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Fremdenhass als Motiv für Messerattacke?

17. Oktober 2015

Laut Polizei gab der Angreifer an, Henriette Reker aus fremdenfeindlichen Gründen niedergestochen zu haben. Die Kandidatin für die Oberbürgermeisterwahl ist Kölns Sozialdezernentin und auch für Flüchtlinge zuständig.

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Absperrband vor einem Wahlplakat der Kölner OB-Spitzenkandidatin Henriette Reker (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Der Mann, der die parteilose Politikerin Henriette Reker an einem Infostand für die Kölner Oberbürgermeisterwahl mit einem Messer niedergestochen hat, könnte aus politischen Gründen gehandelt haben. Der 44-Jährige habe angegeben, Reker "aus fremdenfeindlichen Motiven" gezielt angegriffen zu habe, teilte die Kölner Polizei mit. Genauere Erkenntnisse dazu gebe es bislang nicht. Nach Angaben der Polizei handelte der Angreifer offenbar allein. Er sei zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten.

Politisch motiviert oder psychisch krank?

Wegen des vermuteten Hintergrunds übernahm die Abteilung für politisch motivierte Straftaten bei der Staatsanwaltschaft Köln die Ermittlungen. Nach Angaben von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) wurde auch der NRW-Verfassungsschutz in die Ermittlungen eingebunden. Der zuständige Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte, neben dem mutmaßlichen fremdenfeindlichen Motiv stehe auch der Gesundheitszustand des Täters im Fokus. Noch im Laufe des Tages werde der Mann psychiatrisch untersucht.

Das Wahlkampfteam der OB-Kandidatin zeigte sich entsetzt über möglicherweise fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat und teilte in einer Presseerklärung mit, dies bestätige das Anliegen Rekers, das Thema Flüchtlinge und Integration mit großer Gemeinsamkeit zu behandeln.

Vier weitere Verletzte

Bei dem Angriff an einem CDU-Informationsstand auf einem Wochenmarkt im Kölner Stadtteil Braunsfeld war Reker schwer verletzt worden. Eine weitere Frau wurde den Angaben zufolge ebenfalls schwer verletzt, außerdem verletzte der Angreifer drei Menschen leicht. Den Gesundheitszustand der OB-Kandidatin bezeichnete der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers am Nachmittag als "stabil, aber noch nicht über den Berg".

Lichterkette für die Opfer (Foto: dpa/picture alliance)
Lichterkette für die OpferBild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Am Tatort hatten sich am Morgen dramatische Szenen abgespielt. Helfer versuchten, den Angreifer mithilfe von Partei-Sonnenschirmen zu überwältigen, die an dem Stand aufgestellt waren, berichtete die Zeitung "Kölner Stadt-Anzeiger". Der Kölner CDU-Vorsitzende Bernd Petelkau, der Augenzeuge der Attacke war, sagte der Zeitung "Rheinische Post", der Angreifer habe vor der Tat gerufen: "Ich rette Messias. Das ist alles falsch, was hier läuft, ich befreie Euch von solchen Leuten." Nach der Attacke sei er dann ganz ruhig stehengeblieben und habe gesagt: "Ich musste es tun. Ich schütze Euch alle."

"Ein Angriff auf uns alle"

Überwältigt worden war der Mann schließlich von einem Beamten der Bundespolizei. Der Bundespolizist sei privat in Köln gewesen, teilte das Bundesinnenministerium mit. "Ich danke dem Beamten vor Ort für sein beherztes Eingreifen und die Überwältigung des Täters", sagte Minister Thomas de Maizière.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich bestürzt über den Messerangriff. Bundesjustizminister Heiko Maas verurteilte die Messerattacke als "unfassbare, abscheuliche Tat". Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schrieb auf Twitter: "Das ist ein Angriff auf uns alle". Rekers SPD-Gegenkandidat bei der für Sonntag angesetzten Kölner OB-Wahl, Jochen Ott, teilte per Facebook mit: "Ich bin zutiefst bestürzt und drücke ihr von Herzen die Daumen."

Die Oberbürgermeisterwahl findet statt

Reker gilt als aussichtsreichste Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag. Die parteilose Politikerin wird von Grünen, CDU und FDP unterstützt. Neben Reker werden aber auch Ott Chancen einen Wahlsieg in der viertgrößten deutschen Stadt attestiert. Insgesamt treten am Sonntag sieben Kandidaten an. Die ursprünglich für den 13. September geplante Wahl war wegen fehlerhafter Stimmzettel um fünf Wochen verschoben worden.

Ein Polizist steht vor dem Tatort der Messerattacke auf die Kölner OB-Spitzenkandidatin Henriette Reker (Foto: dpa)
Der Tatort: Ein Wahlkampfstand auf einem Kölner WochenmarktBild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Die Abstimmung wird trotz des Attentats wie geplant am Sonntag stattfinden. Das teilte inzwischen die Stadtverwaltung mit. Laut einer Mitteilung appellierte die Kölner Wahlleitung an die gut 810.000 wahlberechtigen Kölner, "trotz des schrecklichen Ereignisses von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen". Am Samstagabend setzten die Spitzen der NRW-Politik ein Zeichen gegen Gewalt. Vor dem Historischen Rathaus der Stadt bildeten Ministerpräsidentin Kraft, NRW-CDU-Chef Armin Laschet und weitere Politiker gemeinsam mit vielen Bürgen eine Menschenkette. "Wir stehen hier zusammen als Demokraten, um ein Zeichen zu setzen gegen diese verabscheuungswürdige Tat", sagte Kraft. Ein parteiübergreifendes Bündnis hatte zu der Solidaritätskundgebung für die Opfer aufgerufen.

Mögliche Doppelpremiere

Sollte die parteilose Politikerin Kölner Oberbürgermeisterin werden, wäre das eine Doppelpremiere: Reker wäre die erste Frau in der Geschichte der Großstadt, die sich die Amtskette umhängen darf. Zugleich würde sie als erste Parteilose den Chefsessel im Kölner Rathaus erobern.

Reker wurde in Köln geboren und wuchs dort auf. Nach dem Jurastudium arbeitete sie in Bielefeld, Münster und Gelsenkirchen, bevor sie 2010 nach Köln zurückkehrte. Unter anderem war sie Justiziarin für die nordrhein-westfälischen Innungskrankenkassen, außerdem sammelte sie zehn Jahre lang Verwaltungserfahrung als Dezernentin in Gelsenkirchen. Seit fünf Jahren leitet sie in Köln das Dezernat für Soziales, Integration und Umwelt.

cw/qu (afp, dpa, rtr)