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Frankreich sorgt sich um Griechenland - und sich selbst

Elizabeth Bryant / aa19. Juli 2015

In der Schuldenkrise ist Frankreich der mächtigste Verbündete der Griechen. Paris scheint aber auch von eigenen wirtschaftlichen Sorgen angetrieben zu sein. Elizabeth Bryant berichtet aus der französischen Hauptstadt.

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Alexis Tsipras und Francois Hollande (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/M. Bureau

Während die griechischen Abgeordneten eine quälend lange Abstimmung über neue Sparmaßnahmen durchstehen mussten, haben ihre französischen Kollegen am Mittwoch relativ schnell einer Einigung für ein neues Rettungsprogramm für Athen zugestimmt. Das sollte eine finanzielle Katastrophe in Griechenland verhindern und die 19 Mitgliedsstaaten zählende Eurozone zusammenhalten.

Mit überwältigender Zustimmung unterstützten die Französische Nationalversammlung und der Senat die Einigung, die die Chefs der Eurozone nach Marathon-Verhandlungen am Wochenende zuvor erzielt hatten.

"Wir müssen die Griechen unterstützen und sicherstellen, dass die Eurozone, zu der wir gehören, erhalten bleibt", sagte der französische Präsident François Hollande nach der Abstimmung am Mittwoch. Er wiederholte damit seine Solidaritätsbekundung, die er in den vergangenen Wochen schon oft geäußert hatte.

Die Abstimmung war rein konsultativ, aber die Ergebnisse unterstreichen Frankreichs starken Willen, Griechenland in der Währungsunion zu halten - ganz anders als Deutschland, wo die Abgeordneten der Einigung erst am Freitag nach einer langen Debatte im Bundestag zustimmten.

Nur wenige Probleme haben Europas mächtige deutsch-französische Allianz in den vergangenen Jahren so ernsthaft auf die Probe gestellt wie die Frage, was mit Griechenland geschehen soll. Während Hollande Experten nach Athen geschickt haben soll, die den Griechen dabei helfen sollten, neue Vorschläge an die Gläubiger vorzubereiten, entwarf Deutschland Medienberichten zufolge seinen eigenen Plan, um die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone auszusetzen. Eine gespaltene Währungsunion, die - so meinen manche Experten - die Interessen im jeweils eigenen Land wiederspiegeln.

"Frankreich führt die Bewegung an, die Griechenland in der Eurozone halten will, aber meiner Meinung nach hat das vor allem innenpolitische Gründe", sagt der Analyst Guillaume Xavier-Bender vom Brüsseler Büro des German Marshall Fund. "In Frankreich sind die Sozialisten an der Macht. Sie müssen schon aus Solidaritätsgründen einer anderen linken Partei in Europa dabei helfen, ihre Probleme zu lösen."

Proteste in Paris für Griechenland (Foto: AFP)
Unterstützung für Griechenland: Viele Franzosen bekunden in Paris ihre Solidarität mit AthenBild: L. Venance/AFP/Getty Images

Hinzu komme, sagt Xavier-Bender, dass Hollandes Regierung die Mitgliedschaft in der Eurozone als Weg zu Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Erholung in Frankreich gepriesen hat. Ein Argument, das dabei helfen werde, die Politik in den kommenden Monaten zu gestalten und Hollands Sozialisten gegen die euroskeptischen Rivalen einzuschwören.

Frankreich beschützen

Zurzeit hat Hollande die Oberhand. Das Abkommen mit Griechenland hat die Mitglieder der konservativen Oppositionspartei, die Republikaner, gespalten. Die meisten Abgeordneten der Partei unterstützten die Einigung bei der Abstimmung am Mittwoch. Doch ihr eigener Chef, der frühere französische Präsident Nicolas Sarkozy, kritisierte Hollande offen dafür, mit Deutschland zu brechen und um jeden Preis "einen Kompromiss mit Griechenland anzustreben".

"Die wirkliche Frage ist, wie die Eurozone vor einer griechischen Katastrophe beschützt werden kann, nicht einfach wie Griechenland beschützt werden kann", sagte Sarkozy.

Eine andere wichtige Oppositionspartei, der politisch weit rechts stehende Front National, kritisierte das Abkommen wie erwartet scharf und behauptete, es sei ein schlechtes Abkommen für Griechenland und für Europa. "Mr. Hollande lügt die Franzosen an, weil er sie glauben macht, dass ihnen das Abkommen keine Schmerzen verursacht", sagte Parteichefin Marine Le Pen. Sie fügte hinzu, dass die französischen Steuerzahler Milliarden Euro in das griechische Schuldenfeuer würfen.

Tatsächlich hält Frankreich mit etwa 43 Milliarden Euro die größte Summe griechischer Schulden innerhalb der Euro-Mitgliedsstaaten - nach Deutschland.

Doch hier enden die Vergleiche mit Deutschland. Frankreichs Wirtschaft wächst kaum, die Arbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie in Deutschland und Hollande schreckt bislang vor radikalen Wirtschaftsreformen zurück, die manchen Analysten zufolge notwendig wären.

Länder wie Deutschland, denen es relativ gut geht, könnten leicht mit der Unsicherheit über Griechenlands Zukunft umgehen, sagt Christian Odendahl, leitender Ökonom am Centre for European Reform in London. "Aber das Letzte, was Frankreich braucht, ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor für seine Wirtschaft, die darum kämpft, sich zu erholen." Andere Experten gehen in ihrer Einschätzung noch weiter und suggerieren, Frankreich gehöre zu den nächsten großen Problemen in Europa.

Franzosen stehen Schlange vor einer Arbeitsagentur in Paris (Foto: EPA)
Hohe Arbeitslosigkeit: Franzosen stehen Schlange vor der ArbeitsagenturBild: picture-alliance/dpa

"Die Finanzmärkte sind besessen von den Problemen Griechenlands und der europäischen Peripherie, ignorieren aber die wachsenden Risiken in Europas Mitte, vor allem Italien und Frankreich", schrieb die Financial Times im Juni. Sollte es keine wesentlichen Veränderungen geben, prophezeit die Zeitung: "Frankreich und Italien sind möglicherweise nicht in der Lage, eine Finanzkrise zu vermeiden."

Unbehagen unter Franzosen

Diese Sorgen spiegeln sich auf der Straße. Was die Griechenlandfrage betrifft, sind die Franzosen gespalten; wenn es um ihre eigene Zukunft geht, sind sie bedrückt. Einer Umfrage zufolge wollen die meisten, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, aber etwas mehr als die Hälfte spricht sich gegen weitere Zugeständnisse für Athen aus. "Ich finde, die Griechen sollten uns zurückzahlen, aber ich glaube nicht, dass sie das tun", sagt die 35-jährige Isabella, die im Bürgermeisteramt in Paris arbeitet und ihren Familiennamen nicht nennen will.

Marilyn Mancini dagegen, ebenfalls aus Paris, meint, die Griechen verdienten Unterstützung aus Frankreich. "Sie sind Teil der EU – auch wenn wir wissen, dass sie uns viel kosten, und dass uns in Zukunft noch mehr kosten werden", sagt sie.

"Wenn Griechenland die Eurozone verlässt, sollte Frankreich das ebenfalls tun, weil wir auch nicht gerade gut abschneiden“, fügt sie hinzu. "Das Leben ist teuer, und unsere Gehälter steigen nicht. Die Eurozone kostet uns zu viel."