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Freunde im Netz

Sebastian Ertinger4. September 2003

Immer mehr Menschen verbringen ihre Freizeit beim Surfen im Internet. Besonders Jugendliche sitzen stundenlang vor dem Bildschirm. Freunde, Familie und Hobbys kommen bei den meisten dennoch nicht zu kurz.

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Verdrängen "Chat-Rooms" das fröhliche Feiern in der Disco?Bild: AP

Den Blick starr auf den Bildschirm gebannt, verarmt an sozialen Kontakten, allenfalls auf getippte Satzfetzen in irgendeinem "Chat-Room" beschränkt, das gesellige Bier in der Kneipe um die Ecke ersetzt durch einsame Sitzungen am Computer – so stellt sich manch einer die Zukunft im Zeitalter von E-Mail und Internet vor. Verlagert sich das fröhliche Treiben an Samstagabenden von verqualmten Kneipen und vollgestopften Discos in sterile, virtuelle Treffpunkte?

Die vom Europäischen Medieninstitut (EIM) in Düsseldorf initiierte Studie "Internet 2002: Deutschland und die digitale Welt" vergleicht die Freizeitgestaltung von Internet-Nutzern und "Online-Abstinenzlern". Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass "Onliner" durchschnittlich nicht mehr Zeit vor dem Computer verbringen als "Offliner" vor Fernseher oder Radio. Die Surfer greifen auch nicht viel seltener zu Büchern oder Zeitungen, dafür schränken sie aber ihren Fernsehkonsum ein. Das Internet gewinnt bei den Deutschen als Informationsquelle neben Fernsehnachrichten und der Zeitungslektüre immer mehr an Bedeutung, ohne diese zu überholen, wie es in den USA der Fall ist.

Hobbys und Freunde bleiben wichtig

"Die 'Onliner' kommunizieren zwar etwas weniger mit den Familienmitgliedern im eigenen Haushalt, dafür wesentlich öfter mit Angehörigen, die außer Haus leben", erklärt Bertram Konert, Projektleiter beim EIM, im Gespräch mit DW-WORLD. Die Möglichkeit, einfach und bequem per E-Mail zu korrespondieren, habe einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Der Mausklick ersetze das gemütliche Treffen mit Freunden aber genauso wenig, wie er von sportlichen Aktivitäten ablenke, ist in der Studie zu lesen. In Singapur beispielsweise habe sich der persönliche Kontakt mit anderen Menschen sogar erheblich erhöht.

Jugendliche kommunizieren multimedial

Besonders häufig wählen sich Jugendliche in das weltweite Computernetz ein. Im Gegensatz zu den Erwachsenen interessiert sie weniger das Informationsangebot, als vielmehr Spiele und das Herunterladen von Musikstücken. Aber auch hier sieht Konert keinen Trend dazu, dass sich junge Menschen endlos durchs Internet klicken und ihre persönlichen Kontakte vernachlässigen. "Statt per Telefon verabreden sie sich nun per E-Mail oder SMS-Nachricht, die gemeinsamen Freizeitaktivitäten verringern sie aber nicht", erläutert der Soziologe. "Die Jugendlichen nutzen verschiedene Medien gleichzeitig, dafür weniger konzentriert. Sie telefonieren oder hören Musik, während sie im Internet sind."

Menschenleere Innenstädte und eine Gesellschaft von "Stubenhockern" erwartet die Düsseldorfer Medienforschungsgruppe auf absehbare Zeit nicht. "Frühere Untersuchungen, die eine generelle Vereinsamung der Internet-Nutzer vorhersahen, haben keinen Bestand mehr", meint Konert. Es gibt dennoch einige Surfer, die sich nicht mehr von ihrer Tastatur trennen können.

So ergab eine Umfrage der Psychologen Matthias Jerusalem und André Hahn von der Humboldt-Universität Berlin, dass ungefähr drei Prozent der Internet-Nutzer süchtig sind und ihre Familie, Freunde und die Arbeit vernachlässigen. Angesichts dieser relativ geringen Zahl ist wohl kaum von einem akuten Abhängigkeitsrisiko zu sprechen. Doch lauert die moderne Technik schon mit anderen Suchtfallen - beispielsweise dem SMS-Schreiben.