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Es geht um Werte

8. Oktober 2009

Der Schmiergeldskandal des Münchener Siemens-Konzerns hat die deutsche Wirtschaft erschüttert. Seitdem wird darüber diskutiert, wie sich Unternehmen besser gegen Kriminalität und Korruption schützen können.

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Symbolbild Korruption (Foto: DW)
Bestechung - ein immer größeres WirtschaftsrisikoBild: BilderBox.com

"Compliance" ist das Zauberwort. Dieser betriebswirtschaftliche Fachbegriff steht für sauberes Unternehmertum, Gesetzestreue und ethisch-moralische Erhabenheit. Compliance ist so etwas wie ein angenehmer Traum - zu schön, um wahr zu sein. Und dennoch leisten sich mittlerweile auch alle großen deutsche Konzerne einen Compliance-Beauftragten - beziehungsweise einen Compliance Officer, wie es neudeutsch im Business-Jargon heißt. Er wacht darüber, dass im Unternehmen Gesetze respektiert sowie interne Richtlinien und Vereinbarungen eingehalten werden. Deshalb ist eine Compliance-Abteilung mittlerweile zumindest für Großkonzerne obligatorisch geworden.

Kontrolle muss sein

Anton Winkler, Pressesprecher und Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft München (Foto: dpa)
Oberstaatsanwalt Anton Winkler weiß: Compliance-Beauftragte haben es schwerBild: picture-alliance/ dpa

"Ein Compliance Officer ist auf jeden Fall einzurichten", sagt Anton Winkler. Der Oberstaatsanwalt aus München war auch mit den Ermittlungen in der Schmiergeldaffäre von Siemens befasst. "Der Compliance-Beauftragte kann natürlich nicht alles alleine machen. Er muss dem Vorstand gegenüber deutlich machen, was er alles benötigt, um eine ordnungsgemäße Absicherung des Unternehmens zu erreichen."

Ohne die nötige personelle, technische und organisatorische Ausstattung, so Winkler, sei ein Compliance Officer nutzlos. Ein Münchener Richter habe es während des Siemens-Verfahrens auf den Punkt gebracht: Das sei so, "als wenn man eine Feuerwehr mit einem Wassereimerchen ausstattet".

Führungskräfte als Vorbilder

Mit einer Compliance-Abteilung alleine sei es aber nicht getan. Winkler betont auch die Vorbildfunktion, die die Manager und Führungskräfte in einem Unternehmen erfüllen müssten: "Es kann nicht sein, dass Unternehmenswerte von unten gelebt werden. Sie müssen von oben gelebt werden. Es muss eine Rückbesinnung auf Werte stattfinden, so dass nicht der Börsenkurs und der Gewinn die einzigen Werte sind im Unternehmen, sondern dass es auch ethische Werte gibt."

Unterschiedlichste Kulturen

Solche allgemeingültigen Werte in die Firmenphilosophie aufzunehmen, fällt gerade weltweit tätigen Firmen sehr schwer. Sie sind mit unterschiedlichsten Kulturen konfrontiert und damit auch mit unterschiedlichsten Rechtssystemen. Diese Problematik hebt Thomas Menk aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen hervor. Menk ist Leiter der Konzernsicherheit beim Stuttgarter Daimler- Konzern und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit in der Wirtschaft. Er ist oft in anderen Kulturkreisen unterwegs und weiß deshalb: "Es kann Ihnen durchaus passieren, dass das, was nach mitteleuropäischen oder, noch mehr, nach nordamerikanischen Gesichtspunkten unbedingt erforderlich ist, anderswo auf völliges Unverständnis stößt." Und Verena Brandt von der renommierten Unternehmensberatung KPMG fügt hinzu: "Das ist genau der Punkt, dass ich eben diese kulturellen Unterschiede und dadurch unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen habe." Deshalb seien "strategische Konzepte" notwendig, um die Unternehmenswerte einer internationalen Mitarbeiterschaft möglichst nachhaltig zu vermitteln.

Nachhaltigkeit ist gefragt

Wie halte ich die Werte-Botschaften am Leben? Und: Wie schaffe ich es, dass diese Botschaften zwar gehört, aber dann nicht sofort wieder vergessen und abgelegt werden? Diese Fragen müssten große Unternehmen für sich beantworten.

Michael Volz ist der Compliance-Beauftragte beim Pharmariesen Merck. Er hebt in diesem Zusammenhang hervor, wie wichtig es ist, auf die Menschen zu zugehen und sich jeweils vor Ort ein persönliches Bild zu machen. "Ich habe ein Beispiel aus Brasilien, wobei es um den Verhaltenskodex geht, der dort ausgerollt wurde", erzählt Volz. "Das war erstaunlich. Die Merck-Leute dort haben das in richtigen Theateraufführungen gezeigt, sie haben also sozusagen die einzelnen Werte performed, ja? Und dabei saß im Publikum eben auch der General-Manager neben dem einfachen Fabrikarbeiter."

Mitarbeiterrechte respektieren

Miniatur-Eisenbahnerfiguren sind unter einer Lupe zu sehen (Foto: dpa)
Deutsche Bahn: geich massenweise Mitarbeiter-Überprüfungen auf VerdachtBild: picture-alliance/dpa

Egal in welchem Land man sich befindet - problematisch wird es, wenn Firmen selbst mit ungesetzlichen Mitteln gegen Mitarbeiter vorgehen. In Deutschland sorgten in dieser Hinsicht gleich mehrere Unternehmen für negative Schlagzeilen.

So gab es beispielsweise beim Einzelhändler Lidl illegale Sammlungen von Krankendaten der Mitarbeiter. Die Deutsche Bahn versuchte sogar durch unerlaubte Erfassung von Bankdaten wie Kontobewegungen in einer Art Rasterfahndung potentiell korrupten Mitarbeitern auf die Spur zu kommen. Solche und ähnliche Fälle landen oft sehr schnell bei der Staatsanwaltschaft, die dann etwaige Compliance-Beauftragte im Unternehmen wie auch gleichfalls die Firmenleitung ins Visier nimmt.

Autor: Klaus Ulrich

Redaktion: Monika Lohmüller