Die Versicherung der Versicherer
8. Dezember 2003Wenn Zuhause die Waschmaschine überläuft, zahlt die Hausratversicherung – sofern man denn eine abgeschlossen hat. Was aber, wenn ein Erdbeben eine ganz Stadt dem Erdboden gleich macht? Eine solche Naturkatastrophe würde normale Versicherungen teuer zu stehen kommen. Im schlimmsten Fall zu teuer. Daher versichern sich Versicherungen bei so genannten Rückversicherungen gegen solche hohen Risiken ab.
So weit so gut – nur was passiert, wenn der Schaden so groß ist, dass er auch das Budget der Rückversicherungen sprengt? Damit dieser Fall nicht eintritt, versichern sich Rückversicherungen ebenfalls. Nur eben nicht bei einer weiteren Versicherung, sondern am Kapitalmarkt. Wie das geht? Die Versicherung gibt eine Katastrophenanleihe heraus (Catastrophe Bond oder kurz Cat Bond). Der Käufer der Anleihe gibt der Versicherung Geld und bekommt die Zusage nach einer bestimmten Zeit sein Geld verzinst wieder zurückzubekommen. Allerdings nur, wenn keine Katastrophe eingetreten ist.
Somit wettet der Käufer darauf, dass es beispielsweise bis 2010 kein Erdbeben in Kalifornien geben wird. Gibt es ein kleines Erdbeben, verliert die Anleihe einen Teil ihres Wertes und der Käufer bekommt weniger zurück. Bei einem großen Erdbeben bekommt der Käufer gar nichts wieder.
Katastrophen werden teurer
Für Rückversicherungen ist die Absicherung über Kapitalmärkte interessant. Einmal rechnet man mit immer häufiger auftretenden Katastrophen. Zudem werden die angerichteten Schäden pro Katastrophe in unserer zunehmend vernetzten Welt immer höher.
Stichwort: Klimawandel. Gab es in den 1960er-Jahren noch rund 30 große Naturkatastrophen, waren es in den 1990er-Jahren drei Mal so viele. Der dabei entstandene Schaden ist nach führenden Rückversicherern auf das 16- bis 20fache angestiegen. Dazu kommen besonders nach den Attentaten vom 11. September 2001 noch Risiken durch Terroranschläge.
Auch die Versicherten haben was davon, wenn ihre Versicherung sich auf dem Kapitalmarkt Rückendeckung besorgen. Da die Käufer der Katastrophenanleihen direkt bezahlen, ist im Fall einer Katastrophe das Geld für den Schadensersatz vorhanden. Dagegen laufen Versicherte, deren Versicherungen sich nicht über den Kapitalmarkt abgesichert haben, Gefahr, dass der Schaden das Kapitalvermögen der Versicherung übersteigt. Schlimmstenfalls bekommen diese Versicherten keinen Schadensersatz.
Große Nachfrage, kleines Angebot
Die Nachfrage nach Cat Bonds ist ebenfalls groß. Die Gründe: Wer eine Katastrophenanleihe kauft, bekommt einen sehr guten Zins als Risikoausgleich, der über dem anderer Anleihen gleicher Bonität liegt. Außerdem eignen sich Cat Bonds um das Portfolio zu diversifizieren, denn im Gegensatz zu anderen Anlagen ist eine Katastrophenanleihe unabhängig von Finanzmarktentwicklungen. Sinken oder steigen die Kurse, gibt es noch lange keinen Hurrikan in den USA.
Meistens werden Cat Bonds aber nur an institutionelle Anleger weitergegeben. Allerdings ermöglicht die Bank Leu, eine Tochter der Credit Suisse seit Anfang 2002 auch Privatanlegern Cat Bonds zu kaufen – in Form von Fonds. Auf diesem Weg haben die schweizerischen Privatanleger inzwischen mehr als ein Siebtel des Weltmarktes für Katastrophenanleihen gekauft.
Trotz der großen Nachfrage: Im Vergleich zu billionenschweren Anleihen und Aktienmärkten ist das Volumen der Cat Bonds mit mehr als drei Milliarden US-Dollar nur gering. Der Grund liegt bei den Kosten. Es müssen genaue Verträge ausgearbeitet werden, die definieren, wann eine Katastrophe eingetreten ist. Zudem muss die Höhe des Risikos von Experten berechnet werden, wobei die Statistiken über Jahrhundertkatastrophen in der Vergangenheit nicht sehr vollständig sind.
Daher müssen Rückversicherer wohl kaum befürchten, umgangen zu werden. Denn für Versicherungen ist es immer noch billiger, zu einem Rückversicherer zu gehen, anstatt selber Katastrophenanleihen herauszugeben.