1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundespräsident Gauck bereist die USA

Michael Knigge / wd6. Oktober 2015

Der zeitlich gut gewählte Besuch des deutschen Bundespräsidenten bei Präsident Obama unterstreicht die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen für beide Länder. Unter der Oberfläche ist aber nicht alles rosig.

https://p.dw.com/p/1GjGe
Bundespräsident Gauck trifft in den USA ein
Bild: picture-alliance/dpa

Die Planungsabteilung von Bundespräsident Joachim Gauck hätte keinen besseren Ort auswählen können für die erste Station beim ersten offiziellen Besuch des deutschen Staatsoberhauptes in den USA seit der Wiedervereinigung vor 25 Jahren: In Philadelphia wurde einst die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet. Für Amerikaner ist es das Symbol einer hart erkämpften Freiheit nach dem Krieg gegen Großbritannien. Es ist auch der Ort, an dem am 6. Oktober 1683 eine Gruppe mennonitischer Siedler aus Krefeld Germantown gründete.

Aber es gibt noch eine andere Verbindung zu Deutschland. Es geht um die Freiheitsglocke von Philadelphia (Artikelbild). Die große historische Glocke war zunächst das Symbol für die Freiheit und Unabhängigkeit der USA. Während des Kalten Krieges wurde sie zu einem noch größeren Zeichen für den Kampf um die Befreiuung von der kommunistischen Herrschaft in Osteuropa. 1950 erhielt Berlin als Geschenk der Amerikaner eine eigene Freiheitsglocke, die heute noch im ehemaligen West Berliner Rathaus hängt.

Reich an Symbolik

"Das ist ein wunderbar starkes Bild", sagt Scott Lucas, Professor für Amerikanische Studien an der Universität von Birmingham.

"Es geht darum, die Verbindungen zwischen Deutschland und den USA bei den Themen Freiheit und Unabhängigkeit zu betonen", erklärt Josef Janning, Leiter im Berliner Büro des Europäischen Rates für Auslandsbeziehungen. Für Präsident Gauck, einen früheren Pfarrer und Bürgerrechtler in Ostdeutschland, haben Freiheit und Unabhängigkeit eine ganz persönliche Bedeutung, sagt Janning. "Deshalb ist er in Philadelphia."

Gemälde:Thomas Jefferson präsentiert die Unabhängigkeitserklärung (Foto: picturehistory)
In Philadelphia wurde 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnetBild: picture-alliance/Newscom

Die Schwerpunkte auf Gaucks Reise sind - neben dem Nachdenken über Deutschlands Wiedervereinigung und die unverzichtbare Rolle der USA dabei - die Treffen mit US-Präsident Barack Obama, Vizepräsident Joe Biden, Außenminister John Kerry und Kongress-Mitgliedern - für ein Staatsoberhaupt in einer eher repräsentativen Rolle ist das eigentlich nicht die Regel.

Neue Rollen

"In vielerlei Hinsicht sind die Deutschen die eigentliche führende Kraft in Europa, obwohl die Briten diese Rolle für sich gerne beanspruchen würden" so Lucas. Deshalb mache es durchaus Sinn für die amerikanische Regierung, die symbolischen und informellen Wege zu nutzen, um die Beziehungen zu stärken, erklärt Janning.

Während Deutsche und Amerikaner schon routinemäßig in Lippenbekenntnissen die Bedeutung der gegenseitigen Beziehungen betonen, hält die Wirklichkeit der hochtrabenden Rhetorik, die immer wieder bemüht wird, kaum stand.

"Die Frage für mich ist, was neben aller Symbolik die Bedeutung der US-deutschen Beziehungen ausmacht", bemerkt Lucas. Ungeachtet der führenden Rolle Berlins in der Ukraine- und der Griechenlandkrise suche Deutschland noch seine Rolle im 21. Jahrhundert und sei noch nicht in der Lage gewesen, eine klare Vision zu äußern, was Europäische Macht ausrichten kann oder sollte, führt Lucas weiter aus.

USA Philadelphia Joachim Gauck Glocke Liberty Bell
Let freedom ring! Gauck und die Glocke in PhiladelphiaBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Josef Janning erläutert, Deutsche und Europäer seien gleichermaßen verunsichert über das Maß der Klugheit und die Aussichten der künftigen US-amerikanischen Außenpolitik. Das betreffe nicht nur die Politik unter George W. Bush, sondern auch unter Barack Obama, speziell im Nahen Osten. Der NSA- Spionageskandal hat nicht gerade geholfen, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen.

Zwischen Rhetorik und Wirklichkeit

"Die Beziehungen sind eher unterdurchschnittlich, gemessen an der Bedeutung, die jedes Land der anderen Seite zuweist", sagt Janning. Bundespräsident Gauck jedenfalls werde wegen seiner überwiegend symbolischen Rolle, die er in der deutschen Politik spielt, kaum die vermeintlich schlaffen deutsch-amerikanischen Beziehungen verbessern können. Aber wenn die Vergangenheit ein Anzeichen sei, dann könne er nicht davor zurückschrecken, die Defizite anzusprechen und eigene Vorschläge zu machen, was nun zu tun sei.