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Es ist nicht alles "grün" was glänzt

Sybille Golte4. April 2004

Vor etwa drei Jahren beantragten ausländische Computer-Experten die ersten "Greencards" in Deutschland. Die Deutsche Welle sprach nun mit dem ersten Greencard-Besitzer - und hörte von Glück und Enttäuschung.

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Computerspezialist mit begrenzter ArbeitserlaubnisBild: AP

August 2001 - großer Bahnhof für Harianto Wijaya: Der 25-jährige indonesische Informatiker wird der erste Greencard-Besitzer in Deutschland. Kameras klicken, Politiker lächeln und schütteln Hände. Der zuständige Arbeitsminister Walter Riester und der damalige Chef der Bundesanstalt für Arbeit Bernhard Jagoda lassen es sich nicht nehmen, den jungen Informatiker, der auch in Deutschland studiert hat, persönlich zu beglückwünschen. "Ich fühle mich total glücklich", meint Harianto Wijaya und auf den ersten Blick sieht es auch so aus, als habe er mit der Greencard viel Glück gehabt.

Eigentlich war es Bundeskanzler Gerhard Schröder, der im Februar 2000 den Stein für das Greencard-Projekt ins Rollen brachte. Zu diesem Zeitpunkt rechnete er noch mit 70.000 neuen Arbeitsplätzen in der boomenden Computer-Branche, ein Bedarf, den der deutsche Arbeitsmarkt nicht decken konnte. 20.000 sollten im Ausland angeworben werden. Vor allem in Asien, in den expandierenden Software-Metropolen wie Bangalore in Indien, wollte man mit der Greencard begehrte Arbeitskräfte ins ferne Deutschland locken: "Die Chance ihres Lebens" - so der Titel der Kampagne im Internet

IT-Flaute trifft hart

Die ersten Bewerberzahlen sind jedoch im überschaubaren Bereich geblieben. In den ersten knapp drei Jahren nach Beginn des Projekts kamen rund 15.000 IT-Spezialisten mit der Greencard nach Deutschland. Die anfängliche Euphorie verflog schnell. Der Branche geht es schlecht - das trifft auch die Greencard-Besitzer - viele der angeworbenen Fachleute wurden arbeitslos, in der Großstadt München beispielsweise jeder siebte Greencard-Besitzer.

Ohne Arbeitsplatz keine Aufenthaltserlaubnis - das ist die deprimierende Erfahrung, die dann folgte. Die Aufenthaltserlaubnis: ein Problem, das jetzt in anderer Form auch im Fall von Harianto Wijaya aufgetreten ist. Wijaya hat seinen Job nicht verloren, sein Arbeitgeber - ein kleines Software-Unternehmen - hat sich am Markt behauptet, nicht zuletzt dank seiner Mitarbeit. Aber seine Greencard ist - wie alle anderen auch - auf fünf Jahre begrenzt. Dann heißt es Koffer packen - auch wenn man noch so erfolgreich ist.

Ärgerliches Zeitlimit

Harianto Wijaya hat nebenher sogar noch seinen Doktortitel erworben. Eingebracht hat ihm das wenig, wie er jetzt resigniert feststellt: "Man bekommt fünf Jahre, man arbeitet in einer Hochtechnologiebranche - allein für die Forschung reicht diese 5-Jahre-Zeit nicht, wenn man dann noch an die Entwicklung denkt. Wenn diese Leute so wie ich drei Jahre in der Forschung arbeiten und dann eines Tages stellen sie fest, ich muss Deutschland verlassen. Das tut ein bisschen weh."

Fünf Jahre und keinen Tag länger - das war eigentlich so nicht geplant. Denn bereits im Jahr 2001 hat die rot-grüne Bundesregierung ein Zuwanderungsgesetz verabschiedet, das die aus der Bevölkerungsentwicklung absehbaren Probleme lösen soll. Der ursprüngliche Entwurf scheiterte allerdings bis auf den heutigen Tag am Parteienstreit und an parlamentarischen Hürden. Zwar sind sich inzwischen alle Parteien einig, dass Deutschland auf geregelte Zuwanderung nicht verzichten kann - aber die Bedingungen sind weiter umstritten.

Ab in die USA

Auch wenn es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Einigung kommen sollte: Für Harianto Wijaya kommt sie in jedem Fall zu spät. Er sitzt auf gepackten Koffern und plant einen neuen Greencard-Antrag - unbefristet in den Vereinigten Staaten. "Ich werde lachen, weil ich in Deutschland studiert habe und es bis zum Doktor geschafft habe und meine Eltern sind stolz auf mich", sagt er. "Ich habe auch diese deutsche work-experience (Berufserfahrung), also mit dieser deutschen work-experience kann ich einfacher Jobs in den USA finden. Die Amerikaner respektieren auch Deutschland. Also weinen werde ich nicht. Aber sehr enttäuscht bin ich schon, ja!"

Harianto Wijayas Greencard-Antrag ist mittlerweile ein historisches Dokument und wird im Haus der Geschichte in Bonn ausgestellt. Ein Symbol verpasster Chancen für alle Beteiligten.