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Nur wenig Kritik am Femen-Urteil

Lewis Gropp13. Juni 2013

Europaweit kritisieren Frauen- und Menschenrechtsgruppen die Verurteilung von 'Femen'-Aktivistinnen in Tunesien. Auch die deutsche Politik zeigt sich besorgt, hält sich jedoch mit Fundamentalkritik zurück.

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Zwei der drei Femen-Aktivistinnen beim Protest vor dem Justizpalast in Tunis (Foto: dpa)
Schriller Protest: Femen-Aktivistinnen protestieren vor dem Justizpalast in TunisBild: picture-alliance/dpa

Die Bundesregierung begleitet die Entwicklung im Mutterland des Arabischen Frühlings mit großem Interesse und Engagement. Die Proteste in dem Land hatten 2011 den symbolträchtigen Anstoß für Demokratiebewegungen in mehreren arabischen Ländern gegeben. Berlin fördert die Bildung rechtsstaatlicher Strukturen in Tunesien im Rahmen einer "Transformationspartnerschaft", die mehr als 100 Projekte umfasst. Im vergangenen Jahr summierte sich die deutsche Unterstützung laut Auswärtigem Amt auf 267 Millionen Euro.

Die Aufregung um eine deutsche Femen-Aktivistin, die zusammen mit zwei französischen Mitstreiterinnen am Mittwoch (12.06.2013) in Tunis zu vier Monaten Haft verurteilt worden war, kommt der Bundesregierung deswegen ungelegen. Die drei Frauen hatten vor dem Justizpalast in Tunis die Brüste entblößt und lautstark gegen die Inhaftierung einer tunesischen Aktivistin demonstriert. Dies wurde vom Gericht als "unsittliches Verhalten" gewertet.

Jetzt muss Berlin diplomatisch intervenieren und die schrille, Publicity-wirksame Aktion der Femen-Aktivistinnen verteidigen – dabei würde man sich lieber auf den Aufbau demokratischer Strukturen im Land konzentrieren.

Indirekte Kritik an der Art des Protestes

Porträt von Markus Löning (Foto: dpa)
Markus Löning: "Verschiedene Formen des Protestes müssen möglich sein."Bild: picture-alliance/dpa

"Man kann immer darüber diskutieren, ob das die richtige Form des Protestes ist", erklärt beispielsweise Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, im Gespräch mit der DW.

Ähnlich zerknirscht zeigt sich Günter Nooke, Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin im Entwicklungsministerium. "Wir finden das nicht gut, was dort geschieht", so Nooke im Interview mit der DW. "Aber man muss natürlich auch fragen, ob dies die einzige Möglichkeit ist, um auf Missstände in Tunesien aufmerksam zu machen."

Gleichwohl verwiesen Nooke wie Löning auf das Recht auf freie Meinungsäußerung und betonten, dass sie die Strafe für nicht angemessen halten. "Verschiedene Formen des Protestes müssen in einer offenen und freien Gesellschaft möglich sein", so Löning. "Gerade vielleicht auch die Formen, die einem selber nicht gefallen."

Die Urteile der tunesischen Justiz gegen die drei Femen-Aktivistinnen hatten europaweit für Proteste gesorgt, insbesondere von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen. Auch Frankreich hatte sich beeilt, die Verurteilung zu kritisieren. Sogar Catherine Ashton meldete sich zu Wort. Sie sei "überrascht von der Härte der Urteile", ließ die EU-Außenbeauftragte mitteilen.

Optimistische Einschätzung für Tunesien

Trotz der diplomatischen Zurückhaltung betont Günter Nooke, dass man sich in Berlin ausreichend für die in Tunesien verurteilte Bundesbürgerin engagiere. "Ich finde, wenn die Kanzlerin sich eine Sache zueigen macht und das auf der höchsten Ebene anspricht, dann ist das nicht zu leise."

Porträt von Günter Nooke (Foto: DW)
Günter Nooke: "Wir finden das nicht gut, was dort geschieht."Bild: DW/P. Henriksen

Merkel hatte in der vergangenen Woche beim Besuch von Tunesiens Regierungschef Ali Larayedh in Berlin den Prozess gegen die Femen-Aktivistinnen thematisiert. Das müsse man auch im Verhältnis zu den vielen Missständen in der Region zu werten wissen, die die Kanzlerin nicht thematisiere, so Nooke.

Markus Löning jedenfalls wird den inhaftierten Aktivistinnen in wenigen Tagen in Tunesien einen Besuch abstatten. Seine Reise in das Land war allerdings schon vorab geplant. Löning ist seit April 2010 im Amt und hat Tunesien seither mehrfach bereist. "Tunesien geht einen vielversprechenden Weg", urteilte Löning. Es sei aber auch ein schwieriger Weg. "Und wir wollen da Unterstützung signalisieren." Er sei optimistisch, dass Tunesien für die nordafrikanischen Länder schlussendlich eine fortschrittliche Entwicklung aufzeigen werde.