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"So bedeutend wie die Aufklärung"

1. August 2002

Der Unternehmer und Industrielle Hans-Olaf Henkel hält nicht viel von Globalisierungskritik. Im Gespräch mit DW-WORLD erläuterte er, welche großartigen Chancen die Globalisierung den Menschen weltweit bietet.

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Globalisierungs-Euphoriker Hans-Olaf HenkelBild: AP

Professor Dr. Hans-Olaf Henkel war bis 2000 Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Als Wirtschaftsvertreter hat er sich immer wieder an wirtschaftspolitischen und gesellschaftlichen Diskussionen beteiligt und die Bedeutung der Globalisierung für die Politik und Wirtschaft unterstrichen.

Der "Globalisierungs-Euphoriker" Henkel sitzt in mehreren Aufsichtsräten und ist außerdem Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, ein Zusammenschluss von 79 Forschungsinstituten in Deutschland. hat verschiedene Werke veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm "Die Ethik des Erfolges".

Herr Henkel, was bedeutet für Sie Globalisierung?

Für mich ist die Globalisierung nach der Aufklärung und der Erklärung der Menschenrechte die größte gute Nachricht für die Menschheit überhaupt. Globalisierung bedeutet ja nicht nur, dass Waren, Güter und Dienstleistungen um die Welt gehen. Sie beinhaltet vielmehr einen Austausch der besten Ideen.

Welche Chancen und Risiken birgt die Globalisierung?

In der Regel werden die Risiken der Globalisierung überschätzt und es gibt leider massenhaft Bestseller, die die Globalisierung in schwarzen Farben malen. Die Vorteile sind das, was ich als magisches Dreieck bezeichnen würde: Demokratie, Menschenrechte und Soziale Marktwirtschaft. Diese Ideen haben durch die Globalisierung einen wahren Siegeszug um die Welt gefeiert.

Ist die deutsche Wirtschaft für die Globalisierung gerüstet?

Die deutsche Wirtschaft ist als zweitgrößter Exporteur der Welt an die Verhältnisse der Globalisierung durchaus gewöhnt. Neu ist für uns, dass sich immer mehr Länder an der Globalisierung beteiligen wollen und uns damit Konkurrenz machen. Und wenn Deutschland auf diese Konkurrenten nicht eingeht, dann wird es zu einem Globalisierungsverlierer.

Die Globalisierungsgegner kritisieren, dass der Staat an Macht verliert. Welche Aufgabe hat der Staat in Zeiten der Globalisierung?

Jeder Staat muss garantieren, dass die Menschen an der Globalisierung teilhaben und von ihr profitieren können. Wir müssen aber auch verstehen, dass die Wirtschaft nicht nur Nutznießer einer gesellschaftlichen Entwicklung ist, sondern erheblich zu ihr beträgt. Um ein Beispiel zu nennen: Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki hat mir kürzlich versichert, dass es ohne die Präsenz ausländischer Unternehmen heute noch immer die Apartheid in Südafrika geben würde.

Allerdings setzen Unternehmen die Politik ja auch unter Druck und drohen mit dem Abzug von Arbeitsplätzen und der Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland ...

Auf den ersten Blick mag dies so aussehen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Firmen selbst bedroht werden, nämlich von Konsumenten. Und wir erleben immer wieder, dass der Konsument letztendlich über große Bereiche der Unternehmenspolitik entscheidet. Signalisiert der Konsument etwa, dass er in Deutschland hergestellte Waren nicht mehr kauft, weil sie ihm zu teuer sind, dann hat ein Unternehmer nur zwei Handlungsmöglichkeiten: Er kann Politiker auffordern, Rahmenbedingungen zu verbessern oder er geht gleich ins Ausland.

Kritiker sprechen mittlerweile von einem Legitimationsdefizit, wenn Wirtschaftsvertreter die Entscheidungen von Volksvertretern beeinflussen – zu Recht?

Was heißt hier Legitimationsdefizit? Es sind doch gewählte Regierungen, die Gesetze verabschieden, die wiederum jedes Unternehmen zu beachten hat. Das Gerede von einem Legitimationsdefizit ist substanzlos.

Wie erklären Sie sich denn, dass immer mehr Menschen gegen die Globalisierung auf die Straße gehen?

Ich habe mich mit diesen Gruppen in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt und es ist schwer, sie alle über einen Kamm zu scheren. Ich habe immer wieder im Dialog mit vernünftigen und nachdenklichen Menschen erlebt, dass man tatsächlich eine Einigung erzielen kann. Sie stimmen in der Regel mit mir überein, dass die Globalisierung etwas tolles ist, und dass sie der Menschheit hilft.

Die sogenannten Verlierer der Globalisierung, die armen Menschen in Afrika und islamischen Ländern zum Beispiel, nehmen nicht an den Früchten der Globalisierung teil und leiden darunter. Sie leiden nicht unter der Globalisierung als solcher, vielmehr wird Ihnen der Zugang zur Globalisierung durch feudalistische und diktatorische Regime verwehrt.

Ist das nicht eine sehr individuelle und beschönigende Sichtweise?

Nein, wir sollten mit den Globalisierungskritikern Arm in Arm gegen die feudalen Systeme in Afrika, Asien und Lateinamerika demonstrieren. Auf die Amerikaner und die Wirtschaft zu schimpfen, bringt hingegen nichts.

Das Gespräch führte Oliver Schilling für DW-WORLD.