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Fidel Castro überträgt Macht vorübergehend an Bruder Raul

1. August 2006

Zum ersten Mal seit mehr als vier Jahrzehnten hat der kubanische Staats- und Parteichef Fidel Castro vorübergehend die Macht aus der Hand gegeben. Grund ist eine schwere Erkrankung.

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Kubas Präsdient Fidel Castro (79) ist vom Alter gezeichnetBild: picture-alliance/dpa

Castro übertrug am Montag (1.8.2006) die Amtsgeschäfte als Präsident und Erster Sekretär der Kommunistischen Partei auf seinen Bruder Raul. In einem im Fernsehen verlesenen Brief teilte Fidel Castro seinen Landsleuten mit, dass er wegen großen Stresses Magen-Darmblutungen gehabt habe, derentwegen er sich "eines komplizierten chirurgischen Eingriffs" habe unterziehen müssen. Der Brief wurde von Castros Sekretär Carlos Valenciaga im kubanischen Fernsehen verlesen.

"Die Operation zwingt mich, mehrere Wochen zu ruhen", schrieb Castro, der am 13. August 80 Jahre alt wird. Er bat darum, die Feiern zu seinem Geburtstag auf den 2. Dezember zu verschieben, dem 50-jährigen Jubiläum der Revolutionären Streitkräfte.

Seit 1959 im Amt

Raul Castro oberster Militär Kubas
Raul Castro ist Chef der kubanischen Armee (Archivfotos)Bild: AP

Fidel Castro ist seit dem Sieg der kubanischen Revolution am 1. Januar 1959 Staats- und Parteichef. Er betonte in dem Brief, die Übertragung der Macht an seinen designierten Nachfolger sei nur vorübergehend. Der 75-jährige Raul Castro ist Verteidigungsminister und in den vergangenen Wochen mehr als früher in der Öffentlichkeit aufgetreten. Raul Castro wird dem Schreiben zufolge kommissarisch sowohl das Präsidentenamt als auch das des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei ausüben. Von ihm gab es zunächst keine öffentliche Erklärung zu dem vorübergehenden Machtwechsel.

In der Altstadt von Havanna reagierten viele Menschen perplex auf die Nachricht über seine Erkrankung, fassten sich aber schnell. "Er wird sich erholen, kein Zweifel", sagte Agustin Lopez, Kellner eines beliebten Touristen-Cafés. "Es gibt hier wirklich gute Ärzte, und er ist extrem stark." "Wir sind wirklich traurig und ganz schön erschrocken", sagte Ines César, eine 58-jährige Rentnerin. Sie diskutierte mit Nachbarn über die Lage. "Wir sind aber auch alle zugleich gelassen: Ich denke, er wird wieder gesund."

Alter fordert Tribut

In den vergangenen fünf Jahren haben sich Zwischenfälle gehäuft, die auf eine schwächer werdende Gesundheit Castros deuten. Am 23. Juni 2001 verlor er bei einer Rede in sengender Sonne kurz das Bewusstsein. Am 20. Oktober 2004 brach er sich die Kniescheibe und den Arm, als er bei einer Rede stürzte. Danach kamen Gerüchte auf, er sei an der Schüttellähmung Parkinson erkrankt. Dazu sagte er im November 2005: "Sie haben so oft versucht, mich umzubringen." Er fühle sich "besser denn je", werde sich aber nicht an die Macht klammern. Wenn er sich gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage fühle, das Land zu führen, werde er die Partei bitten, einen anderen Führer zu benennen.

Bruder Raul - Mann der zweiten Reihe

Raul Castro gilt als weniger charismatisch, dafür aber erheblich radikaler als sein fünf Jahre älterer Bruder. Und seit Fidel Castros Amtsantritt vor 47 Jahren ist der nunmehr 75-Jährige der vom Staats- und Parteichef persönlich erkorene Nachfolger.

Die Übertragung der Macht ist von der Verfassung gedeckt: Als erster Vizepräsident des Staatsrats übernimmt Raul Castro für den Fall von "Abwesenheit, Krankheit oder Tod" die Amtsgeschäfte des Staatschefs. Seit 1959 steht er hinter seinem Bruder in der zweiten Reihe, gilt aber als einflussreich. Bei seiner Ernennung zu seinem Stellvertreter sagte Fidel Castro drei Wochen nach dem Sieg der Revolution am 1. Januar 1959: "Hinter mir sind andere, die radikaler sind als ich." (mas)