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Generationsproblem auf dem Chefsessel

Klaus Deuse12. April 2004

Der Mittelstand ist nach wie vor eine der stabilsten Säulen der deutschen Wirtschaft. Dazu gehören viele Familienunternehmen, die immer häufiger ein Problem plagt: Die Nachfolge an der Firmenspitze.

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Wenn Senior-Chefs alles im Blick haben müssen, leidet mitunter das ganze UnternehmenBild: dpa zb

Mittelständische Unternehmen beschäftigen in Deutschland mehr als 65 Prozent aller Arbeitnehmer, sie bilden fast 80 Prozent der Lehrlinge aus und erwirtschaften etwa 45 Prozent aller steuerpflichtigen Umsätze. Bei nicht weniger als 400.000 Unternehmen mit zusammen rund fünf Millionen Mitarbeitern steht in den nächsten drei Jahren der Generationenwechsel auf dem Chefsessel an. Aber höchstens 25 Prozent der Unternehmen haben eine vertraglich fixierte Regelung der Firmenübergabe getroffen. Gibt der Senior jedoch das Heft zu spät aus der Hand, dann droht - wie Untersuchungen belegen - oftmals das Aus.

"Erben und Verderben"

Fast 50 Prozent von allen gegründeten Unternehmen verschwinden innerhalb von fünf Jahren nach dem Ausscheiden des Gründers von der wirtschaftlichen Bildfläche. Hinzu kommt: Nicht einmal fünf Prozent erleben den Wechsel zur dritten Generation. Mitunter gilt die Faustformel: "Erben und Verderben". Nicht selten zeigen die Nachkommen kein Interesse an der Übernahme der Firma oder sie können dem Senior fachlich noch nicht das Wasser reichen.

Hilfestellung in solchen Fällen offeriert das Institut für Familienunternehmen an der Privat-Universität Witten/Herdecke. Hier werden nicht nur Studenten mit den speziellen Anforderungen des Mittelstandes vertraut gemacht, sondern das Institut leistet auch fachlichen Beistand bei der Lösung konkreter Betriebsprobleme. Dazu gehört auch das Thema Nachfolgeregelung.

Problem der Patriarchen

Oft genug stellt sich heraus, dass das Problem bei der Betriebsübergabe im zwischenmenschlichen Bereich liegt. Etwa dann, wenn der Patriarch noch nicht loslassen kann. In Fällen wie diesen bedarf es auch der psychologischen Aufarbeitung des familiären Umfeldes, sagt so Diplom-Ökonom Hermann van Bömmel von der Uni Witten/Herdecke: "Bevor dieses Institut gegründet wurde, hat es eine Vielzahl von Gesprächen mit Familienunternehmern gegeben und wenn es einen Punkt gab, wo sich alle einig waren, dann war es das: wir brauchen hier auch psychologische Kompetenz in diesem Institut. Es gibt einen Lehrstuhl, der besetzt werden wird mit zwei ausgewiesenen Fachleuten auf diesem Gebiet. Das wird sowohl integriert in die Forschung als auch in die Beratung."

Praxislehre in Bielefeld

Dass gerade in diesem Bereich ein Beratungs-Bedarf besteht, das weiß man auch an der Fachhochschule für den Mittelstand in Bielefeld. Diese Fachhochschule bildet in drei Jahren mit gezielter Praxisorientierung Nachwuchskräfte für den Mittelstand aus. Gut ein Drittel des Studiums entfällt auf mehrmonatige Projektarbeiten in Unternehmen. Dieser frühe Sprung ins kalte Wasser, merkt Professor Wolfgang Krüger an, kann keinem Studenten schaden "Unser Leistungsversprechen", so Krüger, "ist, dass wir für eigentlich alle Fach- und Führungsfunktionen vorbereiten. Wir legen besonderen Wert darauf, die Führungsqualitäten der Studierenden zu stärken." Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre sei etwa ein Drittel der Studierenden aus Familienunternehmen; diese Studentinnen und Studenten würde wohl auch wieder in ihre Familienunternehmen zurückkehren. "Die müssen fit gemacht werden für Führungsverantwortung", meint Krüger.

Losgelöst von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung scheint es, dass der Mittelstand bestehende Defizite erkannt hat und beim Generationenwechsel angebotene Hilfestellungen nutzt.