Der verlogene Krieg
13. Februar 2009Es sind historische Bilder, die das sowjetische Fernsehen am 15. Februar 1989 zeigt: Die letzte Militärkolonne rollt über die Brücke an der afghanischen Grenze. Rote Fahnen flattern im Wind, Soldaten sitzen auf Schützenpanzerwagen. Sie lächeln und winken in die Kameras.
Der Ukrainer Wjatscheslaw Kuprijenko war damals Offizier bei der Militäraufklärung und hat als Letzter Afghanistan verlassen – zusammen mit dem Kommandierenden der 40. Armee General Boris Gromow. In einem Interview sagte Gromow damals seinen berühmten Satz: „Hinter meinem Rücken gibt es keinen sowjetischen Soldaten und Offizier mehr. Damit ist die neunjährige Präsenz zu Ende.“
Ein klassisches Fehlkalkül
Es war der längste Krieg in der Geschichte der UdSSR. Obwohl nie von einem „Krieg“ die Rede war. Die etwa 75.000 Militärs, die zwischen 1979 und 1989 in Afghanistan stationiert waren, erfüllten ihre „internationale Pflicht“, wie es damals in der sowjetischen Propaganda-Sprache hieß.
Die kommunistische Führung Afghanistans bat die Sowjetunion um Hilfe bei der Bekämpfung der islamischen Opposition. Unter diesem Vorwand wurde am 25. Dezember 1979 einmarschiert. Doch tatsächlich ging es um etwas anderes. „Es war ein klassisches Fehlkalkül, dass die Sowjetunion mit einer imperialistischen Bedrohung konfrontiert sei“, sagt Manfred Sapper, Chefredakteur der Berliner Fachzeitschrift „Osteuropa“.
Gescheiterte Pläne
Nach der islamischen Revolution im Iran bauten die USA ihre Militärpräsenz in der Region auf. Die UdSSR fühlte sich bedroht und wollte ihre südliche Grenze absichern, erinnert sich Walerij Ablasow, ehemaliger sowjetischer Militärberater in Kabul: „Die Aufgabe war, ein Regime zu installieren, es zu stärken und die Truppen abzuziehen. Niemand wollte Afghanistan erobern und für eine lange Zeit besetzt halten.“
Aus diesen Plänen wurde jedoch nichts. Auch mit Moskaus Hilfe konnte die afghanische Regierung den Kampf gegen die Mudjahedin nicht gewinnen. Nicht zuletzt, weil die USA die islamischen Kämpfer mit Waffen unterstützt hatten. Auch der Al-Kaida-Chef Osama bin Laden kämpfte damals gegen die Sowjettruppen in Afghanistan.
Unterschiedliche Bilanz
Die Entscheidung über den Abzug fiel erst 1988. In der Sowjetunion war zu diesem Zeitpunkt bereits die Perestroika voll im Gange. KPDSU-Chef Michail Gorbatschow wollte die Konfrontation mit dem Westen beenden und sein Land innenpolitisch reformieren. Auf einem Treffen im April in Genf einigten sich Afghanistan und Pakistan sowie die UdSSR und die USA dahingehend, dass die sowjetischen Truppen innerhalb von neun Monaten nach Hause zuückkehren sollten.
20 Jahre danach fällt die Bilanz aus russischer Sicht zwiespältig aus. „Militärs haben ihre Aufgabe erfüllt. Doch die politische Führung hat die vorhandenen Möglichkeiten der Militärmaschine nicht genutzt. Am Ende wurde alles faktisch verloren“, sagt Walerij Ablasow. Westliche Experten sprechen dagegen von einem „Debakel“. „Es führte zur Verschärfung der Ost-West-Konfrontation. Innenpolitisch war dieser Krieg ein Katalysator, der die gesamten ökonomischen Defizite und die Verlogenheit der Ideologie auf den Tisch brachte“, sagt Sapper, der die Auswirkungen des Afghanistan-Einsatzes auf die sowjetische Gesellschaft untersucht hat.
Tausende Opfer
Wjatscheslaw Kuprijenko, der heute in Kiew lebt, weiß genau, was das bedeutet. „Es klang lächerlich, als die Politiker uns angestachelt haben und von irgendeiner „internationalen Pflicht“ redeten. Man spürte, dass es nicht echt war… Nach so vielen Jahren fragt man sich – Was hast Du da gemacht? Wofür kämpftest du? Und dann kam so eine Erleuchtung: Eigentlich kämpften wir für das Überleben der Kameraden.“
Kriegsberichte erzählen der Welt von den Gefallenen im letzten Kampf“, singt Kuprijenko in einem seiner selbstkomponierten Lieder. Er selbst blieb unverletzt. Mehr als 15.000 Sowjetsoldaten kamen in Zinksärgen aus Afghanistan nach Hause. Über 10.000 sind als Krüppel zurückgekehrt.