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"Wir wollen den Sport schützen"

10. März 2017

Deutschland hat jetzt ein Gesetz gegen Sportbetrug - auch weil der Sport mit dem Problem allein nicht fertig wird, sagt Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag im DW-Interview. Ihr geht es um einen fairen Wettbewerb.

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Dagmar Freitag -  Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages
Seit langem für ein Gesetz gegen Sport-Betrug: Dagmar Freitag, Bundestag-Sportausschuss-Vorsitzende.Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

DW: Dagmar Freitag, warum braucht Deutschland ein Gesetz gegen Sportbetrug und Spielmanipulation?

Dagmar Freitag: Betrug mit und durch Sportwetten und andere Formen der Manipulationen gefährden die Integrität des Sports und verzerren den Wettbewerb. Der Sport allein ist mit der Aufdeckung und Sanktionierung überfordert, das hat u.a. auch die Dopingproblematik gezeigt, zu deren Bekämpfung wir ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedet haben. Das Gesetz gegen Sportbetrug und Spielmanipulation ist eine logische Fortführung unserer Bemühungen zum Schutz des sportlich-fairen Wettbewerbs.

Bis zu fünf Jahre Haft bei Wettbetrug - Sie setzen damit auf Abschreckung. Waren die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten nicht ausreichend?

Es geht ja nicht nur um die Höhe der Sanktionen, sondern vor allem um die Einführung von neuen Straftatbeständen. Wir wollen und müssen vor allem die Integrität des Sports vor Wettbetrug und Manipulation schützen, aber schließlich geht es hier häufig genug auch um Vermögensschäden. Dass wir Mittel des Strafrechts anwenden, um gleichermaßen abzuschrecken und zu sanktionieren, halte ich für angemessen und sinnvoll.

Eine "kategorische Abwehrhaltung" des Fußballs

Symolfoto Sportwetten, Fußball und Geldscheine, Fußballwetten
Ein Milliardenmarkt: Sportwetten bieten für Betrüger große Gewinnchancen - bisher weitgehend risikolos.Bild: picture-alliance/Chromeorange/C. Ohde

Angenommen, ein Bundesliga-Profi stolpert und schießt ein Eigentor. Später kommt aufgrund von - sagen wir abgehörten Telefonaten - der Verdacht der Spielmanipulation auf. Wie kann man dann juristisch überhaupt nachweisen, dass das Stolpern Absicht war?

Das sind theoretische Fragen, die in einem möglichen Strafverfahren praktisch erörtert würden. Und wie in jedem anderen staatlichen Strafverfahren muss dem Beschuldigten die Schuld zweifelsfrei nachgewiesen werden.

DFB und DFL loben den Gesetzentwurf. Hat der Fußball bisher selbst genügend Anstrengungen unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen?

Bisher hatte ich schon den Eindruck, dass der Fußball sich engagiert zeigt, Wettbetrug und Manipulation in seinem Bereich zu unterbinden. Spielern, Trainern und Offiziellen ist es verboten zu wetten, außerdem gibt es einen Ombudsmann, den man jederzeit anonym kontaktieren kann. Die Reaktion des Fußballs auf die aktuellen Erkenntnisse einer Studie, die Auffälligkeiten bei einer bestimmten Kombination von Schiedsrichtern, Wetteinsätzen und Spielergebnissen zeigen, hat mich allerdings verwundert: Dass man bei solchen Informationen sofort in eine kategorische Abwehrhaltung verfällt, anstatt diese aufzuarbeiten und genauer hinzusehen, finde ich der Sache nicht angemessen.

"Jede Menge ökonomische Verlierer"

Nach Schätzungen werden weltweit 700 Milliarden Euro mit Sportwetten umgesetzt, der Anteil an manipulierten Wetten ist unklar. Wie groß ist das Problem Sportbetrug für die Gesellschaft?

Es gibt Aussagen, dass Gewinne durch Sportwetten für Kriminelle mittlerweile interessanter sein sollen als der Drogenhandel, weil die Gefahr, entdeckt zu werden, bisher viel geringer ist. Bei Sportwetten gibt es neben der Integrität des Sports schlussendlich auch jede Menge ökonomische Verlierer, denn die Wettgewinne von Betrügern werden durch Wetteinsätze anderer Kunden generiert.

Deutschland Dagmar Freitag Sportausschuss des Deutschen Bundestages
Gegen die Übel des Sports: Dagmar Freitag arbeitete am Anti-Doping-Gesetz und am Sportbetrug-Gesetz mit.Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Aus der Opposition kommt Kritik: Das Gesetz sei im "Schweinsgalopp" durchgeboxt und obendrein nachts beschlossen worden…

Diese Kritik ist völlig unberechtigt. Der Gesetzentwurf war im Juli 2016 in den Bundestag eingebracht worden und seitdem im federführenden Rechtsausschuss, aber natürlich unter anderem auch im Sportausschuss eingehend beraten worden. Auch eine Öffentliche Anhörung wurde durchgeführt. Ich denke, dass wir das Gesetz gleichermaßen sorgfältig wie zügig verabschiedet haben.

"International eine Vorreiterrolle"

Ebenfalls kritisiert die Opposition, dass die Integrität des Sports gar kein durch das Strafgesetzbuch zu schützendes Rechtsgut sei. Was entgegnen Sie?

Die Integrität des Sports ist nichts, das wir nur zum Wohle des Spitzensports erhalten wollen. Der Sport hat eine enorme Bedeutung für die gesamte Gesellschaft, aber wenn der Spitzensport unehrlich, manipuliert, korrupt und käuflich ist, dann strahlt das leider auch sehr negativ in den Rest der Gesellschaft hinein.

Kann man ein internationales Phänomen wie Wettbetrug überhaupt wirkungsvoll mit nationalen Gesetzen bekämpfen?

Die gleiche Diskussion haben wir beim Anti-Doping-Gesetz geführt. Die Antwort lautet "Jein", denn natürlich gelten unsere Gesetze nun einmal zunächst national und finden nur hier Anwendung. Aber natürlich haben sowohl die Doping- als auch die Wett- und Manipulationsproblematik eine internationale Dimension, die wir mit unseren nationalen Gesetzen nicht eindämmen können. Das Anti-Doping-Gesetz hat international großes Interesse geweckt, etliche Staaten wollen sich dieses zum Vorbild nehmen. Ich habe den Eindruck, dass auch das Gesetz gegen Sportbetrug und Spielmanipulation das Potential hat, international eine Vorreiterrolle einzunehmen.

Dagmar Freitag (SPD) ist seit 2009 Vorsitzende des Sportausschusses im Deutschen Bundestag und war maßgeblich an der Einführung des neuen Gesetzes gegen Sportbetrug beteiligt.

Das Interview führte Joscha Weber.