Die Suche nach dem schönen Dröhnen
10. November 2004Früher war das Betriebsgeräusch eher akustischer Abfall und dementsprechend egal. Das hat sich aber geändert. "In erster Linie geht es darum, dass ein Geräusch einen Qualitätseindruck transportiert", erklärt Thorsten Ronnebaum. Er ist Mitinhaber bei "Ronnebaum & Springer", einem Unternehmen bei Oldenburg, das Geräte anderer Firmen klangmäßig tunt. Und zwar alle möglichen Produkte: "Schrankschubladen, Duschwände, Staubsauger. Alles, was Geräusche macht."
Ein guter Staubsauger säuselt und pfeift nicht
Bei Duschabtrennungen zum Beispiel komme es aufs Material an. "Es gibt die Soliden, die müssen beim Auf- und Zumachen tieffrequenter klingen. Wenn aber eine auf leicht gemachte Duschwand so ein Geräusch von sich geben würde, sagt der Kunde, das passt nicht", erklärt der Sounddesigner.
Beim Staubsauger wolle der Kunde vor allem hören, dass sein Gerät ordentlich Schmutz aus dem Teppich zieht. Ronnebaums Strategie: "Zum einen kann man die Staubpartikel hörbar machen. Zum anderen: Wenn die Turbine nur leise säuselt, nehmen Sie der nicht ab, dass sie kräftig saugt." Der Sound soll laut sein, aber "kein hohes Pfeifen".
Der Keks und sein Knackpunkt
Der Mensch hat einen Ohr-Instinkt. Jedes Ding soll das Geräusch machen, das von ihm erwartet wird, sagt Ronnebaum. "Wenn der Kunde sich über den Klang Gedanken macht, ist es schon zu spät."
Das gilt genau so für Kekse - das Ohr isst mit. Glaubt zumindest der Hersteller Bahlsen. "Jeder Keks hat seinen eigenen Sound", erklärt Heinz-Dieter Lechte, verantwortlich für Forschung und Entwicklung. Im Bahlsen-Labor wird das Keks-Abbeiß-Geräusch im Computer analysiert. Kipferl sind zwischen den Kundenzähnen idealerweise "mürbe-zart", Russisch Brot "crunchig-knusprig". Und wenn irgendwas nicht richtig klingt, wird eben die Zusammensetzung des Plätzchens angepasst.
Ob dadurch mehr Kunden anbeißen, darüber sind die Meinungen geteilt. Peter Gries, Sprecher bei Bahlsen-Konkurrent Griesson-De Beukelaer, geht der Wirbel auf den Keks: "Der ungeschulte Verbraucher hält die Geräusche doch gar nicht auseinander", findet er. "In unseren Augen ist das ein netter PR-Gag."
Der Porsche ist akustisch ein Bär
Auch bei Autos trifft der Käufer die Entscheidung mit dem Trommelfell. Bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen sind seit Ende der 1950er-Jahre die Sounddesigner am Werk - oder, wie Pressesprecher Jürgen Pippig sie nennt: "die Vivaldis der Automobil-Industrie". Sie würden Abgasanlage, Motorelektronik und Resonanzschwingungen so hinbasteln, "dass es sportlich klingt, aber dass einem nicht die Ohren abfallen. Es muss ein sonorer, angenehmer Klang sein", sagt Pippig.
Und das Türzuschlagen, "das ist ein metallisch-sattes Geräusch". Dafür seien unter anderem die Dichtung und die Karosserie-Konstruktion entscheidend. Sogar das Klicken des Blinkers sei kein Zufalls-Produkt.
Was den Motorsound angeht, würden sich die Akustiker auch mal von der Natur inspirieren lassen: "Ein Porsche soll ein bisschen bellen, woooouuuuff! Beim Cayenne, da hat der Bär Pate gestanden."
Männer wollen es laut, Frauen leise
Dieses Vorbild wäre bei Elektrorasierern dagegen unangebracht. Im Bad gebe es Männer- und Frauengeräusche, erklärt Sounddesigner Ronnebaum: "Der Herrenrasierer soll männlich klingen durch tieffrequentes Dröhnen. Wichtig ist auch ein Prazzel-Geräusch, das einem vermittelt, dass der Bart entfernt wird. Die Damen möchten dagegen eine sanfte Haarentfernung, und so soll es auch klingen." Eines der wenigen Geräte, die so scheppern dürfen wie eh und je, sei der Toaster.
Die Mozarts der zeitgenössischen Industrie können eine Menge drehen, sagt Ronnebaum: isolieren, dämpfen, versteifen. Aber irgendwo sei auch Schluss: "Man kann nicht einem Staubsauger das fröhliche Singen beibringen."