Die Sünden der Vergangenheit
28. Mai 2009Gleich in seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 sortierte US-Präsident Bush das kommunistische Nordkorea in die berühmt-berüchtigte Achse des Bösen ein. Ein Reflex auf die Attentate vom 11. September 2001, die befürchten lassen mussten, dass Kim Jong Ils Regime künftig auch Terrornetzwerke mit spaltbarem Material beliefern könnte. In Nordkorea löste diese aggresive Rhetorik Angriffsbefürchtungen aus. Die Sechs-Parteien-Gespräche mit Südkorea, den USA, Russland, Japan und China lagen auf Eis. Und als sie im Frühjahr 2005 mühsam wieder in Gang kamen, forderte Nordkorea zunächst einen Nichtangriffspakt von den USA
Bushs Achse des Bösen
Bush jedoch gab sich zunächst hartnäckig und wies alle Spekulationen über eine geplante Militäraktion gegen Nordkorea zurück. "Wir sind friedliche Menschen. Wir haben keine Absicht, in Nordkorea einzumarschieren", ließ er erklären und im Hintergrund seinen Gewährsmann Christopher Hill diskret diplomatische Lösungsversuche ausloten. Nach einer Reihe von Zugeständnissen Nordkoreas, wie der Schließung seines Atomreaktors in Yongbyon, wurde schliesslich auch die offizielle Haltung der USA gegen Ende der zweiten Amtszeit Präsident Bushs zusehends weicher. Im Frühjahr 2008 kündigte Bush sogar das Ende der Sanktionen und die Streichung Nordkoreas von der Liste der staatlichen Terrorismus-Förderer an. Dabei gingen die Vorbereitungen in Nordkorea für weitere Atom- und Raketentest im Verborgenen munter weiter.
Appeasement mit Tradition
Die Geschichte des amerikanischen Entgegenkommens gegen über Nordkoreas Drohgebärden ist lang und geht bis in die Clinton-Jahre zurück. Hatte Clinton zunächst im Jahr 1994 einen Militärschlag gegen Nordkorea vorbereiten lassen, sandte er wenig später Ex-Präsident Jimmy Carter in einer Friedensmission nach Pjöngjang. Nach dem Versprechen der nordkoreanischen Regierung, alle Nuklear-Aktivitäten einzustellen, wurde ein umfangreiches Abkommen unterzeichnet, in dem Nordkorea wirtschaftliche Hilfslieferungen zugesagt und sogar der Bau eines modernen Leichtwasser-Reaktors mit amerikanischer Hilfe in Aussicht gestellt wurde. Damals weckte Clinton noch Hoffnungen: "Heute haben wir nach 16 Monaten intensiver Verhandlungen einen Vertrag geschlossen, der die USA, die koreanische Halbinsel und die Welt sicherer machen wird." Doch dies sollte sich als Trugschluss erweisen: Nordkorea wurde bald darauf vertragsbrüchig und trug so zu den verhärteten Fronten in den ersten Bushjahren bei.
Von Pjöngjang hinters Licht geführt
Mit besonderem Augenmerk dürfte Kim Jong Il nun die diplomatischen Offerten des neuen Präsidenten Obama gegenüber dem Iran beobachten. Einen ähnlichen Ölzweig, wie ihn Obama kürzlich der anderen "Achsenmacht des Bösen" anbot, könnte auch Nordkoreas Diktator im Visier haben. Dann ließe sich in neuen Sechs-Parteien-Gesprächen, die Pjöngjang im April diesen Jahres wieder abgebrochen hatte, für das bankrotte Regime im Norden der koreanischen Halbinsel vielleicht ein Höchstmaß an Wirtschaftshilfe und damit auch politischer Stabilität herausholen.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Thomas Latschan