1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Nacht der Kompromisse

Karl Zawadzky15. November 2001

Einigung nach langen Verhandlungen: Die Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation WTO haben auf der Ministerkonferenz in Doha den Start einer neuen Handelsrunde beschlossen.

https://p.dw.com/p/1MyW
Ein Delegierter auf dem Weg zu den AbschlussberatungenBild: AP

Mit dem Beschluss wird eine neue Liberalisierungsrunde ermöglicht. Bis zuletzt umstritten war in Doha besonders das Thema Landwirtschaft. Erst nach zähen Verhandlungen konnten Widerstände, vor allem der französischen Delegation, überwunden werden. Die Franzosen wollten vor den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen auf keinen Fall einem Stopp der EU-Exportsubventionen für Agrarerzeugnisse zustimmen. Dies hatten neben Entwicklungsländern wie Indien auch die USA gefordert.

Neue Handelsrunde beginnt 2002

Die neue Welthandelsrunde soll im Januar kommenden Jahres am Sitz der WTO in Genf beginnen und bis Ende 2004 abgeschlossen werden. Durch den Kompromiss von Doha ist die Tagesordnung für die Gespräche bereits vorgegeben.

Stolperstein Agrarsubventionen

In der kommenden Welthandelsrunde wird zwar das Ende der Agrarexportsubventionen sowie eine wesentliche Verringerung der inländischen Hilfen für die Landwirtschaft angestrebt. Ein vollständiges Aus dieser Beihilfen wird in den Verhandlungen aber ausdrücklich nicht angestrebt. Frankreich kann also hoffen, dass nicht sofort alle Gelder aus EU-Quellen für die Landwirtschaft versiegen.

Wäre an diesem Problem die Aufnahme einer neuen Handelsrunde gescheitert, hätte die Delegation der Europäischen Union, mit Handelskommissar Pascal Lamy an der Spitze, schlecht ausgesehen. Ihr wäre nämlich die Verantwortung für das Scheitern der gesamten Konferenz angehängt worden. Denn für die Lösung einzelner Fragen wird keine Welthandelrunde gestartet. Stattdessen haben solche Verhandlungen vielmehr dann die besten Erfolgsaussichten, wenn viele verschiedene Themen auf dem Tisch liegen und dadurch ein gegenseitiges Nehmen und Geben möglich wird.

Votum gegen "Umweltprotektionismus"

Eine ähnliche Formulierung, wie sie für den Abbau der Subventionen für Agrarexporte vereinbart worden ist, erlaubt die Aufnahme von Verhandlungen über das Verhältnis von Handel und Umwelt. Hier hatten die Entwicklungsländer - vor allem Indien - den Forderungen der Industriestaaten lange erbitterten Widerstand entgegen gesetzt.

Das Thema Umwelt kommt somit erstmals auf die Agenda einer Welthandelsrunde. Angestrebt wird insbesondere eine Harmonisierung der WTO-Regeln und internationaler Umweltschutzabkommen. Bestimmungen zum Schutz der Natur sollen den Handel nicht behindern und "Umweltprotektionismus" vermeiden. Dagegen soll erlaubt sein, auf die Umweltfreundlichkeit bestimmter Produkte oder Produktionsverfahren hinzuweisen. Das gilt zum Beispiel für den Handel mit Tropenholz, das nicht aus Plantagen und aus Urwaldbeständen stammt.

Keine Kernarbeitszeiten

Das Thema Kernarbeitszeiten, von den Industriestaaten vor Beginn der Konferenz in Katar heftig gefordert, wird in der Abschlussdeklaration nicht einmal erwähnt: Denn die Entwicklungsländer zeigten sich in dieser Frage nicht gesprächsbereit. Während die Industriestaaten durch die Einführung von Kernarbeitszeiten gegen Ausbeutung und Kinderarbeit in der Dritten Welt vorgehen wollen, betrachten Entwicklungsländer dies nur als protektionistischen Trick: Ziel der Industrienationen ist demnach, die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte aus der Dritten Welt auf den Märkten der Industrieländer zu schwächen. Hätten die Industriestaaten beim Thema Kernarbeitszeiten auf ihrer Position beharrt, wäre die Einigung über eine neue Welthandelsrunde gescheitert.