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Athen: Treffen unter Freunden

Jannis Papadimitriou23. Oktober 2015

Großer Bahnhof für François Hollande in Athen: Frankreichs Präsident wird als bester Freund Griechenlands gefeiert, verfolgt aber nicht zuletzt eigene Interessen. Ob der Besuch der verschuldeten Griechen helfen kann?

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Griechenland Francois Hollande und Alexis Tsipras in Athen
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Das hat es seit Ausbruch der Schuldenkrise in Hellas nicht mehr gegeben: Ein hoher Gast darf vor dem griechischen Parlament sprechen, den Orden der Republik sowie die Ehrendoktorwürde der Universität Athen entgegennehmen und einen gemütlichen Musikabend mit Premier Alexis Tsipras verbringen. Dem französischen Präsidenten François Hollande werden die Ehren zuteil, da ihm Griechenland seinen Verbleib im Euro verdankt- so die offizielle Lesart in Athen.

Grexit kein Thema mehr

Tsipras höchstpersönlich scheint dies zu bestätigen: François habe ihn überzeugt, dass ein schwieriger Kompromiss mit den Geldgebern nötig sei, um die EU zusammenzuhalten und den Teilungsplänen Europas aus extrem konservativen Kreisen eine Absage zu erteilen, sagte der Regierungschef auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Athen. Allerdings seien diese Szenarien nicht vom Tisch, mahnte Tsipras. Frankreichs Präsident vertritt eine leicht differenzierte Auffassung: Wenn alle Seiten sich an ihre Zusagen hielten, sei der Grexit kein Thema mehr.

Verstärkt wird die französisch-freundliche Haltung in Athen durch ein angebliches Protokoll des EU-Griechenland-Gipfels vom 12.Juli, das im britischen "Guradian" veröffentlicht und in griechischen Medien wiedergegeben wurde. Demnach habe Deutschland eine Euro-Auszeit für Hellas ins Spiel gebracht und nur deshalb zurückrudern müssen, weil sich Frankreich und Italien dagegen stemmten. Ob das so stimmt? Gut möglich, meint Journalist Thanassis Kalfas, der lange Zeit als Korrespondent griechischer Medien in Paris gearbeitet hat. "Auch EU-Kommissionspräsident Juncker hat sich für Griechenland eingesetzt, doch beim EU-Gipfel hat Hollande wohl die entscheidende Rolle gespielt", sagt Kalfas im Gespräch mit der DW.

Dem europäischen Interesse untergeordnet

Der Athener Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis zeigt sich dagegen skeptisch: Die traditionell guten Beziehungen zwischen Athen und Paris seien dem europäischen Interesse untergeordnet. Es sei verkehrt, Frankreich gegen Deutschland auszuspielen, da beide Länder in wichtigen europapolitischen Fragen eine gemeinsame Linie verfolgen. Richtig sei allerdings, dass jedes EU-Mitglied außenpolitischen Spielraum habe, sagt der Analyst.

Plädoyer für eine Neuregelung der Schulden

Schon beim gemeinsamen Auftritt mit der Bundeskanzlerin im EU-Parlament Anfang Oktober hatte Hollande überraschend deutlich eine Neuregelung der griechischen Schulden gefordert. Bei seinem Besuch in Athen lieferte der Gast aus Frankreich die erhoffte Zugabe, allerdings an Bedingungen geknüpft: "Wenn Griechenland seine Verpflichtungen erfüllt und die Evaluierung seiner Reformfortschritte zu Ende ist, wird auch eine Debatte über die Umstrukturierung der Schulden geführt", erklärte Hollande auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem griechischen Gastgeber. Im Klartext: Tsipras könne durchaus auf ein Entgegenkommen der Geldgeber hoffen und dadurch ein zentrales Wahlversprechen einlösen; dafür müsse er allerdings erst einmal die insgesamt 48 fest zugesagten Reformmaßnahmen bis Ende 2015 in vollem Umfang umsetzten.

Noch wertvoller sei für Tsipras die politische Anerkennung durch Hollande, der immerhin für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone spreche, meint Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis. "Der Präsident Frankreichs kommt nach Athen und zeigt damit, dass er Tsipras aufwertet, ihn als Gesprächspartner ernst nimmt und auch in Entscheidungen einbinden möchte", erläutert Koussoulis im Gespräch mit der DW. Für Frankreich-Kenner Kalfas sei die Annäherung an Tsipras durchaus im Interesse des Präsidenten: "Der in allen Umfragen zurückliegende Hollande will in Europa Präsenz zeigen, doch er hat keine Alliierten bis auf den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und eventuell eben auch Tsipras. Sonst sind ja überall die Mitte-Rechts-Parteien an der Macht", gibt der Journalist zu bedenken.

Griechenland - Tsipras stellt sich der Vertrauensfrage
Kann jeden Rückenwind gut gebrauchen: Ministerpräsident TsiprasBild: picture-alliance/dpa/A. Vlachos

Gute Geschäfte in Aussicht

Begleitet wurde der Staatspräsident von einer großen Wirtschaftsdelegation. 120 französische Firmen sind bereits in Griechenland tätig und haben dort mehr als 12.000 Jobs geschaffen. In seiner Rede vor dem Athener Parlament appellierte Hollande an seine Landsleute, in Griechenland verstärkt zu investieren. Insbesondere im Gesundheitssektor, bei Infrastrukturprojekten und neuen Technologien könne Frankreich viel mehr beitragen, versicherte Hollande. Ob der präsidiale Rat auch umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls seien die von griechischer Seite erhofften Großinvestitionen der französischen Staatsbahn SNCF in Griechenland eher Wunschdenken als Realität, berichtet die Athener Tageszeitung "Kathimerini".

Vom Hollande-Besuch haben übrigens die meisten Menschen in Hellas wenig mitbekommen, da ausgerechnet am Freitag die Fernsehjournalisten Griechenlands in den Streik zogen. Nur das Staatsfernsehen ERT durfte live übertragen, allerdings ohne Kommentar. Die Protestaktion galt einem neulich ins Parlament eingebrachten Gesetz der Regierung Tsipras, das die Medienlandschaft neu ordnet und insbesondere Steuerprivilegien für Privatsender abschafft. Für Hollande keine neue Erfahrung: Auch bei seinem letzten Besuch in Athen 2013 waren die Journalisten im Streik.