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Das Hariri-Tribunal: Sprengstoff für Beirut

13. Januar 2011

Die Hisbollah boykottiert es, Saad Hariri hält an ihm fest: Seit 2007 will ein UN-Sondertribunal den Mord an Rafik Hariri 2005 aufklären. Jetzt hat der Streit ums Tribunal Beirut in eine tiefe Regierungskrise gestürzt.

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Ein Plakat von Rafik Hariri und ein Foto von Hassan Nasrallah (Foto:ap)
War die Hisbollah tatsächlich an der Ermordung von Rafik Hariri beteiligt?Bild: AP/DW-Fotomontage

Am 14. Februar 2005 erschüttert eine Bombenexplosion die libanesische Hauptstadt Beirut. 23 Menschen werden getötet, unter ihnen der ehemalige libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri. Um den Mord an ihm aufzuklären, richten die Vereinten Nationen eine unabhängige Untersuchungskommission ein, die vom deutschen Staatsanwalt Detlev Mehlis geleitet wird.

Die Spuren führen nach Syrien

Detlev Mehlis vor dem UN-Sicherheitsrat (Foto:ap)
Detlev Mehlis vor dem UN-SicherheitsratBild: AP

Für Mehlis steht schnell fest, in welche Richtung er ermitteln muss. Die Drahtzieher sollen in Damaskus sitzen. Schon im August werden vier pro-syrische Sicherheitschefs im Libanon verhaftet. Im Dezember 2005 stellt Mehlis dann die umfassenden Ergebnisse seiner Untersuchungen vor. Der deutsche Jurist ist sicher, dass der Anschlag "nicht ohne Mitwissen der entsprechenden syrischen Kreise" hätte durchgeführt werden können. Damit fiel der Verdacht auch auf die Hisbollah, die enge Beziehungen zu Damaskus unterhält. "Die Hisbollah wird mit Sicherheit nicht riskieren, derartige Aktionen ohne Billigung Syriens durchzuführen", erklärte Mehlis im Dezember 2005.

Zum Rückzug gezwungen

Syrische Truppen ziehen sich aus dem Libanon zurück (Foto:ap)
Syrische Truppen ziehen sich aus dem Libanon zurückBild: AP

In Folge dieser Ermittlungen wird der Druck auf Syrien immer größer - so groß, dass die syrischen Truppen sich schließlich aus dem Libanon zurückziehen müssen. Die libanesische Regierung wiederum nimmt die Erkenntnisse zum Anlass, die Vereinten Nationen darum zu bitten, ein internationales Sondertribunal zur Aufklärung des Hariri-Mordes einzurichten. Am 10. Juni 2007 nimmt dieses Tribunal in Den Haag seine Arbeit auf. Im Zentrum der Verdächtigungen: Syrien und die radikalislamische Hisbollah.

Falsche Zeugen und arrangierte Beweise?

Rafik Hariri wurde durch eine gewaltige Bombenexplosion getötet (Foto:ap)
Rafik Hariri wurde durch eine gewaltige Bombenexplosion getötetBild: AP

Doch in der Folgezeit kommen mehr und mehr Zweifel auf an der bisherigen Beweisführung. Falsche Zeugen sollen gekauft oder zu Aussagen gezwungen worden sein. Mehlis muss seinen Posten als Vorsitzender der Untersuchungskommission räumen, die vier inhaftierten syrienfreundlichen Generäle werden 2009 wieder freigelassen - aus Mangel an Beweisen.

Auch politisch dreht sich der Wind im Libanon: Aus den Wahlen 2009 geht Saad Hariri zwar als Sieger hervor, doch die Regierungsbildung zieht sich über Monate hin. Am Ende strebt Hariri die Bildung einer "Regierung der nationalen Einheit an", gemeinsam mit der Hisbollah.

Zankapfel Hariri-Tribunal

Libanons Noch-Regieurngschef Saad Hariri (Foto:ap)
In welche Richtung steuern Saad Hariri und der Libanon jetzt?Bild: AP

Doch die Koalition ist von Anfang an eine wackelige Angelegenheit, auch und vor allem wegen des UN-Sondertribunals. Am Ende zerbricht sie sogar daran. Noch im Januar 2011 soll der Abschlussbericht des Tribunals vorliegen. Doch schon im Vorfeld sickerte durch, dass mehrere Hisbollah-Mitglieder auf der Anklagebank landen könnten. Kein Wunder, dass Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah sich weigert, das Tribunal zu akzeptieren - weil es seiner Meinung nach nicht objektiv ermitteln soll: "Das Tribunal hat nie überlegt, Israel in die Ermittlungen einzubeziehen," wetterte Nasrallah unlängst, "obwohl Israel das Motiv, das Interesse und die Mittel besessen hat, dieses Attentat durchzuführen."

Die Hisbollah hatte Saad Hariri während der gemeinsamen Regierungszeit mehrfach aufgefordert, das UN-Tribunal zu boykottieren und die Finanzierung der Ermittlungen einzustellen. Doch Rafik Hariris Sohn hielt bis zum Schluss an der internationalen Untersuchung fest: "Ich wollte immer die Wahrheit wissen und glaube noch immer daran, sie zu finden", sagte Hariri am fünften Jahrestag der Ermordung seines Vaters. Das internationale Tribunal sei die einzige Möglichkeit, diese Wahrheit herauszufinden, so Hariri weiter, "und wer auch immer glaubt, dass die Gerechtigkeit am Ende nicht siegen wird, macht einen tödlichen Fehler".

Autor: Thomas Latschan

Redaktion: Diana Hodali