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"Christus öffnet die Pforten" für den Papst

2. April 2005

Der Papst "sieht und hört bereits den Herrn". Mit diesen Worten hat sein Vertrauter, Kardinal Ruini, die Welt auf den bevorstehenden Tod von Johannes Paul II. vorbereitet.

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Weltweit wird in Gebeten und Gottesdiensten dem todkranken Papst gedachtBild: AP

Millionen Gläubige haben in der Nacht zum Samstag (2.4.2005) für den mit dem Tode ringenden Papst gebetet. Auf dem Petersplatz in Rom hielten rund 70.000 Gläubige eine Nachtwache und harrten dort auch noch am Morgen aus, um dem Papst nahe zu sein. Sie zündeten Kerzen an und beteten gemeinsam das "Vater unser". Auch in Polen, der Heimat des Papstes, in Asien, Afrika und Amerika kamen Menschen zum Gebet zusammen.

Für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche schwand indes die Hoffnung. Hochrangige Vertreter des Vatikans sagten offen, dass der Papst im Sterben liege. Er sei nur noch zeitweise bei vollem Bewusstsein, teilte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Samstagvormittag in Rom mit. Der 84-Jährige befinde sich nicht im Koma aber in einem Zustand, in dem er zeitweilig das Bewusstsein verliert. Sein Zustand sei unverändert kritisch. Zwar öffne der Kirchenführer mitunter die Augen. "Meistens will er aber schlafen."

Tausende von Betenden versammlen sich auf dem Petersdom, erleuchtete Fenster des Papst Appartments
Tausende von Betenden versammelten sich vor dem Petersdom, erleuchtete Fenster des Papst-AppartmentsBild: AP

"Er geht zum Herrn"

Am Morgen hätten Kurienkardinäle und enge Mitarbeiter eine Messe beim Papst gefeiert. Der Kirchenführer habe ihnen dafür gedankt. Der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger sagte zuvor: "Ihm ist bewusst, dass er zum Herrn geht." Der Papst habe sich "von mir mit einem letzten Gruß verabschiedet und mir für die Arbeit in den letzten Jahren gedankt".

Der Papst "sieht und hört bereits den Herrn", sagte der Vertraute des Papstes, Kardinal Camillo Ruini am Freitagabend bei einem Gottesdienst in der Lateranbasilika in Rom. Ruini gehörte ebenso wie Kardinal Josef Ratzinger zu den wenigen Mitarbeitern, die vom Pontifex am Krankenbett empfangen wurden. Generalvikar Monsignore Angelo Comastri forderte die Gläubigen nach dem Rosenkranzgebet auf, für den sterbenden Papst zu beten. Er machte deutlich, dass es die letzte Gelegenheit sein würde, denn spätestens diese Nacht "wird Christus die Pforten öffnen für den Papst".

Der Papst hat nach Angaben des Vatikans bereits das Sterbesakrament erhalten. Bereits in der Nacht zu Freitag hatte sich der Zustand des Papstes wegen hohen Fiebers und nach einem Zusammenbruch des Herz-Kreislauf-Systems verschlechtert. Der Papst habe es aber abgelehnt, nochmals in eine Klinik zu gehen.

Nonnen beten auf dem Petersdom für Papst Johannes Paul II.
Nonnen beten auf dem Petersdom für Papst Johannes Paul II.Bild: AP

Nicht in die Klinik

Der 84-Jährige hatte am Donnerstag (31.3.) nach einer Harnwegsinfektion einen septischen Schock und einen Herzkreislauf-Kollaps erlitten. "Er ist sich über den Ernst der Situation im Klaren", sagte Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro-Valls sichtlich bewegt. Die behandelnden Ärzte respektierten jedoch den Wunsch des Papstes, nicht erneut in die Klinik verlegt zu werden. Das Ärzteteam im Vatikan besteht aus dem Leibarzt des Papstes, einem Kardiologen, einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt und zwei Fachärzten für Intensivmedizin.

Im katholischen Italien wirkte sich die Agonie des Kirchenoberhaupts auch auf die Politik aus. Der Regionalwahlkampf wurde abgebrochen. Mit Blick auf die Wahl eines Nachfolgers für den seit 26 Jahren amtierenden Papstes berichteten italienische Medien, es seien bereits Kardinäle aus aller Welt unterwegs nach Rom.

Historisch

Schon bei seinen letzten öffentlichen Auftritten wirkte Johannes Paul II. sehr schwach. Der Papst, der seit Jahren an Parkinson leidet, war am 1. Februar mit Grippe und einer Kehlkopfentzündung in die Gemelli-Klinik gekommen. Drei Wochen später wurde wegen akuter Atemnot ein Luftröhrenschnitt vorgenommen, bei dem ihm die Ärzte zum leichteren Atmen eine Kanüle in den Hals setzten. Seither verschlechterte sich sein Zustand stetig. Er nahm 19 Kilo ab, seit Mittwoch wird er über eine Magensonde künstlich ernährt. Zu Ostern hatte der Papst bei der Erteilung des Segens "Urbi et Orbi" vor den Gläubigen auf dem Petersplatz keinen Ton herausgebracht.

Johannes Paul II. ist der am drittlängsten amtierende Papst in der Geschichte der katholischen Kirche. Er wird nach seinem Tod neun Tage lang in verschiedenen Zeremonien geehrt werden. Nach den 1996 von ihm selbst erlassenen Regeln wird er zwischen vier und sechs Tage nach seinem Tod bestattet. Die Wahl eines Nachfolgers muss 15 bis 20 Tage nach seinem Ableben erfolgen. (mas)