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Einheitscreme oder Extrawurst?

6. August 2002

Jedes Jahr gehen 120 Millionen blaue Nivea-Dosen über die Ladentische der Welt. Zwei Vertreter des Beiersdorf-Konzerns, der die Dosen verkauft, erklären, was Globalisierung für den Creme-Fabrikanten aus Hamburg bedeutet.

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Was ist unter dem berühmten blauen Deckel?
Die Artikel entstand Kooperation mit www.fluter.de
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Globale Verkaufsstrategien, Synergien und regionale Vorlieben von Kunden - das sind die Themen, zu denen Professor Klaus-Peter Nebel, der Konzernsprecher von Beiersdorf, und Dr. Michael Meyberg vom Qualitäts- und Produktmanagment Rede und Antwort standen.

Gibt es auf der ganzen Welt die gleiche Nivea?

Nebel: Im Prinzip: Ja. Aus rein ökonomischen Gründen ist dies für uns natürlich das Beste. Die Kosten für Entwicklung, Einkauf der Rohprodukte, Produktion, Marketing und Werbung sind viel geringer, wenn wir die Creme für den weltweiten Markt einheitlich herstellen können.

Ist der Geschmack der Nivea-Kunden weltweit der gleiche?

Nebel: Bei der Hautpflege haben die Kunden weltweit sehr ähnliche Ansprüche und Vorstellungen. Daher richten wir uns bei der Entwicklung und beim Test neuer Produkte nach dem internationalen Geschmack. Aber wir sehen immer wieder, dass es bei solchen globalen Konzepten Grenzen und Überschneidungen gibt - und wir mit einer starren Einheitlichkeit nicht weit kommen würden. In einigen Ländern müssen wir auf regionale Besonderheiten oder tradiertes Verhalten unserer Kunden eingehen, sonst hätten wir nie eine solche Marktpräsenz mit großen Absatzzahlen im Ausland erreicht. Wir wollen Erfolg und keinen Einheitsbrei.

Wo in der Welt gibt es eine "andere" Nivea?

Nebel: Eigentlich sind die Inhaltsstoffe von Nivea überall gleich. Aber in den einzelnen Ländern gibt es ganz andere Zulassungsbedingungen: In den USA dürfen wir keine Ultraviolett-Verfahren zur Konservierung anwenden. In manchen afrikanischen Staaten werden dagegen bestimmte Konservierungsstoffe vorgeschrieben, die wir dann aufwändig dazumischen müssen. Manchmal müssen einzelne Parfüm- oder Konservierungskomponenten erst zugelassen werden. Wenn das nicht funktioniert, müssen wir auf Ersatzstoffe zurückgreifen.

Meyberg: Manchmal gibt es auch feine Geschmacksunterschiede bei den Düften: In Japan etwa sind Nivea-Produkte sehr dezent parfümiert, dagegen ist das Parfüm in Europa und besonders in Südamerika ein wenig kräftiger oder süßer. Da wir nicht alle Produkte aus Deutschland importieren, gibt es in manchen Ländern kleine Produktionsunterschiede. In ärmeren Ländern handeln wir ähnlich: Wenn dort bestimmte Stoffe zu teuer sind und dadurch die Creme teurer werden würde, suchen wir nach preiswerteren Alternativen.

Gibt es auch Nivea-Produkte, die nur speziell für ein Land hergestellt wurden?

Meyberg: In Mexiko gibt es eine Besonderheit, da dort Hautcremes traditionell in Gläsern angeboten werden. Mittlerweile kann man dort auf allen Wochenmärkten unsere blauen Gefäße mit Wechselgeld, Stiften oder Briefmarken entdecken. Ein anderes Beispiel sind hautaufhellende Mittel für asiatische Märkte, die in Europa kaum Käufer fänden.

Ist die Werbung überall die gleiche?

Nebel: Die Werbung ist - egal wo auf der Welt - als Nivea-Anzeige zu erkennen und überall gleich. Nur die Sprache ist national. Die zentralen Slogans werden nicht einfach übersetzt, sondern vor Ort umgangssprachlich und frei umgesetzt. Die weltweite Kernbotschaft unserer Werbung lautet: Pflege, Natürlichkeit und soziale Kompetenz. Wir zeigen Körper, denn dort soll die Pflege wirken, und Familien als Nutzer unserer Creme. Eines der Haupterkennungsmerkmale unserer Bilder ist die blaue Farbgestaltung, aber auch die Stellung des Produktes und des Models im Bild.

Können Sie ihre Werbebotschaft weltweit mit denselben Bildern vermitteln?

Nebel: Nein, nicht immer. Besonders in den islamischen Staaten zeigen wir natürlich keine nackte oder auch nur leichtbekleidete Frau. Dort hält eine bekleidete Frau die Dose in der Hand. Auch beim Familien-Begriff haben manche Ländern ganz andere Bilder im Kopf. So gibt es etwa in manchen arabischen Ländern neben der Monoehe auch die Vielehe. Oder in Indien, da besteht das Bild einer glücklichen Familien aus sehr vielen Kindern. Doch diese regionalen Vorstellungen werden eher von bestimmten Schichten getragen - die zumeist nicht zu unserer Käuferschicht gehören.

Also nimmt nur eine bestimmt Käuferschicht an der Globalisierung teil?

Nebel: In Deutschland bieten wir ein relativ preiswertes Produkt an, mit dem wir eine breite Einkommensschicht erreichen. Auf dem weltweiten Markt ist unser Produkt jedoch - gemessen am örtlichen Markt - oft teurer. In Indien etwa richtet sich unsere Werbung eher an die Mittelschicht - die in ihrer Lebensart mehr dem westlichen Typus entspricht. Das sind dann immer noch 150 Millionen potenzielle Käufer. Man muss ganz klar erkennen, wer in einem Land überhaupt in der Lage ist, unsere Ware zu kaufen. Die Menschen in den Slums von Bombay haben mit Sicherheit elementarere Bedürfnisse.

Wie gehen die Käufer mit weltweiten Marken um?

Nebel: Viele Menschen wissen gar nicht, dass ein Produkt aus dem Ausland kommt und weltweit vertrieben wird. In Polen, Italien oder Mexiko gehen viele Käufer davon aus, dass Nivea eine nationale Marke sei. Für unseren Konzern ist das natürlich ein großer Erfolg. Es bestätigt unser globales Konzept und die gute sprachliche Übersetzung.
Diese nationale Positionierung ist aber auch ein Teil der Firmenphilosophie: weltweit arbeiten wir in internationalen Teams. Schicken wir Manager von einem in das andere Land, so wird es gerne gesehen, wenn sie Kurse in der jeweilige Landessprache machen. Nur wer das Land und die Leute versteht, kann den nationalen Markt kennenlernen und die richtige Strategie finden.

Das Gespräch führte Pamela Brandt für www.fluter.de.