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Europäische Firmen wollen Chancengleichheit

Hans Spross7. Juni 2016

Unternehmen aus der EU haben es nicht leicht in China: Unfaire Behandlung und Restriktionen, allgemeine Wachstumsschwäche - Pessimismus macht sich breit. Die meisten würden gerne mehr tun, wenn sie dürften.

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China Baustelle Hochhäuser, Kräne (Foto: picture-alliance/dpa/D.Fei)
Bild: picture-alliance/dpa/D.Fei

Für die in China tätigen Unternehmen aus der Europäischen Union ist das "Glas halb voll, wenn sie in den Rückspiegel schauen; und halb leer, wenn sie nach vorne blicken." So fasst Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China, gegenüber der DW das Ergebnis des jüngsten Stimmungsbarometers zusammen. Der von der Kammer gemeinsam mit der Unternehmensberatung Roland Berger erstellte Bericht ("Business Confidence Survey 2016") basiert auf den Antworten von 506 in China operierenden Unternehmen aus der EU, was einer Beteiligung von knapp 40 Prozent entspricht.

Jörg Wuttke in Peking (Foto: picture-alliance/dpa/H.W. Young)
Jörg Wuttke: "Das sogenannte 'level playing field' findet man vor allem in Reden"Bild: picture-alliance/dpa/H.W. Young

Die Veröffentlichung hält sich mit kritischen Aussagen nicht zurück. Zwar wird eingeräumt, dass die chinesische Wachstumsschwäche ausländische genauso wie einheimische Unternehmen trifft. Aber die europäischen Unternehmen hätten mehr zu leiden. Der Grund: "Ein zunehmend feindseliges Geschäftsumfeld sowie unverändert unfaire Rahmenbedingungen zugunsten einheimischer Unternehmen." Deutliche Worte, die aber laut Wuttke in Peking Gehör finden: "Wir werden durchaus zu Rate gezogen, vor allem von den Reformkräften innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas." Konkrete Ergebnisse lassen dennoch auf sich warten, alle seien "etwas ermüdet von all den Reformreden, die nur in geringem Umfang umgesetzt werden.

Infografik Wachstumsaussichten Business in China Deutsch

Weitermachen trotz pessimistischer Grundstimmung

Trotz der von den befragten Unternehmen konstatierten pessimistischen Zukunftseinschätzungen - zumindest, was die nächsten zwei Jahre betrifft - wollen die meisten am China-Geschäft weiter partizipieren, wie Jörg Wuttke sagt: "55 Prozent der Befragten sagen: 'Wenn wir mehr machen dürften, würden wir auch mehr investieren.'"

Investitionen aus der EU seien im vergangenen Jahr um neun Prozent auf unter zehn Milliarden Euro zurückgegangen, "während sich die chinesischen Investitionen in der EU verdoppelt und verdreifacht haben", sagt der Interessenvertreter der EU-Wirtschaft. Die Restriktionen - Stichwort "level playing field", also gleiche Bedingungen für alle Teilnehmer - würden zwar immer wieder angesprochen, "aber es tut sich nichts."

Wuttke nennt als Beispiel die Bauwirtschaft, wo die Europäer "wegen des regulativen Umfelds keinen Fußbreit hereinbekommen haben." Und er führt weitere Beispiele an: "Bei Automobilen gibt es die 50-Prozent-Zwangsjacke. Wir dürfen bei den Banken nur in ganz kleinen Nischen mitspielen. Bei Versicherungen sind wir auch ganz dünn aufgestellt. Im Dienstleistungsbereich gib es eine Beschränkung nach der anderen. Das sind Gebiete, auf denen wir im Zuge der Neuausrichtung der chinesischen Wirtschaft die zukünftige Musik erwarten.

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Chinesische Wettbewerber stärker geworden

Laut Wuttke muss man bei der generell schlechteren Beurteilung des Geschäftsumfelds durch EU-Unternehmen differenzieren: "Wir haben bei den großen Firmen sehr viel pessimistischere Aussagen als bei den Mittelständlern oder Kleinstunternehmen. Auch gibt es bei den Firmen, die schon lange in China sind, mehr Pessimismus als bei denjenigen, die weniger als fünf Jahre dabei sind."

Der Grund sei, dass die multinationalen Konzerne aus der ersten Generation, als China sich zur "Fabrik der Welt" entwickelt habe, jetzt den Abschwung spürten. Außerdem hätten gerade die großen Firmen auch chinesische Konkurrenz herangezogen, was bei den kleineren und jüngeren Teilnehmern noch nicht der Fall sei, etwa im Einzelhandel, Gastgewerbe und in der Umwelttechnologie. Im Gegensatz dazu haben es die großen Eurostoxx- und Dax-Unternehmen laut Wuttke zunehmend schwer: Im regenerativen, auch nuklearen Energiesektor sowie bei Hochgeschwindigkeitszügen seien die Chinesen "Weltmeister" geworden.

Wuttke nennt auch den Autohersteller "Great Wall Motors", "wo es praktisch gar keine Konkurrenzsituation gibt. Da haben die Chinesen die besseren Geländewagen gebaut. Die Europäer mussten erst mal aus dem Tiefschlaf aufwachen und erkennen, dass das eines der wichtigsten Segmente im Automobilbau ist."

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Priorität für Marktzugang

Dass die Vorstellung von einem "Goldenen Zeitalter" im China-Geschäft verblasst, mag nur die realistische Einschätzung der "neuen Normalität" bedeuten, mit der Chinas Führung das verlangsamte Wachstum im Lande bezeichnet, und insofern ein gesundes Zeichen sein. Gar nicht gesund ist aber die zunehmend als Hindernis empfundene Kontrolle über das Internet. Im Report der EU-Kammer, der am Dienstag in Peking vorgestellt wurde, heißt es: "Anstatt alle Vorteile auszunutzen, die sich aus einer vollständigen Vernetzung ergeben würden, verschließt China seine virtuellen Türen."

Aber am stärksten beschäftigt die EU-Handelskammer, die kein EU-Organ, sondern ein von der EU und von der Pekinger Regierung anerkannter Interessenverband ist, der gleichberechtigte Marktzugang für EU-Investoren, wie ihr Präsident Jörg Wuttke deutlich macht: "Es ist ein völlig ungleiches Spiel. Chinas Staatsbank 'Industrial and Commercial Bank of China' (ICBC) zum Beispiel kann mehrere Filialen in Europa innerhalb von ein paar Tagen eröffnen. Umgekehrt sieht das ganz anders aus. Wir stehen hier in China immer noch vor der großen Mauer. Die chinesische Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) legt uns einen Investitionskatalog vor, der uns sagt, wo wir mitspielen dürfen und wo nicht und wo nur teilweise. In Europa gibt es natürlich nichts Vergleichbares. Dort können chinesische Investoren Weingüter, Häfen, Flughäfen usw. problemlos kaufen. Aber in China spielen wir Fußball und der Schiedsrichter hat das Trikot der Gegenmannschaft an.“

Wuttke setzt die Hoffnung auf den baldigen Abschluss eines Investitionsabkommens zwischen China und der EU, vielleicht schon Anfang 2017. "Dann könnte man sagen, in den nächsten drei bis fünf Jahren passiert in dem Sektor das, in dem anderen Sektor passiert jenes, um aus der wolkigen chinesischen Rhetorik herauszukommen, die uns Chancengleichheit immer nur verspricht. Wir brauchen so etwas wie den WTO-Beitritt Chinas 2001, auf einem ganz anderen Niveau natürlich, so dass wir merken: Das ist nun endlich der Fahrplan für Reformen."