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Eine Schutzhülle für Tschernobyl

28. November 2016

Sechs Jahre lang haben Ingenieure aus der ganzen Welt an einem Luft- und strahlungsdichten Mausoleum für den Sarkophag von Tschernobyl gebaut. Jetzt wird die Hülle dem havarierten Kraftwerksblock übergestülpt.

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Ukraine Sarkophag für Tschernobyl
Bild: picture alliance/dpa/EBRD Photostream

Tschernobyl-Ruine erstrahlt in neuem Kleid

Mehr als 30 Jahre liegt die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl nun zurück. Bei dem Supergau und der darauf folgenden Kernschmelze war das gesamte Reaktorgebäude in sich zusammengebrochen - der Reaktorkern lag offen. Radioaktive Zerfallsprodukte entwichen und verseuchten große Teile der Ukraine, Weißrusslands und Regionen darüber hinaus.

Um die Gefahr einzudämmen, bauten damals Ingenieure in Rekordzeit eine riesige Stahlbetonkonstruktion - einen sogenannten Sarkophag, der den Reaktorblock einschloss und das weitere Austreten von Radioaktivität verhindern sollte. Er ähnelt vom Bauprinzip einem Hochbunker.

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Doch mittlerweile reicht der nicht mehr aus: Regen und Wetter haben der hastig errichteten Mammutkonstruktion zugesetzt: Die Stahl-Armierungen sind zum Teil verrostet und es gibt Löcher im Dach. Baustatiker schließen nicht einmal aus, dass der Sarkophag eines Tages einstürzen könnte.

Eine riesige mobile Halle

Also musste etwas Neues her: Schon wenige Jahre nach dem Bau des ersten Sarkophags war klar, dass ein zweites Bauwerk über dem alten errichtet werden muss. 1997 beschlossen die G7 Staaten die Umsetzung. Mehr als 40 Länder haben sich an der Finanzierung beteiligt. 2010 begannen die Bauarbeiten.

Die neue Hülle sollte deutlich mehr können. Natürlich muss sie verhindern, dass radioaktive Strahlung oder Stoffe in die äußere Umwelt gelangen - wie der alte Sarkophag auch. Aber es wurde auch weiter in die Zukunft gedacht: Daher wurde die Halle so groß dimensioniert, dass in ihrem Inneren Arbeiter mit dem Rückbau des zerstörten Kraftwerks beginnen können. Für die Aufräumarbeiten sind in der neuen Hülle zwei fast 100 Meter lange Brückenkransysteme montiert. Die Kräne rollen auf Schienen am Boden und auf parallel verlaufenden Schienen an der Decke.

"Nichts ist teurer als ein GAU" - Gespräch mit Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag

Die Halle soll ein Jahrhundert lang halten - und das wäre dann auch der Zeitrahmen für den Abriss und die Entsorgung aller radioaktiven Abfälle aus dem zerstörten Kernkraftwerk - drunter auch die Überreste von etwa 150 Tonnen Kernbrennstoff.

Wann allerdings der Rückbau und die Entsorgung des durchgebrannten Reaktorblocks beginnen können, ist heute noch völlig unklar. Derzeit kann die Ukraine eine solche Aufgabe finanziell nicht bewältigen.

Bauwerk der Superlative

Die Schutzhülle gehört zu den größte Traghallen, die je von Menschen gebaut wurden: Mit 108 Meter Höhe überragt sie den bisherigen Rekordhalter - einen riesigen ehemaligen Zeppelin-Hangar in Brand, südlich von Berlin - immerhin noch um einen Meter.

Auch die Spannweite von 257 Metern ist um 47 Meter größer als die bis dahin größte freischwebende Traghalle der Welt, die einst für den nie fertiggestellten CargoLifter gebaut worden war. Nur bei der Länge, muss sich die Schutzhülle von Tschernobyl geschlagen geben. Sie beträgt nur 162 Meter - der Hangar in Brand ist mehr als doppelt so lang.

Dafür hat die Halle an baustatischen Werten einiges zu bieten: Ihre 36.000 Tonnen Stahl halten einem Erdbeben der Stärke 6 ebenso Stand wie einem Tornado der Stufe 3. Alleine das Fundament hat so viel Beton verschlungen wie ein Fünftel des ursprünglichen Sarkophags.

Dabei ist der Kollos noch beweglich gestaltet - auch das ein Superlativ: Denn gebaut wurde er nicht über dem strahlenden Reaktorblock - das wäre für die Arbeiter zu gefährlich gewesen - sondern in sicherem Abstand.

Nun schieben ihn die Ingenieure auf Spezialschienen mithilfe einer mächtigen hydraulischen Anlage und einer Geschwindigkeit von immerhin zehn Stundenkilometern an sein Ziel: Direkt über den alten Sarkophag. Die neue Hülle wird dann feierlich an die Ukraine übergeben.