1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fußball als Jobkiller

Wim Abbink2. Juni 2004

Trainerstühle bei Fußball-Großereignissen sind Schleudersitze. Bei der WM 2002 erhielten zwölf Coaches den Laufpass. Und auch die Euro 2004 erweist sich für die versammelte Trainer-Gilde als kollektive Zitterpartie.

https://p.dw.com/p/5EPe
Trainer-Rücktritte:<br>Immer gut für SchlagzeilenBild: AP

Vor vier Jahren, bei der Euro 2000, durfte eine ganze Reihe von Trainer ihren Hut nehmen. Darunter Frank Rijkaard, der mit EM-Gastgeber Niederlande im Halbfinale scheiterte, Dino Zoff, der mit Italien das Finale gegen Frankreich verlor und auch Bundestrainer Erich Ribbeck, der mit dem DFB-Team bereits in der Vorrunde kläglich gescheitert war.

Angeführt vom Deutschen Fußball-Bund, dessen Teamchef Rudi Völler nach dem Vorrunden-Aus in Portugal seinen Rücktritt verkündete, muss nach der EM 2004 wohl fast die Hälfte der 16 Teilnehmer neue Trainer für die Qualifikation zur WM 2006 in Deutschland suchen. Auch der im Viertelfinale gescheiterte Sven Göran Eriksson, dessen Vertrag als englischer Teammanager noch bis 2008 weiterläuft, sagt: "Im Fußball weiß man nie, was passiert."

Rudi Völler tritt zurück Pressekonferenz in Almancil mit Thumbnail
Rudi Völler sagt TschüssBild: AP

Einer gegen alle

Der Druck auf die Auswahltrainer ist groß, die Schar der Kritiker und Besserwisser aus dem eigenen Land immens. "Das lasse ich mir nicht gefallen", meinte Otto "Maximal" Baric. Der 71-jährige kroatische Coach trat nach dem Vorrunden-Aus zurück. "Die Kroaten glauben, sie gehören zu den Besten der Welt. In einer so unrealistisch angeheizten Atmosphäre muss ich nicht arbeiten." Zusätzlich genervt zeigte er sich von seinem Vorgänger Miroslav Blazevic, der im Radio ständig gegen Baric wetterte.

Baric
Otto Baric schmollt davonBild: AP

Der nächste Wachtwechsel ließ nicht lange auf sich warten: Italiens Nationalcoach Giovanni Trapattoni hatte nach dem frühen EM-K.o. fertig und wird von Marcelo Lippi abgelöst, der im April als Trainer von Juventus Turin zurückgetreten war. "Das Leben als Nationaltrainer ist hart. Es ist schwerer als das eines Clubtrainers", warnte der 61-jährige ehemalige Bayern-Coach seinen Nachfolger, der für die prophezeite Pein mit der "Squadra Azzurra" allerdings mit einer Million Euro pro Jahr entschädigt wird.

Trapattoni
Hat wieder fertig: Giovanni TrapattoniBild: AP

Dann nahm der spanische Fußball-Verband RFEF dann doch die angebotene Demission von Nationalcoach Inaki Sáez an. Unmittelbar nach dem EM-Aus hatte der einen solchen Schritt ("Ein Rücktritt wäre Feigheit") noch ausgeschlossen. Dann beugte er sich aber dem kollektiven Aufschrei der Spanier gegen seine Weiterbeschäftigung. Sein Nachfolger wurde erwartungsgemäß Luis Aragones. Der Trainer von Erstligist Real Mallorca hatte bereits 1998 ein Angebot vorliegen, lehnte aber damals ab.

Saez
Beugte sich dem Druck: Inaki SaezBild: AP

Einer kündigte schon vorher

Nicht sehr erfolgreich war der bulgarische Coach Plamen Markow. Die bulgarische Nationalmannschaft hatte ihre drei
Vorrundenspiele bei der Euro in Portugal gegen Schweden (0:5), Dänemark (0:2) und Italien (1:2) verloren. Keiner nahm's krumm. Dennoch muss der bulgarische Fußball-Verband einen neuen Nationaltrainer suchen. Markow lehnte das Angebot ab, seinen auslaufenden Vertrag zu verlängern.

Bald könnte auch der niederländische Bondscoach Dick Advocaat "fällig" sein. Als Ministerpräsident Balkenende ihn für das letzte Gruppenspiel viel Glück wünschte, spottete die Tageszeitung De Volkskrant: "Bis vor kurzem war Balkenende der unbeliebteste Mann der Niederlande. Offenbar hat er mit seinem Nachfolger telefoniert." Mit dem Halbfinal-Einzug konnte Advocaat zwar einen "Waffenstillstand" im Dauerbeschuss durch seine Kritiker erzwingen - mehr aber auch nicht. Spätestens in der Woche nach der EM wird er, so die allgemeine Erwartung, das Handtuch werfen.

Advocaat
Noch hält er stand: Dick AdvocaatBild: dpa

Vorgesorgt hatte da Frankreichs bislang erfolgreichster Nationaltrainer Jacques Santini: Bereits vor der EM kündigte er seinen Wechsel zum englischen Erstligisten Tottenham Hotspur an. Der französische Verband wollte ihm nur einen neuen Kontrakt geben, wenn er mit der "Equipe Tricolore" den Viertelfinal-Einzug schafft. "Das kann man nicht mit mir machen", sagte Santini beleidigt.

Frankreichs Trainer Jacques Santini
Beleidigt: Jacques SantiniBild: AP