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Es darf auch schmerzhaft sein

Elena Griepentrog12. April 2006

Fasten und die Hinwendung zum Leiden gehört zur vor-österlichen Zeit. Auch in anderen Religionen spielt Schmerz eine wichtige Rolle - zum Beispiel im Hinduismus. Wo liegen Parallelen, wo Unterschiede?

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Teilnehmerin eines Fastenkurses im Benediktinerklosters in SiegburgBild: picture-alliance/dpa

Gläubige Hindus haben ein mitunter entspanntes Verhältnis zum Schmerz - sie akzeptieren ihn als die Folge ihrer Taten. Denn in der hinduistischen Lehre hat der Mensch selbst Schuld am Leiden. Sein Leiden bedeute, dass er selbst irgendwann jemand anders Leiden zugefügt hat. Er habe ein "schlechtes Karma". Für Hinduisten gebe es mehrere Möglichkeiten, das Karma zu verbessern. Sie könnten das schlechte Karma aufheben, wenn sie durch Leiden hindurch gehen oder es sogar freiwillig suchen, erklärt der hinduistische Priester Siva Sri Bijasrajasegere Gurukal.

Über Schmerz zum Glück

Schmerz im Hinduismus
Ein gläubiger Hindu lässt sich an einem hölzernen Gerüst befestigenBild: picture-alliance/dpa

Jeder hinduistische Tempel feiert einmal im Jahr ein spezielles Fest, zu Ehren ihres Tempel-Gottes. Der klassische Zeitpunkt für ein Schmerzritual. Jeder, der den Drang verspürt, kann teilnehmen. Die Gläubigen tragen dabei eine Statue des Tempelhauptgottes durch die Straßen. Manche schleppen ein eigenes schweres Holzgestell auf den Schultern, eingeklemmt im Genick, und tanzen damit stundenlang. Einige haben sich am Rücken zusätzlich noch Eisenhaken mit Schnüren dran unter die Haut schieben lassen. Besonders auffällig sind die Metallstäbe, die manchen Teilnehmern einmal quer durch beide Wangen gebohrt sind. Erstaunlicher Weise fließt kein Blut, die Ekstase verhindert das Schmerzempfinden.

Nach der Zeremonie fühlen sich die Teilnehmer erleichtert und befreit. Viele sprechen von einem tiefen inneren Frieden, so wie Sinniah Sivaganasundaram, Sekretär im hinduistischen Tempel von Berlin. "Wenn wir von dem schlechten Karma befreit sind, dann kommt unser gutes Karma zum Vorschein. Und dieses gute Karma macht uns fröhlicher, hilfsbereiter, nützlicher für die Gesellschaft. Wir sind glücklicher und wir machen andere glücklich. Das ist unser Ziel."

Inneres Gespaltensein überwinden

Auch viele Christen versuchen, in der Fastenzeit durch freiwilliges Entbehren bessere Menschen zu werden. Der Hunger kann durchaus weh tun, löst aber dafür ein anderes Leiden vieler gläubiger Menschen: eine innere Gespaltenheit, wie es der Theologe Michael Bongardt nennt. "Dass sie auf der einen Seite Ideale und Vorstellungen haben, die sie gerne verwirklichen würden und auf der anderen Seite erleben, dass ihnen körperliche Bedürfnisse, Triebe und alles Mögliche regelmäßig einen Strich durch die Rechnung machen." Das Fasten sei eigentlich eine Übung, in der man durch Einübung, Gewohnheit oder eine gewisse Strenge mit sich selbst erfahren könne, dass man dieser Spannung nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern der eigene Wille etwas erreichen kann.

Der Jesus-Schmerz

Christliches Fasten und Buße dient der inneren Reinigung und Neuordnung auf Gott hin. Manchmal geht dies nur um den Preis von Schmerzen. Im Christentum stehe das Leiden allerdings nicht isoliert, sagt Bongardt. Vielmehr sei der Gedanke zentral, den eigenen Schmerz als Verbindung zu den Schmerzen Jesu zu sehen.

Hindus suchen freiwillig den Schmerz, um sich von einem schlechten Karma zu befreien, für sie ist körperlicher Schmerz etwas ganz Selbstverständliches. Christen dagegen lernen in der Fastenzeit, Schmerzen, die im Leben ohnehin auftreten, anzunehmen. Den Schmerz allerdings um des Schmerzens willen zu suchen - das war in der Geschichte des Christentums trotz mancher Irrlichter immer verpönt oder sogar verboten.