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Geschwister-Scholl-Preis für Liao Yiwu

14. November 2011

Der chinesische Schriftsteller Liao Yiwu schrieb trotz aller Drohungen der chinesischen Behörden ein Buch über seine Erfahrungen im chinesischen Gefängnis. Dafür erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis.

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Portrait des chinesischen Schriftstellers Liao Yiwu (Foto: dpa)
Liao Yiwu signiert sein preisgekröntes BuchBild: picture alliance / dpa

Liao Yiwu ist mutig. Der chinesische Schriftsteller schrieb ein Gedicht über das Massaker auf dem "Platz des Himmlischen Friedens" 1989 und drehte einen Film darüber. Dafür musste er für vier Jahre ins Gefängnis. Trotz aller Schikanen und Drohungen schrieb er weiterhin Gedichte und Bücher über die Armen im Wirtschaftswunderland China. Im Juli diesen Jahres floh er aus seiner Heimat nach Deutschland.

Mitte November erhielt Liao Yiwu vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Kulturreferat München den Geschwister-Scholl-Preis für sein Buch "Für ein Lied und hundert Lieder". Darin beschreibt er in drastischer Klarheit die Brutalität und Erniedrigungen seiner vierjährigen Haftzeit.

Die Geschwister Scholl während eines Ausflugs (Foto: DW)
Der Geschwister-Scholl- Preis erinnert an deren mutigen Widerstand gegen das deutsche Nazi-RegimeBild: picture alliance/dpa

Wenn Liao Yiwu auf die Verleihung des mit 10.000 Euro dotierten Preises angesprochen wird, wirkt er ein wenig schüchtern. Er fühle sich fast etwas beschämt, sagt der chinesische Schriftsteller gegenüber DW-WORLD.DE: "Dieser Preis ist nach den Geschwistern Scholl benannt, die überall bekannte deutsche Nationalhelden sind. Sie haben durch den Widerstand gegen den Faschismus ihr Leben verloren. Ich aber lebe wenigstens noch." Im Vergleich zu ihnen habe er das Gefühl, noch nicht genug getan zu haben, so Liao.

Sophie und Hans Scholl waren Mitglieder der "Weißen Rose", einer Gruppe, die an der Universität München Anfang der 1940er Jahre Widerstand gegen das Nazi-Regime leistete. Beide wurden 1943 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Liao musste sein Buch dreimal schreiben

Liao Yiwu veröffentlichte bereits im Jahr 2009 eine Reportagesammlung über Menschen am unteren Rand der chinesischen Gesellschaft. Die Sammlung, die in Deutschland unter dem Titel "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser" erschien, machte den Schriftsteller international berühmt. Seine jetzt mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichneten Gefängniserfahrungen "Für ein Lied und hundert Lieder" konnte Liao erst nach seiner Flucht nach Deutschland publizieren.

Die chinesischen Behörden hatten den Schriftsteller immer wieder schikaniert, um zu verhindern, dass er die Erinnerungen an seine Haftzeit im Ausland veröffentlicht. Zweimal beschlagnahmte die Polizei das Buchmanuskript, doch Liao Yiwu begann jedes Mal wieder von Neuem, das Buch zu schreiben. Fast hätte er während dieser Zeit die Hoffnung verloren, erzählt Liao gegenüber DW-WORLD.DE: "Normalerweise müssen Schriftsteller nicht erleben, dass ihr Manuskript beschlagnahmt wird. Das ist bei mir schon eine Besonderheit, zweimal neu mit dem Schreiben zu beginnen. Zum Glück ist mein Gedächtnis sehr gut."

Portrait Liao Yiwu und Buch mit chinesischem Titel (Foto: dpa)
Liao Yiwus Veröffentlichungen sind den chinesischen Behörden ein Dorn im AugeBild: picture-alliance/dpa

Schreiben als Therapie

Im Juli floh Liao Yiwu über Umwege nach Deutschland. Erst dort konnte er eine deutsche und eine amerikanische Ausgabe seiner Erfahrungen im chinesischen Gefängnis herausbringen. "Nur durch das Schreiben dieses Buches habe ich meine Würde wiedererlangen können", so Liao gegenüber DW-WORLD.DE: "Damals dachte ich, ich wäre schon zerschmettert worden, ich musste diese Erfahrung aufschreiben. Das war für mich auch ein Mittel zur Heilung."

"Liao Yiwus Bücher zeugen von geistiger Unabhängigkeit", sagt Wolf Dieter Eggert vom Börsenverein des deutschen Buchhandels. Sie seien geeignet, die bürgerliche Freiheit zu fördern. Daher sei Liao ein würdiger Preisträger, betont Eggert gegenüber DW-WORLD.DE: "Ich denke, dass Liao Yiwu mit seinem ganzen Leben und mit dem, was er in China erlebt hat, gezeigt hat, mit welchem persönlichen Mut und auch mit welchem persönlichen Risiko er sich da für die Freiheit eingesetzt hat."

Hoffnung auf ein demokratisches China

Herta Müller spricht vor einem Mikrofon (Foto:DW)
Die deutsche Schriftstellerin Herta Müller hält die LaudatioBild: picture-alliance/dpa

In der Begründung der Jury heißt es, mit der Auszeichnung von Liao Yiwu verbinde sich "die mahnende Hoffnung, dass er einmal in ein freies, demokratisches China zurückkehren möge." Liao Yiwu teilt diese Hoffnung. "Obwohl man sagen muss, dass sich China derzeit nicht gerade positiv verändert, habe ich noch Hoffnung. Jeder muss zu sich selbst ehrlich sein."

Die Verleihung des Preises fand im Rahmen des Münchener Literaturfestes statt. Die Laudatio hielt die Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Anschließend gab es eine Veranstaltung mit Liao Yiwu im Rahmen des Münchener Literaturfests.

Autor: Christoph Ricking

Redaktion: Ana Lehmann