprecher der Polizei bestätigte. Die Demonstranten hatten sich in einer kleinen Straße in der Innenstadt versammelt, wo ein türkischer Minister und der türkische Botschafter samt Begleittross ein Restaurant besuchten. Zu den rund 100 Demonstranten habe sich die gleiche Anzahl Schaulustiger gesellt, sagte der Polizeisprecher.

Eine Demonstrantin habe einen Schuh in Richtung des Botschafters Hüseyin Avni Karslioglu geworfen, es sei Strafanzeige gestellt worden. In der arabischen Welt gilt die Drohung mit dem Schuh als Zeichen tiefer Verachtung.

Recep Tayyip Erdogan / Köln 2008
Umstritten: Recep Tayyip ErdoganBild: picture-alliance/dpa

Oberbürgermeister Jürgen Roters rief unterdessen zur Mäßigung auf. Köln solle zeigen, dass "wir - auch wenn wir unterschiedlicher Auffassung sind - friedlich miteinander umgehen". Der SPD-Kommunalpolitiker hatte vergangene Woche Erdogan allerdings auch nahe gelegt, auf die Reise nach Köln zu verzichten und von einer Provokation gesprochen.

Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten gilt bei Beobachtern als verlängerter Arm der Erdogan-Partei AKP. Dem Ministerpräsidenten wird unterstellt, dass er den Auftritt als Werbung für eine Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten nutzen wird. Bei der Wahl im August können Türken im Ausland mitwählen. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Safter Çinar, mahnte "versöhnliche Töne" an und sagte an die Adresse Erdogans gerichtet: "Ich hoffe, dass er sowohl nach innen, also in die türkische Gemeinschaft, als auch nach außen, gegenüber der Bundesrepublik und Europa, versöhnliche Töne anschlägt, weil es in der letzten Zeit einige Irritationen gegeben hat."

Bahaeddin Güngör zum Auftritt Erdogans in Köln

Das halten wir aus

Auch auf bundespolitischer Ebene gab es Kritik an Erdogans Aktion. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl, betonte allerdings am Samstag: "Unsere Demokratie ist stabil und hält Meinungsvielfalt aus. Insofern halten wir auch den Wahlkampfauftritt von Herrn Erdogan aus."

ml/hf (dpa, rtr,afp)