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Das Gespenst der Inflation

Jörn Bender (dpa)29. Mai 2012

Die Inflation in Deutschland schwächt sich weiter ab. Erstmals seit Dezember 2010 sank die Rate wieder unter die kritische Marke von zwei Prozent. Doch wie lange hält der Abwärtstrend an?

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Maus knabbert an einem Euro. (Bildquelle: BilderBox)
Maus knabbert an einem EuroBild: BilderBox

Auf den ersten Blick gibt es eigentlich keinen Grund, sich Sorgen um die Teuerungsrate zu machen, wie jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen: Die Inflation in Deutschland schwächt sich weiter ab. Erstmals seit Dezember 2010 sank die Teuerungsrate im Mai wieder unter zwei Prozent. Die Jahresteuerung sank von zwei Prozent im April auf 1,9 Prozent. Und noch eine Zahl: Binnen Monatsfrist fielen die Verbraucherpreise um 0,2 Prozent, vor allem der zuletzt von hohen Energiepreisen angeheizte Preisdruck ging wohl zurück.

Aber die Angst der Deutschen vor einer Geldentwertung ist schnell wieder da. Ganz so, als habe die Hyperinflation erst gestern stattgefunden und nicht vor 90 Jahren, zu Beginn des Ersten Weltkrieges. Spätestens seit das Boulevard-Blatt "Bild" Anfang Mai mit der Schlagzeile "Inflations-Alarm!" aufmachte, ist die Sorge um das Geld wieder Allgemeingut.

Teurer Sprit, hohe Lohnabschlüsse

An der Zapfsäule spüren Autofahrer seit Monaten, was Statistiker regelmäßig ausrechnen: Das Leben in Deutschland wird teurer, auch wenn es zuletzt etwas Entspannung gab. Nach Ansicht von Volkswirten müssen sich die Menschen darauf einstellen, dass die Teuerung in Deutschland in den nächsten Jahren mit Werten von etwas mehr als zwei Prozent über dem Schnitt der Euroländer liegen wird.

Die Bundesbank versichert: Wir kämpfen weiterhin für stabile Preise. "Die jüngsten Lohnabschlüsse bestätigen, dass wir in Deutschland vor einer Phase höherer Inflation stehen - ohne, dass wir eine galoppierende Teuerung erwarten", erklärt Michael Holstein, Leiter Volkswirtschaft bei der DZ Bank. Für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie (plus 4,3 Prozent/13 Monate Laufzeit) und der Chemiebranche (plus 4,5 Prozent/19 Monate) hatten die Tarifpartner sich auf kräftige Lohnsteigerungen geeinigt. Kritiker warnen, zu hohe Lohnabschlüsse könnten die Inflation anheizen.

Ökonom Holstein relativiert die Sorgen gegenüber steigenden Teuerungsraten: "Das ist einerseits gut, weil es Ausdruck einer relativ kräftigen Konjunktur und einer guten Situation am Arbeitsmarkt ist. Auf der anderen Seite bedeutet mehr Inflation reale Verluste vor allem für Sparer."

Privatanleger haben das Nachsehen

Für Privatanleger ist die Mischung aus Zinsen auf Rekordtief und steigenden Inflationsraten in der Tat ungünstig. Vor allem, wer Risiko scheut und eher konservativ anlegen will - also zum Beispiel in Festgeld oder Bundesanleihen - hat derzeit schlechte Karten. GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl stellt fest: "Inflationssorgen wirken sich momentan eher positiv auf das Konsumverhalten aus. Das hatten wir so in der Vergangenheit nicht. Sparen ist momentan keine wirklich attraktive Alternative: Es fehlt das Vertrauen in die Banken und wir haben historisch niedrige Zinsen. Da geben die Leute ihr Geld lieber aus."

Besonders gefragt sind derzeit Immobilien. Nach 15 Jahren eher dümpelnder Bauwirtschaft investieren die Deutschen wieder auf breiter Front in die eigenen vier Wände, wie Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, analysiert: "Betongold scheint die deutsche Reaktion auf die Euro-Schuldenkrise zu sein." Die Gefahr, dass sich wegen der starken Nachfrage auf dem Immobilienmarkt Mondpreise bilden, sieht Schmieding noch lange nicht.

Verbraucher haben die Preise im Blick

Viel mehr im Fokus der Verbraucher stehen die Spritpreise und die Preise für andere häufig gekaufte Güter wie Lebensmittel. "Gerade der Benzinpreis steht für Inflation", sagt DZ-Bank-Ökonom Holstein. "Das beeinflusst stark das Bild, das viele Verbraucher insgesamt von der Preisentwicklung haben." Die "gefühlte Inflation" liegt seit Jahren über der amtlich gemessenen Teuerungsrate: Kaum waren Euro-Münzen und -Scheine 2002 im Umlauf, hatte die europäische Gemeinschaftswährung ihren Ruf als "Teuro" weg. "Das überzeichnet ganz klar die Tendenzen bei der Preisentwicklung, aber es beeinflusst das Verhalten der Konsumenten", sagt Holstein.

Die Wut der Verbraucher ist dann oft groß - ihre Macht dennoch begrenzt, wie Konsumexperte Bürkl meint: "Pendler haben oft kaum Alternativen. Und seine Freizeit schränkt man ungern ein - auch wenn das leicht dahingesagt ist."