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Erster Besuch eines russischen Präsidenten nach acht Jahren in Polen

15. Januar 2002

- Aleksander Kwasniewski: Putins Besuch könnte in den Beziehungen eine Wende bringen

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Warschau, 15.1.2002, PAP, poln.

Präsident Aleksander Kwasniewski hat in einem Interview für die polnische Nachrichtenagentur PAP erklärt, der Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin könnte in den gemeinsamen Beziehungen eine Wende herbeiführen. Gleichwohl gab er zu, dass es in den Kontakten beider Länder viele schwierige Fragen gibt.

Nach Ansicht des Präsidenten bedeutet die neue internationale Position Russlands nach dem 11. September nicht, dass es seine imperiale Machtstellung ausbauen will. Der Präsident unterstreicht auch die Bedeutung der guten Zusammenarbeit zwischen der NATO und Russland, aber ohne Vetorecht in inneren Bündnisfragen, darunter in der Erweiterungsfrage. In Putin sieht Kwasniewski einen "konkreten, sympathischen, bescheidenen Partner".

Russlands Präsident beginnt am Mittwoch (16.1.) mit dem offiziellen Programm seines Polen-Besuchs.

(PAP) Mit Putin kommt ein russischer Präsident erstmals nach acht Jahren wieder nach Polen. Welche Erwartungen knüpfen Sie an diesen Besuch?

(Kwasniewski) Allein die Tatsache, dass acht Jahre lang kein russischer Präsident in Polen war und ich das letzte Mal 1996 zu einem offiziellen Besuch in Russland geweilt habe, macht den Besuch von Präsident Putin in unserem Land bedeutsam. Er zeigt, dass es keine Routine ist, dass es ein Besuch neuer Qualität ist, ja vielleicht eine Wende. Die Ergebnisse werden das zeigen. Es ist mit Sicherheit ein Ereignis.

Von dem Besuch erwarten wir, dass Polen und Russland in der neuen Situation, in der sich die Welt jetzt befindet, eine sehr effektive Zusammenarbeit aufnehmen können. Dass der politische Dialog sich so gestaltet, wie er sich in der heutigen Welt gestalten sollte, das heißt, dass es ein dauerhafter Dialog wird, der nicht übermäßig vom Protokoll belastet wird, der jederzeit direkte Kontakte ermöglicht. Es ist uns sehr daran gelegen, dass dieser Besuch uns Möglichkeiten für den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eröffnet. Dazu soll der Aufenthalt von Präsident Putin in Posen beitragen. Wir wollen unsere russischen Partner zum Handel mit Polen anregen, sie dazu bewegen, polnischen Unternehmern und Investoren mehr Möglichkeiten zu bieten.

Dieser Besuch ist auch eine gute Gelegenheit, um eine gute Atmosphäre zu schaffen, nicht nur in den Kontakten zwischen den Präsidenten und den Machtorganen, sondern auch, um in der Öffentlichkeit in all die Dinge ein wenig Wärme hineinzubringen, die in den letzten Jahren nicht gerade schön waren.

Wir sind Nachbarn, Länder, die seit Jahrhunderten historisch miteinander verbunden sind, und ich glaube, durch diesen Besuch können wir gutnachbarliche Kontakte im tatsächlichen Sinne des Begriffes aufbauen. Hin und wieder wird der Begriff "gute Nachbarschaft" als Ersatzschlüssel angesehen, aber im Falle der polnisch-russischen Beziehungen hat gute Nachbarschaft tatsächlich eine ungewöhnliche Bedeutung. Sie bedeutet: die Vergangenheit nicht vergessen, nicht vergessen, was gut war, nicht vergessen, was schlecht war und solche Beziehungen für das Heute aufbauen, dass wir mit ganzer Überzeugung sagen können, dass Polen und Russland einander freundschaftlich gesinnt sind, dass sie auch gemeinsam Geschäfte machen können.

(PAP) Wo sehen Sie die größten Schwierigkeiten in den polnisch-russischen Beziehungen?

(Kwasniewski) Alles ist schwierig, schwierig, weil die Beziehungen geschichtlich belastet sind und jede der Seiten ihre Wunden hat. Es gibt Menschen, die Sibirien erlebt haben, die Angehörige in Katyn verloren haben, für die es nicht einfach ist, dieses Kapitel abzuschließen. Und dafür haben wir Verständnis. Die Russen denken an ihre Opfer, an Menschen, die gegen die Deutschen gekämpft haben, hier in Polen, in der Überzeugung, um die Unabhängigkeit Polens zu kämpfen. Es gibt ein ganzes Geflecht historischer Ereignisse, das nicht einfach ist.

Wir haben zur Zeit Probleme, die in politischer Hinsicht nicht einfach sind. Russland definiert seine Position in der internationalen Gemeinschaft neu. Nach dem 11. September kommt das deutlich zum Ausdruck. Polen hat seine Position bereits festgelegt - sie steht in Zusammenhang mit der Europäischen Union, der NATO und hat möglichst gute Kontakte mit den östlichen Nachbarn, darunter mit Russland, zum Ziel. Unsere Staaten, die neue Konzepte der internationalen und der regionalen Politik entwickeln, hegen noch verschiedene Zweifel. Und genau diese Zweifel werden durch die Gespräche zerstreut werden.

Die wirtschaftlichen Beziehungen sind in einem Zustand, der weder Russland noch uns zufrieden stellen kann. Obwohl der gemeinsame Handelsaustausch zugenommen hat, so gestaltet er sich für Polen doch sehr ungünstig. Um das zu ändern, darüber soll nicht nur geredet werden, sondern es müssen auch Taten folgen. Das erfordert eine breitere Marktöffnung, insbesondere für polnische Unternehmen.

Ein weiteres Problem: Die Russen überlegen ständig, was Polens EU-Mitgliedschaft bedeuten wird, ob es bedeuten wird, dass wir die Kontakte zu Russland einschränken. Diese Befürchtung bringen übrigens auch die Ukrainer und die Weißrussen zum Ausdruck.

Es muss ihnen also zur Antwort gegeben werden, dass unser EU-Beitritt nicht bedeutet, das wir unseren Partnern im Osten den Rücken kehren, dass wir bemüht sein werden, eine Politik zu betreiben, die in beiden Richtungen sehr offen ist - in Richtung Europäische Union und im Verhältnis zu unseren Partnern im Osten.

Eigentlich gibt es kein einziges Thema bei diesen Gesprächen, das einfach ist. Es wird sogar schwierig sein, über Fußball zu sprechen, denn sowohl Russland als auch Polen werden an der Weltmeisterschaft teilnehmen, es ist also durchaus möglich, dass wir uns in irgendeiner Runde treffen...

(PAP) (...) Anatolij Rachlin, Putins Judo-Trainer, sagte über Putin: "Er zeigte nie Angst, war immer der Angreifer, hatte keine Angst zu verlieren, war mutig, ging mutig in den Kampf, die Begriffe 'aufgeben', 'verlieren' sind im fremd." Was für ein Partner ist Putin?

(Kwasniewski) Was Judo anbelangt, so kann ich dazu nichts sagen. Einen Kampf auf der Matte zwischen mir und Putin hat es nie gegeben. Ich kann mit ihm Tennis spielen, kann mit ihm Ski laufen, aber ich werde sicherlich nicht Judo mit ihm machen, denn er kennt diese Sportart, ich dagegen war Leichtathlet. Was jedoch Putin als Partner anbelangt, so lässt sich aus meinen Gesprächen mit ihm - und deren hat es bereits einige gegeben - schließen, dass er ein sehr konkreter, sympathischer, bescheidener Partner ist, was natürlich immer sehr angenehm ist, insbesondere wenn es um Präsidenten großer Staaten geht. Er ist auf die Gespräche sehr gut vorbereitet, sehr konkret und, ich möchte sagen, sehr direkt. Es ist aber eine andere Direktheit. Es ist keine mitteilsame Direktheit, die für Slawen typisch ist, sondern sie hält sich in einem gewissen Rahmen. Er hält die notwendige Distanz, obwohl die Gespräche offen und sehr ehrlich sind - schließlich sind wir eine Generation. Der Altersunterschied zwischen uns beträgt nur zwei Jahre. (TS)