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Mexiko Drogenmafia

Andreas Knobloch26. März 2014

Mexikos Drogenkartelle kontrollieren im Bundesstaat Michoacán weite Teile des Bergbaus. Der Staat versucht dagegen zu halten. Aber auch Bürgerwehren mischen in dem lukrativen Geschäft mit.

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Mexiko: Vermummte Angehörige des Drogenkartels Tempelritter (Foto: ALFREDO ESTRELLA/AFP/Getty Images)
Bild: Alfredo Estrella/AFP/Getty Images

Sechs verhaftete Chinesen sowie rund 120.000 Tonnen Eisenerz und 124 schwere Maschinen beschlagnahmt - das war vor kurzem das Ergebnis einer großangelegten Operation der mexikanischen Behörden in Lázaro Cárdenas, dem im Bundesstaat Michoacán gelegenen zweitgrößten Handelshafen Mexikos, über den ein Großteil des Rohstoffhandels mit Asien abgewickelt wird.

Die sichergestellten Eisenerze machen 44 Prozent der kompletten Eisenerzproduktion rund um Lázaro Cárdenas im laufenden Jahr aus, erklärte Alfredo Castillo Cervantes, von Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto beauftragt, die Sicherheitsstrategie für Michoacán zu überwachen, später auf einer Pressekonferenz.

Organisiertes Verbrechen

Den Wert zusammen mit den Maschinen bezifferte er auf mehr als 15 Millionen US-Dollar. Die Operation sei nur der erste Schritt, um die finanzielle Struktur des organisierten Verbrechens zu brechen, so Castillo. "Wir müssen intelligent sein und die Kartelle dort treffen, wo es ihnen am meisten weh tut."

Denn Mexikos Drogenkartelle haben ihr Geschäftsmodell diversifiziert. In Michoacán mischen die Tempelritter, ein regionales Kartell mit pseudoreligiösem Anstrich, neben dem Kerngeschäft aus Entführung, Erpressung, Mord und Drogenhandel mutmaßlich auch in der Fleischproduktion, im Holzhandel sowie der Immobilienbranche mit. Zu einer der wichtigsten Einnahmequellen in den letzten Jahren aber ist der Bergbau geworden. Michoacán ist nicht nur Limetten- und Avocado-Land, sondern auch der mexikanische Bundesstaat mit den größten Eisenerzvorkommen.

Abbau von Eisenerz in Lazaro Cardenas (Foto: AP)
Abbau von Eisenerz in Lazaro CardenasBild: picture alliance/AP Photo

Illegaler Bergbau

Allein im abgelaufenen Jahr habe das organisierte Verbrechen laut Castillo mit dem illegalen Bergbau mindestens 28 Millionen US-Dollar verdient. Für jede illegal abgebaute Tonne Mineralien würden die Tempelritter von den Minenbetreibern zwischen vier und sieben US-Dollar "Steuern" kassieren; für Transport, Lagerung, Verarbeitung, Legalisierung und Export fielen zusätzliche Kosten an. Das Kartell ist in die komplette Produktionskette vom Abbau bis zur Verschiffung eingedrungen, so Castillo.

Nach Informationen der Regierung reichen die illegalen Bergbautätigkeiten der Kartelle in Lázaro Cárdenos bis in das Jahr 2008 zurück. Immer wieder würden zudem Transporte überfallen und entführt. Die Unsicherheit und Gewalt habe den Unternehmen Mehrkosten von mindestens sechs Prozent beschert, rechnet Alonso Ancira, Präsident der Nationalen Handelskammer für Eisen und Stahl (Canacero), vor. Aufgrund der Sicherheitslage sind einige Minenbetreiber dazu übergegangen, die abgebauten Rohstoffe per Flugzeug abzutransportieren.

Polizeieinsatz gegen die mexikanische Drogenmafia ( Foto: dpa)
Polizeieinsatz gegen die DrogenmafiaBild: picture-alliance/dpa

Minenbesitzer vertrieben

Minenbesitzer würden bedroht und aus ihren Minen vertrieben, die dann zum Teil illegal ausgebeutet werden, erklärte Ancira gegenüber der Tageszeitung "Excelsior". "Stellen Sie sich vor, Sie haben eine weit abgelegene Mine und keine Möglichkeit dorthin zu gelangen, denn die Kartelle kontrollieren die Gebiete. Sie sagen: Hau ab, nimm deine Maschinen mit, wir arbeiten hier. Bis vor kurzem gab es niemanden, an den man sich wenden hätte können, erst so langsam fangen die Behörden wieder an, die Kontrolle zu übernehmen. Wenn Sie ein Gebiet von einer Fläche von 30.000 Hektar besitzen und an einer Stelle arbeiten, nehmen die Kartelle sich eine andere und positionieren sich dort und wenn der Besitzer auftaucht, sagen sie ihm: Verschwinde von hier, ansonsten wirst Du die Jungfrau von Guadalupe besuchen - und das nicht unbedingt in der Basilika."

Die Regierung hat derweil eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet. Sie soll das Ausmaß der Beteiligung des organisierten Verbrechens am Bergbau in Michoacán erkunden. "Wir sind in genau diesem Prozess. Für den Fall, dass wir Unregelmäßigkeiten aufdecken, werden wir diese verfolgen, um die mutmaßlich Verantwortlichen im In- und Ausland aufzuspüren", so Wirtschaftsminister Ildefonso Guajardo.

Chinesischer Markt

Der Boom der illegalen Minen hat die Exporte in nur sechs Jahren fast verdreifacht: von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 2006 auf vier Millionen Tonnen im Jahr 2012. Das sind mehr als ein Viertel der nationalen Produktion. Ein großer Teil davon geht nach China.

Zwar wurden die bei der Operation in Lázaro Cárdenas festgenommenen sechs Chinesen kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne dass ihnen ein Vergehen angelastet wurde. Ihre Verhaftung aber hat Gerüchten neue Nahrung gegeben, wonach chinesische Banden illegal in Michoacán operieren und lukrative Vereinbarungen mit den Kartellen unterhalten. Die mexikanischen Kartelle tauschen das Eisenerz gegen Chemikalien, die sie für die Metamphetamin-Herstellung benötigen und die aus China herangeschafft werden, erklärt Raúl Benítez Manau von der UNAM, der sich mit dem organisierten Verbrechen in Mexiko befasst.

Synthetische Drogen

Michoacán ist nicht nur führender Produzent von Eisenerzen, sondern gilt auch als Zentrum der Metamphetamin-Produktion in Mexiko. Die Tempelritter galten bis vor kurzem führend bei der Produktion dieser synthetischen Droge. In den vergangenen Monaten aber sind sie zunehmende unter Druck geraten.

Anfang November besetzte das mexikanische Militär Lázaro Cárdenas, da die örtliche Polizei der Zusammenarbeit mit den Drogenkartellen verdächtigt wurde. Seitdem patrouillieren schwerbewaffnete Soldaten in den Straßen.

Neuer Akteur

Darüber hinaus macht ein relativ neuer Akteur den Tempelrittern Terrain streitig: die sogenannten Autodefensas, bewaffnete Bürgerwehren, die angesichts der Untätigkeit des Staates seit Februar 2013 den Kartellen die Krieg erklärt haben. Ende Januar schloss die mexikanische Regierung mit den Führern der Selbstverteidigungsgruppen ein Abkommen, um diese zu legalisieren und künftig in den staatlichen Sicherheitsapparat zu integrieren. Seitdem gehen Polizei, Armee und Autodefensas gemeinsam gegen die Tempelritter vor.

Die Autodefensas kontrollieren mittlerweile selbst einige Gebiete mit reichen Eisenerzvorkommen, wie Aguililla - und finanzieren sich daraus. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP erklärte ein ausländischer Unternehmer, die Bürgerwehren würden um "Kooperation" oder "Unterstützung" zwischen drei und vier US-Dollar pro Tonne bitten. Das Geld werde dazu verwendet, die Tempelritter zu vertreiben, so Adalberto Fructuoso, der frühere Bürgermeister von Aguililla, der mittlerweile eine Bürgerwehr befehligt.

In gewisser Weise finanzieren also die Bergbauunternehmen die Selbstverteidigungsgruppen, um den illegalen Abbau und Raub durch die Kartelle zu reduzieren. Vielleicht liegt hier sogar einer der Schlüssel zum Verständnis der Bürgerwehren und gleichzeitig eine Gefahr für ihre künftige Entwicklung, nämlich die der Paramilitarisierung als Vertreter der Interessen der Minenbetreiber.