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Politik entdeckt Gaming

21. August 2017

Auch Gamer sind Wähler, jedenfalls die über 18-jährigen. Politiker jeder Couleur haben die digitale Spiele-Community entdeckt und geben sich auf der Gamescom vor den Bundestagswahlen die Klinke in die Hand.

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VR Virtual Reality Brille
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

"Einfach zusammen spielen" - das ist das Motto der diesjährigen Spielemesse Gamescom in Köln. Doch die weltweit größte Publikumsmesse der Branche ist längst mehr als nur der Treffpunkt der Gaming-Community. Mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro - allein im ersten Halbjahr 2017 - hat auch die Politik die digitale Spielewelt für sich entdeckt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel reist erstmals in diesem Jahr zur Eröffnung aus Berlin an und die Generalsekretäre aller wichtigen Parteien wollen in Köln Flagge zeigen. Auf einer ganzen Reihe von Veranstaltungen, moderiert von Netzgrößen wie dem Youtuber LeFloyd, wollen sie sich präsentieren und ihre politischen Botschaften möglichst vielen Gamescom-Besuchern präsentieren.

Bundeskanzlerin Merkel spricht mit YouTubern
Raute trifft Hashtag: Interviewtermin der Bundeskanzlerin mit deutschen YouTubern im August in Berlin Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Felix Falk freut sich über dieses neue Interesse der Politik. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hat aber konkrete Vorstellungen, was sie dafür tun kann, damit auch in Zukunft die Branche in Deutschland dynamisch wachsen kann. "Der Besuch der Bundeskanzlerin und von vielen anderen Politikern ist ein ganz wichtiges Signal und macht deutlich, wie groß die Bedeutung des Gamings als Kultur- und Wirtschaftsgut ist und welchen Stellenwert die Gamesbranche als Innovationsfaktor hat", sagt Falk im Gespräch mit der DW. Gleichzeitig engagiere sich die deutsche Politik aber noch nicht genug für die Branche: "Wir sind zwar glücklich, dass wir das weltweit wichtigste Event hier in Deutschland haben, aber als Entwicklerstandort sind wir einfach noch nicht so gut. Da tun andere Länder deutlich mehr." Länder wie Kanada, Frankreich, England, Italien oder Polen seien Deutschland weit voraus. An fast allen wichtigen Entwicklerstandorten im Ausland gebe es staatliche Förderprogramme.

 "Mehr Produzenten statt nur Konsumenten"

"Auf Bundesebene haben wir in Deutschland null Euro, die bisher in die Entwicklungsförderung gesteckt werden", kritisiert Falk.  Obwohl gute politische Rahmenbedingungen nicht nur wichtig für das Medium und den Wirtschaftsstandort Deutschland seien, sondern auch ein gutes Geschäft. "Der Finanzminister bekommt für jeden Förder-Euro zusätzliche Steuereinnahmen, zusätzliche Investitionen. Es rechnet sich also für den Staat."  Wenn es nach Falk geht, müssen so schnell wie möglich die Weichen gestellt werden, damit Deutschland in der Gaming-Branche wirklich mitmischt - nicht nur beim Konsum, sondern auch bei der Produktion.

Die negativen Auswirkungen einer fehlenden Förderung würden mittlerweile deutlich sichtbar, heißt es in einem gemeinsamen Forderungspapier des BIU mit dem Branchenverband Game. Deutschland sei zwar nach wie vor einer der größten Absatzmärkte weltweit, als Produktionsstandort verliere es jedoch "zunehmend den Anschluss". Zuletzt sank der Umsatzanteil deutscher Games-Entwicklungen auf dem heimischen Markt auf nur noch sechs Prozent. Eine systematische Entwicklungsförderung sei daher für die deutsche Games-Branche überlebenswichtig, unterstreicht Game-Verbandschef Stefan Marcinek.

Deutschland Eröffnungsrundgang Hannover-Messe Merkel Obama
Erste Gehversuche in der Virtuellen Realität: Merkel im April 2016 mit Ex-Präsident Obama auf der Hannover-Messe Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Digitale Spieleentwicklung als technologischer Motor

Von der Innovationskraft der Spieleentwickler profitieren längst nicht nur die Gamer, die sich mit dem Spiele-Controller durch digitale Spielewelten bewegen. Von den neuen Standards wie 4K in der Grafik oder der Entwicklung leistungsfähiger Prozessoren und Virtual Reality-Bildgebungsverfahren profitiert auch die Industrie - etwa beim Autonomen Fahren. All das trägt dazu bei, dass digitales Entertainment auch in der Spitzenpolitik kein Randthema mehr ist.

Mega-Trend eSports

Datenbrillen für den Ausflug in virtuelle Spielewelten standen 2016 auf der Gamescom im Mittelpunkt. Die im vergangenen Jahr auf der Messe vorgestellten Datenbrillen seien in diesem Jahr deutlich günstiger geworden, versprechen Aussteller und Messeveranstalter, immer mehr Hersteller bieten sie an.

eSports
Mehr als 20 Millionen Dollar Preisgeld: eSports-Turnier "The International 2016" in den USABild: dotabuff.com

Als einen der zentralen Trends in diesem Jahr sehen die Messemacher eSports. Längst füllen eSports-Events weltweit riesige Hallen - oft mit mehr als zehntausend Zuschauern und bis zu achtstelligen Preisgeldern. Mannschaften von Gamern treten dabei live gegeneinander an und bringen die Sport-Arenen zum Kochen. Die Livecasts großer eSports-Events werden im Netz gestreamt und live kommentiert wie Top-Spiele der Fußball-Champions League. Immer mehr eSport-Vereine entstehen und bereits jetzt werden mit eSports Hunderte Millionen Euro weltweit umgesetzt. "Unternehmen wie Audi und Vodafone engagieren sich massiv im digitalen Sport, auch um diese junge, digitalaffine Zielgruppe zu erreichen, die über klassische Werbung kaum mehr angesprochen werden kann", schwärmt der Kölner Messechef Gerald Böse.

Die Gamescom-Verantwortlichen rechnen in diesem Jahr wieder mit deutlich mehr als 300.000 Besuchern. Insgesamt werden auf der Messe, den Entwickler-Konferenzen, Kongressen und Veranstaltungen des Rahmenprogramms, das über die gesamte Stadt verteilt ist, mehr als eine halbe Million Menschen erwartet. Dass von den 910 Ausstellern mit 72 Prozent (nach 68 Prozent) noch mehr als 2016 aus dem Ausland kommen, spricht zwar für den internationalen Stellenwert der Gamescom. Doch für die Branchenlobbyisten vom BIU und Game bieten die Zahlen eine Steilvorlage, um bei den Besuchern aus der Politik kräftig die Werbetrommel für mehr Fördergelder zu rühren.

 

Thomas Kohlmann
Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.