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Tierisch guter Film: "Kedi - Von Katzen und Menschen"

10. August 2017

Tausende von Katzen durchstreifen jeden Tag Istanbul. Ihnen gehört die Stadt, sie gehören niemandem. Ein aktueller Dokumentarfilm widmet den freilebenden Straßentigern eine filmische Liebeserklärung.

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Film KEDI – VON KATZEN UND MENSCHEN
Bild: TERMITE FILMS

Meine Lieblingskatze in diesem unterhaltsamen Dokumentarfilm ist "Duman, der Gentleman": grau-weiß gestreift, grüne Augen, Halsband, ein bisschen pummelig um die Hüften, heißt es im Castingprotokoll der Filmemacher. "Beruf: Leckermaul". Ein Straßenkater mit ausgeprägten Manieren. Nur bei Heißhunger plündert er schon mal einen Müllcontainer. Minutenlang kann er allerdings auch vor dem abgeräumten Tisch eines Restaurants verharren, ohne ihn mit seinen leisen Pfoten zu betreten.

Er lebt in einem der vornehmsten Viertel von Istanbul, bettelt aber nie. Das ist unter seiner Katzenwürde. Seine Verbündeten sind die Besitzer teurer Feinschmecker-Restaurants. Alle Kellner hier kennen ihn. Wenn er hungrig ist, nach ausgiebigen Streifzügen durch die umtriebige Großstadt, kratzt er nur kurz am Fenster des Lokals - und wartet, bis ihm seine Portion auf dem Straßenpflaster serviert wird. Geräucherter Fisch und Käse sind seine Lieblingsspeisen!

Einblick in verborgene Katzenwelten

Zusammen mit ihrem Mann und Co-Produzenten Charlie Wuppermann hat Jung-Regisseurin Ceyda Torun einen herzerfrischenden Dokumentarfilm gedreht. "Kedi - Von Katzen und Menschen" ist ihr erster eigener Film, eine türkisch-US-amerikanische Koproduktion. Am 8. August, dem Internationalen Weltkatzentag, kommt er in die Kinos. "Kedi", aus dem Türkisch übersetzt heißt das Katze, ist ein Film, der jeden Zuschauer in Sekunden zum cineastischen Katzenliebhaber macht.

Dem Zauber der tierisch einfühlsamen Kamera von Charlie Wuppermann, begleitet von Kira Fontanas orientalischer Filmmusik, kann man sich nicht entziehen. Die Montage erzählt Geschichten, die das Leben schreibt. Zum ersten Mal durchstreift man eine Stadt wie Istanbul aus der Perspektive einer Straßenkatze: gerade mal 10 bis 15 Zentimeter über dem Boden tun sich völlig neue Blickwinkel auf - abseits der Touristenpfade.

Filmszene aus "Kedi – von Katzen und Menschen"
Auch Katzen können nicht immer Gentlemen sein: Filmszene aus "Kedi"Bild: TERMITE FILMS

Dafür sind ist das Team drei Monate lang durch Stadtviertel und abgelegene Vororte der zwei Millionen Megacity gelaufen, immer auf der Suche nach Katzen-Geschichten, erzählt Ceyda Torun im DW-Interview. "Wir haben überall in der Nachbarschaft Leute angesprochen, die auf der Straße mit Katzen zu tun hatten. Und haben sie nach ihrer Beziehung zu diesen Katzen gefragt."

Katzen halten sich an kein Drehbuch

Kameramann Charlie Wuppermann hatte bis dahin noch keinen Dokumentarfilm gedreht. Die zeitintensiven Dreharbeiten waren für den Co-Produzenten aus Deutschland auch eine Herausforderung der speziellen Art: Katzen halten sich an kein Drehbuch, sondern machen, was ihnen gerade in den Kopf kommt. "Anfangs hatten wir 35 Katzen als Protagonisten für den Film ausgesucht", berichtet Regisseurin Ceyla Torun im Skype-Interview mit der DW. "Aber als wir anfangen wollten zu drehen, haben wir nur 19 gefunden. Sie tauchten einfach nicht wieder auf."

Für Katzenliebhaber: "Kedi - Von Katzen und Menschen".

Aufregend sei das gewesen, erklärt Kameramann Charlie: "Wir hatten so unsere Methoden, den Katzen zu folgen und ihre Perspektive einzunehmen. Dafür arbeiteten wir gleichzeitig mit mehreren Kameras, und hauptsächlich mit einer ferngesteuerten Kamera auf einem fahrbaren Untersatz, um den Katzen an Orte zu folgen, an die Menschen nicht gelangen konnten." Gelungen ist ihm ein ungewöhnlicher Einblick in die Lebenswelt der Straßenkatzen: selbst die hochnervöse Jagd auf eine fette Kanalratte konnte er mit einer Nachtsichtkamera einfangen.

Schönheit allein zählt nicht

Aber Katzen lassen sich nicht manipulieren, schon gar nicht freilebende, extrem eigensinnige Straßenkater, lacht Wuppermann, der seinen Master an der Film School in London gemacht hat. "Mit den Mikrochip-Kameras, die wir auf den Katzen zu befestigen versuchten, sind wir komplett gescheitert. Das mochten die Katzen gar nicht. Und in dokumentarischer Hinsicht wäre das aber auch zu manipulativ gewesen." Auch auf die ferngesteuerte Kamera hätten manche Katzen aggressiv reagiert und sie attackiert, bevor sie abhauten.

Regisseurin Ceyda Torun erzählt vom Dreh

Die Dreharbeiten quer durch Istanbul gerieten dadurch schon mal zur kriminalistischen Spurensuche nach den vierbeinigen Protagonisten, sagt Regisseurin Torun, die ihre Kindheit in Istanbul mit solchen Straßenkatzen verbracht hat. "Sie waren meine Lehrmeister und Weggefährten. Und meine besten Freunde." Als sie elf Jahre alt war, verließ die Familie die Türkei und lebte in Amman, Jordanien und zuletzt in New York. Dort sei sie äußerst selten einer Straßenkatze begegnet, erzählt die Filmemacherin im DW-Interview. Auch in Asien gehörten eher domestizierte Hauskatzen zur Alltagskultur.

In jeder Katze steckt ein kleiner Tiger

Der Kinofilm ist weit mehr als ein kurzweiliges Katzenvideo: Er begleitet sieben Pfotentiere durch ihr Alltagsleben in Istanbul, alle höchst unterschiedliche Charaktere. Als Dokumentarfilm erzählt er von der tiefen Beziehung der Menschen zu den Katzen - als Spiegel einer Gesellschaft. In USA oder Asien seien solche Straßenkatzen wie in Istanbul oder Rom schon allein aus hygienische Gründen undenkbar, sagt Ceyda Torun.

Film KEDI – VON KATZEN UND MENSCHEN
Metropole am Bosporus: Istanbul ist voll von freilebenden StrassenkatzenBild: TERMITE FILMS

Seit mehr als 3500 Jahren leben die Katzen hier, hätten aktuelle archäologische Ausgrabungen in Istanbul ergeben, berichtet die studierte Anthropologin. "Wenn man irgendwo in Istanbul auf der Parkbank sitzt, kommt meistens eine Katze vorbei, und lässt sich kraulen, als würdest Du sie schon ewig kennen. Du verbringst eine Stunde mit ihr, sehr vertraut. Und dann geht jeder seiner Wege."

Ihre vierbeinigen Filmstars seien auch diesmal Lehrmeister für sie gewesen, sagt Charlie Wuppermann. "Wir haben viel mit Teleobjektiven gearbeitet. Und wenn man so nah in die Augen einer Katze sieht, könnte man sie auch für einen Tiger halten." Ceydas Lieblingskatze war nach Abschluß der Dreharbeiten eindeutig Bengü: grau-braun gescheckt, smaragdfarbene Augen, extrem verschmust. "Sie ist immer sofort angerannt gekommen, wenn wir sie gerufen haben. Ich liebe Katzen, die Dich begrüßen und liebevoll um deine Beine schnurren."

Der Dokumentarfilm "Kedi - Von Katzen und Menschen" (USA/Türkei 2016) startet am 10. August 2017 weltweit in den Kinos und kommt auch als DVD heraus. Genauere Infos: Weltkino Verleih, Leipzig.